Scheiß auf perfekt!. Stefan Dederichs

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Scheiß auf perfekt! - Stefan Dederichs Dein Leben

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dir das irgendwie bekannt vor? Vielleicht von dir selbst oder von Menschen aus deinem Umfeld? Immer auf den perfekten Moment zu warten, immer zu warten, bis alles perfekt geplant ist, kann schnell dazu führen, dass du es nie erleben wirst, deine Pläne zu verwirklichen und sich der Verwirklichung deiner Träume auch nur ein wenig anzunähern. Das ist auch eine Form von Prokrastination, von »Verschieberitis«. Weißt du, was alles passieren kann? Weißt du, was in den nächsten zehn Jahren alles auf dich zukommt? Gute Planung, gute Vorbereitung, gute Organisation – in Ordnung, nur: Lass dich nicht durch unnötiges Perfektionsstreben von Möglichkeiten und Chancen abhalten. Der perfekte Moment, die perfekte Planung – beides gibt es nicht. In Wahrheit verbirgt sich dahinter nur eine Ausrede für die eigene Entscheidungsfaulheit und fehlende Entscheidungskraft.

       »Dem Gewissenhaften ist das Amt mehr Bürde als Würde.«

      Aus dem Talmud

      Noch einmal zurück zu meinem Freund: Wie er die Reise, wenn er sie doch irgendwann einmal angetreten hat, empfinden wird, entscheidet sich allein in seinem Kopf und durch die Art und Weise seiner Wahrnehmung und Beurteilung. Dabei spielt es keine Rolle, wie gut oder schlecht er sie vorbereitet hat. Ob er begeistert ist oder nicht, entscheidet sich nicht dadurch, ob er alles perfekt und bis ins kleinste Detail durchdacht und geplant hat. Es wird dadurch entschieden, welche Gefühle er auf dem Trip zulässt. Wenn er sich während der Reise nur darauf konzentriert, dass auch wirklich alles perfekt ist, wird sein Blick immer wieder auf das Nicht-Perfekte fallen. Er wird in der Echokammer des Perfektionismus gefangen bleiben und darum viel zu sehr damit beschäftigt sein, sich mit unwichtigen Dingen zu beschäftigen, und darüber vergessen, die schönen Momente zu genießen. Ihm werden tausend Situationen auffallen, die er nicht geplant hat. Wie ein Magnet wird er nur die negativen Momente und Situationen erkennen. Er wird die perfekte Vorstellung aus seinen Gedanken nie so umsetzen können, wie er es sich vorgestellt hat. Weil das Leben anders ist, weil das Leben die Perfektion nicht zulässt. Wir wachsen an Hürden und Hindernissen, wir erfahren echte Emotionen nur dann, wenn eben nicht alles perfekt ist, sondern auch unvorhergesehene und unvorhersehbare Dinge geschehen. Ja, in den Momenten würden wir uns wünschen, dass es anders wäre, wir wollen diese ungeplanten Situationen nicht. Es wäre uns lieber, wenn alles ganz glatt und geschmeidig laufen würde.

      !

       Im Nachhinein sind es jedoch meist genau die unplanbaren Situationen, die das Salz in der Suppe ausmachen und uns zu wirklichen Glücksgefühlen verhelfen.

      Die Verspätung des Flugzeugs bei der Abreise wird er in seiner perfekten Planung nicht berücksichtigt haben. Die Moskitos, die abends am Lagerfeuer auf ihn warten, wird er in seiner Vorstellung nicht eingeplant haben. Dass der Strauß heftig nach ihm pickt, wird er nicht vorausgesehen haben, auch nicht die plötzliche Begegnung mit einem Löwen und den Zusammenstoß mit einem Einheimischen, den er aufgeschreckt hat. Die Panne des Jeeps auf dem Weg ins Camp kann er nicht erahnen. Jedes dieser Geschehnisse wird ihm wie ein Dolchstoß ins Herz vorkommen. Nur weil er zu sehr nach der Perfektion strebt, anstatt den Moment zu genießen und die unvorhergesehenen Situationen als willkommene Abwechslung hinzunehmen. Denn unverhoffte Ereignisse, Moskitos, Begegnungen mit Tieren, Pannen – alles das macht doch das aus, was diese Reise vom gemütlichen Sitzen auf der Couch im heimischen Wohnzimmer unterscheidet und sie zum unvergesslichen Abenteuer werden lässt.

      Es passiert alles in seinem Kopf. Er ist derjenige, der seine Reise zum Erlebnis oder zum Desaster werden lässt. Perfektion blockiert unsere positive Empfindungskraft. Er kann die Reise noch so gut organisiert und alle Eventualitäten berücksichtigt haben: Es werden Situationen auftreten, die seine perfekte Planung zu Makulatur werden lassen. Es müssen keine großen Geschehnisse sein, es reichen Kleinigkeiten, die ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Und schon sind sie da – die Unzufriedenheit, der Frust, die Selbstzweifel: »Warum habe ich das nicht berücksichtigt, wie konnte ich das nur übersehen, wieso bin ich nicht vorher darauf gekommen?« Die Fesseln des Perfektionismus ziehen sich immer fester und enger um ihn zusammen.

      Eine gute Vorbereitung, eine durchdachte Planung und eine realistische Einschätzung möglicher Probleme und Risiken sind nicht gleichbedeutend mit Perfektionismus; diese Dinge sind bei einer solchen Reise mehr als angebracht. Sich Gedanken zu machen, welche Impfungen notwendig sind, welche Orte besucht werden sollten, was man gern erleben will, sich ein möglichst klares Bild von den Erlebnissen zu machen, die man sich erhofft – all dies ist mehr als sinnvoll. Mithilfe der Planung und Organisation der Reise eine beglückende Vorfreude zu durchleben, ist durchaus erstrebenswert. Wir wissen aus der positiven Glücksforschung, dass allein schon durch die Gedanken an unerwartet schöne Momente das so wichtige Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Dies sorgt für ein kurzes, aber explosionsartiges Glücksgefühl. Wir erfahren also schon durch die Gedanken an die schönen Situationen wahrhaftiges Glück. Auf diese Weise macht uns die Reise gleich mehrfach glücklich. Dies funktioniert jedoch nur dann, wenn wir den Blick vor allem auf die schönen Aussichten und Möglichkeiten richten und es vermeiden, dass durch übermäßiges Perfektionsstreben nur die negativen Aspekte Einzug in unsere Gedanken halten.

       Perfekte Lösungen ohne Perfektion

      Als ich vor einigen Jahren im Bereich Softwarevertrieb tätig war, wurde in einer Firma eine Schnittstelle zu einer Internetplattform benötigt. Der Kunde hatte auf der Plattform Daten erfasst, und diese Daten sollten automatisiert in unsere Software übernommen werden, damit diese nicht doppelt erfasst werden müssen. Eine solche Schnittstelle existierte bisher nicht, jede Eingabe musste mühselig in der Verwaltung erneut eingegeben werden. Auch Wettbewerber hatten diese Funktion nicht im Angebot. Aus dem Vertrieb habe ich diese Anforderung an die Entwicklung weitergegeben und um Einschätzung einer Umsetzung gebeten. Die Entwicklungsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass es zwei Möglichkeiten zur Lösung gab. Die erste Lösung stellte eine recht einfache dar, die überdies schnell und kostengünstig umgesetzt werden konnte, ein einfaches Bildschirmauslesen. Sie wies allerdings den Nachteil auf, dass die Datenqualität nicht perfekt war. Es konnten nur nahezu alle Daten übertragen werden, jedoch eben nicht alle. Der Kunde musste Kleinigkeiten nacharbeiten.

      Die zweite Lösung war um ein Vielfaches aufwendiger. Es handelte sich um eine offizielle Schnittstelle, die durch den Anbieter der Internetplattform zur Verfügung gestellt wurde. Mit dieser konnten die Daten als Datei an uns übermittelt werden. Diese Lösung war in der Umsetzung deutlich schwieriger, denn es waren umfangreiche Abstimmungen und Gespräche erforderlich. Dieser Weg hatte den Vorteil, dass die Datenqualität hervorragend war. Der Anwender musste fast nichts mehr ändern oder korrigieren, sodass dies für den Kunden die bequemere Variante darstellte.

      Ich fasse zusammen: Die erste Variante wäre sehr schnell umsetzbar gewesen. Die zweite benötigte ein Vielfaches an Zeit. Die Entwicklungsabteilung war der Meinung, dass man es »richtig« machen müsse. Der Kunde entschied sich somit für die zweite Variante, für die perfektere. Die Entwicklung der Schnittstelle wurde fest eingeplant. Aufgrund des Aufwandes wurde die Entwicklung allerdings immer wieder verschoben, andere Dinge wurden vorgezogen. Das führte dazu, dass die Übernahme nach fast zwei Jahren immer noch nicht möglich war. Darum konnten nicht genügend neue Kunden gewonnen werden. Bestehende Kunden waren unzufrieden und sprangen ab.

      Hätte sich der Kunde für den einfacheren Weg entschieden, wäre zwar die Qualität der Datenlieferung nicht so perfekt gewesen, das Unternehmen hätte aber neue Kunden gewinnen und die bestehenden zufriedenstellen können. Für den Kunden wäre es ein großer Fortschritt gewesen, zumindest den größten Teil der Daten übernehmen zu können. Die komfortablere – und quasi perfekte – Variante hätte der Kunde immer noch zu einem späteren Zeitpunkt erstellen können. Der Mehraufwand wäre überschaubar und angesichts des zu erwarteten Mehrwerts akzeptabel gewesen. Eine Win-win-Situation wäre entstanden, wenn man bereit gewesen wäre, sich der perfekt(er)en Lösung Schritt für Schritt anzunähern.

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