DSA: Rabenerbe. Heike Wolf

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DSA: Rabenerbe - Heike Wolf Das Schwarze Auge

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zusammen, wagte kaum zu atmen, während er spürte, wie Panik ihre tückischen Klauen um seinen Hals legte. Wie konnte er nur seine einzige Waffe verlieren? Wenn der Wirt ihn jetzt fand, hatte er nichts, was er ihm entgegensetzen konnte.

      Er schloss die Augen und versuchte, sein rasendes Herz zur Ruhe zu zwingen. Er musste atmen, sein Gleichgewicht wiederfinden. Panik war der falsche Weg. Sie machte kopflos, ließ vergessen, was zu tun war. Er musste ruhig bleiben, nachdenken. Seinen Verstand gebrauchen und sich seiner Stärken besinnen.

      Said spürte, wie die Luft durch seine Lungen zog, seine Gedanken langsam klärte. Es war seine letzte Prüfung, also musste er sich darauf besinnen, was er gelernt hatte. Eine Klinge war dann am gefährlichsten, wenn sie mit kalter Ruhe geführt wurde. Doch der Zweite Finger Tsas brauchte keine Klinge, um zu töten. In kundigen Händen war jeder Gegenstand ein geeignetes Werkzeug, und nur der Narr setzte sein Gedeih und Verderben auf eine Karte.

      Said öffnete die Augen, starrte in die vom Licht der Kugel aufgewühlte Dunkelheit, während er sich daran zu erinnern versuchte, was er sich vorhin erst eingeprägt hatte. Jeden Winkel des Raumes rief er sich ins Gedächtnis zurück, bis er wusste, was er zu tun hatte.

      Sein Körper spannte sich, während er nach dem Meuchler lauschte. Das Licht war weit genug entfernt, dass es seinen Winkel nicht erreichte, aber es half ihm, die Richtung abzuschätzen. Er hatte einen Versuch. Seine letzte Prüfung.

      Mit einem Hechtsprung setzte er über das Fass hinweg, rollte sich auf der anderen Seite ab und kam zwischen zwei Kisten wieder auf die Beine. Noch in der Bewegung warf er sich zur Seite. Keinen Augenblick zu früh, denn im gleichen Moment krachte die Faust mit dem Dolch dorthin, wo eben noch sein Brustkorb gewesen war. Said ließ sich fallen und versuchte, seinem Gegner mit einem gezielten Tritt die Beine wegzufegen. Er trat ins Leere, aber der Fluch und das Poltern verrieten ihm, dass der Wirt beim Zurückweichen gestolpert sein musste.

      Das war die Zeit, die Said brauchte. Mit einigen wenigen Sätzen war er an dem Hauklotz mit den Schweinegedärmen. Zielsicher griff er den Eimer mit den stinkenden Innereien und schleuderte herum, gerade rechtzeitig, um vor dem Licht der magischen Kugel die Gestalt auszumachen, die auf ihn zustürmte. Der Bottich traf den Meuchler am Kopf, Gedärm platzte auf und spritzte umher. Erschrocken prallte der Wirt zurück, fuhr sich mit einem Arm über das Gesicht, um die glibberigen Innereien wegzuwischen.

      Es waren nur ein, vielleicht zwei Herzschläge, aber Said wusste, was er tun musste. Noch während der Eimer ganz in der Luft war, riss er das Schlachtmesser aus dem Block. »Begegne der Schwester«, zischte er und schlug zu.

      Die Klinge glitt überraschend geschmeidig in die Kehle des Wirts, und erst, als Said sie mit einem Ruck zur Seite zog, spritzte das warme Blut hervor. Selbst im Halbdunkel konnte er den Unglauben erkennen, der sich auf dem Gesicht des Meuchlers ausbreitete. Ein röchelnder Laut versuchte, sich einen Weg durch die Kehle zu bahnen, doch es war nur Blut, das über seine Lippen trat. Dann sackte er auf die Knie, kippte langsam zur Seite und blieb schließlich regungslos liegen.

      Said schloss die Augen, während er im Stillen Boron dankte. Bis zuletzt hatte der Agent der Hand ihn unterschätzt, und das war sein Todesurteil gewesen.

      Er schlug ein Boronsrad über der Leiche und ging dann zu dem Licht hinüber, um es aufzunehmen. Neugierig betrachtete er die silberne Kugel, die aus zahllosen Poren heraus leuchtete. Er verstand leider viel zu wenig von Magie, um zu verstehen, wie sie wirkte, aber so etwas war praktisch. Vielleicht würde es ihm eines Tages auch möglich sein, sich ein solches Artefakt anfertigen zu lassen.

      Er trug es wie eine Lampe vor sich her, während er zwischen dem Gerümpel nach der Nadel suchte. Als er schließlich das Auge des Wirts aus dem Schädel löste, flackerte das Licht bereits und erlosch kurz darauf.

      Vorsichtig tastete Said sich zurück zur Treppe, die zum Schankraum führte, aber er stieg nicht hinauf, sondern klaubte das Zunderkästchen aus der Nische im Fels, um eine zweite Öllampe zu entzünden. Dann suchte er einige Flaschen Reisbrand aus den Regalen und leerte sie über der Leiche und im hinteren Raum aus. Die Zecher oben im Schankraum hatten oft geprahlt, der Brand aus dem Durstigen Hai stelle jedes Drachenfeuer in den Schatten. Als die Öllampe fiel, zeigte sich, dass sie recht hatten.

      ***

      Die Brabaker Baracken waren eng, und sie stanken. Marode Mietskasernen boten hier all jenen ein Zuhause, die es sich nicht leisten konnten, in die höher gelegenen Viertel zu ziehen. Leinen mit zerschlissener Wäsche überspannten die Straßen, manchmal so tief, dass man sich bücken musste, um darunter hinweg zu tauchen. Selemferkel und halbnackte Kinder wühlten im Schlamm, Bettler hockten im Schatten und reckten ihre Schalen den Vorbeieilenden entgegen. Der Gestank von Unrat und billigem Rauschkraut hing in der Luft, deren schwüle Hitze das Atmen schwermachte. Hier hatte sich all das Treibgut gesammelt, das im Laufe von Jahrzehnten und Jahrhunderten in Al’Anfas Hafen angeschwemmt worden war. Ein Teil davon waren die Maraskaner, die von ihrer Insel geflohen waren und seitdem im Exil ausharrten. Sie gehörten zum Bild der Brabaker Baracken wie der Rabenfelsen zum Silberberg – bunt gekleidete Gestalten, die selbst im ärgsten Schmutz die Schönheit der Welt priesen und beiläufig den Besen zückten, um Rurs Schöpfung vom Dung eines Selemferkels zu befreien. Hier lag auch der Tempel der Zwillingsgötter Rur und Gror, und hier befand sich jenes Haus, in dem Said bald die Hälfte seines Lebens verbracht hatte, seit sein Vater ihn in Meister Darjins Obhut übergeben hatte.

      Ein sternenklarer Nachthimmel stand über der Stadt, als Said den Hai verließ und sich auf den Rückweg machte. Er hatte die Spelunke unbemerkt durch ein Hinterfenster verlassen, während sich das Feuer hinter ihm langsam durch die Dielen des Schankraums fraß. Wenn er Glück hatte, reichte der Brand aus, um zu verschleiern, was geschehen war. Wenn nicht, würde die Hand Rache nehmen, doch darüber mochte er jetzt nicht nachdenken. Niemand wusste, wer er war, und er hatte nichts zurückgelassen, was ihn oder Meister Darjin verraten konnte. Dafür hatte er das Auge in der Tasche, das ihn endlich frei machen würde.

      Öllampen brannten hinter den Fenstern der Mietskasernen und warfen ihr schummriges Licht hinaus auf die Gassen, als er schließlich in die Baracken eintauchte. Aus einer Taverne tönte lautes Lachen und Johlen, vom Hafen her klangen die Peitschenhiebe der Vorarbeiter, die die Lastsklaven zur nächtlichen Arbeit antrieben. Said zog den Mantel tiefer ins Gesicht, während er den stinkenden Pfützen auswich, die der nächste Regen ins Meer spülen würde. In den Baracken fragte niemand nach dem Woher und Wohin, und dennoch hatte er es sich angewöhnt, Betrunkenen und anderen Nachtschwärmern aus dem Weg zu gehen. Unauffälligkeit war seine wichtigste Waffe, und wenn er schon kein Allerweltsgesicht hatte wie der unglückliche Agent der Hand, so musste er umso mehr achtgeben, nicht unnötig aufzufallen.

      Billige Huren und eine Handvoll betrunkener Gaukler hatten sich auf dem Platz vor dem Tempel eingefunden und krakeelten trunken in die Nacht, als Said sich an ihnen vorbeischob und in einer der dunklen Seitengassen verschwand. Meister Darjin lebte im Hinterhaus einer alten Mietskaserne, die fast ausschließlich von Maraskanern bewohnt war. Die meisten waren miteinander auf irgendeine Weise verwandt, auch wenn Said bald aufgegeben hatte, die Beziehungen nachvollziehen zu wollen. Die Verbundenheit unter den Exilanten sorgte jedoch dafür, dass nichts von dem, was im Hinterhaus geschah, nach außen drang. Das war auch gut so, denn Meister Darjin gehörte einst zur Bruderschaft vom Zweiten Finger Tsas, jener maraskanischen Meuchlergilde, die die Hand Borons in ihrer Stadt mit Stumpf und Stiel ausgerottet zu haben glaubte. Said wusste nicht, was damals genau geschehen war, aber er war sich sicher, dass die Hand nicht zögern würde, auch die letzte Saat zu vernichten, sollte sie von ihr erfahren.

      Said durchquerte den düsteren Innenhof und stieg die hölzernen Stufen empor, die an der Außenwand des Gebäudes angebracht waren. Vereinzelt drang Licht aus den Fensteröffnungen, die wegen der mittäglichen Hitze kaum breiter waren als ein Spann. Oben angekommen verharrte er kurz und lauschte hinab in den Hof, ehe er zwei Mal klopfte

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