DSA: Rabenerbe. Heike Wolf

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DSA: Rabenerbe - Heike Wolf Das Schwarze Auge

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einer einzelnen Öllampe, die den Raum nur spärlich ausleuchtete. Entlang der Wände hatte man eine schmale Bank angebracht und davor einige Sitzkissen. Zerschlissene Vorhänge versperrten den Blick auf die angrenzenden Räume, aus denen das Gemurmel mehrerer Stimmen drang. Der Geruch nach gewürztem Reis, Konchsoße und Ingrim hing in der Luft wie ein schweres Parfüm, ein vertrauter Geruch über die Jahre, die er in diesem Haus verbracht hatte.

      »Saidjian.« Rureschas dunkle Stimme erklang hinter einem der Vorhänge, der im nächsten Moment zur Seite geschoben wurde. Ein Lächeln lag auf ihren herben Zügen, als sie hindurchtrat und ihn einen Moment lang musterte. »Nuradjian hatte Zweifel, dass du es schaffen würdest. Aber ich sehe, du hast die Beute mitgebracht.«

      Said warf einen Blick auf den Beutel an seinem Gürtel. »Du hast doch hoffentlich nicht daran gezweifelt?«, fragte er und hob einen Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. »Ich habe dir etwas versprochen. Du weißt, dass ich Wort halte.«

      »Ich weiß. Und Meister Darjin weiß es auch. Nur Nuradjian, dieser dumme Schazak, nicht.« Rureschas Lächeln vertiefte sich, als sie auf ihn zutrat, und zauberte kleine Grübchen in ihre Wangen. »Ich könnte nie an dir zweifeln«, raunte sie an seinem Ohr und legte die Hand an seine Wange, um ihn im nächsten Moment innig zu küssen.

      Said zog sie an sich heran, während er den Kuss ebenso stürmisch erwiderte. Die junge Maraskanerin teilte seit einem guten Jahr sein Lager, und auch, wenn sie nie darüber gesprochen hatten, spürte Said, dass es ihr mehr bedeutete als flüchtiges Vergnügen oder der Wunsch, nicht allein zu sein.

      »Ich freue mich, dass ich dich überzeugen konnte«, flüsterte er atemlos an ihren Lippen, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. »Ist Meister Darjin da? Ich sollte ihn nicht warten lassen.«

      Rurescha nickte. Ihre Hand ruhte noch einen Moment auf seiner Wange, ehe sie sie sinken ließ. Sie wies mit einer Kopfbewegung auf den Durchlass gegenüber der Eingangstür. »Die hohen Geschwister waren vorhin bei ihm, aber nun ist er alleine.« Ein wissendes Lächeln strich über ihr Gesicht. »Er wird erfreut sein.«

      Das hoffte Said. Es war schließlich Meister Darjins Rache, die er verübt hatte. Der Agent der Hand hatte vor vielen Jahren Darjins rechtes Auge genommen, und dafür musste er bezahlen. Ein Auge für ein Auge, um die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen und die Schönheit der Welt zu wahren. Nur der Tod des Wirts passte nicht ins Bild, aber Said hatte diese Disharmonie bereitwillig in Kauf genommen. Er war kein Maraskaner, und auch, wenn er im Laufe der Jahre viel über die Philosophie und das Wesen seiner Umgebung gelernt hatte, drehte sich die Welt für ihn auch dann weiter, wenn sie einmal nicht im Gleichgewicht war.

      Der angrenzende Raum war eine niedrige Halle mit Dachgebälk und einigen aranischen Wänden aus Holz oder Flechtwerk, die einzelne Bereiche abtrennten. Das Haus war früher einmal in viele, kleine Verschläge unterteilt gewesen, die für wenige Oreal an jene Verzweifelte vermietet wurden, die froh waren, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Die Maraskaner hatten es ihren Bedürfnissen angepasst und die Räume erweitert, um sie je nach Bedarf zu unterteilen. Bis zu dreißig Menschen lebten hier, aber im Gegensatz zu der drückenden Enge der Mietskasernen gelang es ihnen, das Zusammenleben harmonisch zu gestalten. Während tagsüber unentwegt Leute kamen und gingen und ein stetes Surren und Brummen der Stimmen so allgegenwärtig war, dass man es kaum noch wahrnahm, war es jetzt am späten Abend ruhig geworden. Auf einer Palmmatte saß eine junge Frau mit zwei kleinen Kindern auf dem Schoß. Sie schaute auf, als Said eintrat, und lächelte kurz, fuhr dann aber fort, in einem hölzernen Mörser Gewürze zu zerreiben. Ihr gegenüber hockte ein hagerer Mann, der an einem Stück Treibholz schnitzte. Sein Blick heftete sich einen Moment lang an Saids Gesicht, ehe er kaum merklich nickte.

      Said erwiderte den Gruß des Wächters mit einer angedeuteten Kopfbewegung und trat an ihm vorbei zu der Wand, die den hinteren Bereich abtrennte.

      Meister Darjins Reich war das Herz des Hinterhauses, jener Ort, wo man zusammenkam und wo man Hilfe und Rat fand, wenn man danach suchte. Es gab kaum Möbel, nur zwei niedrige Tische und eine Unzahl an Sitzkissen. Der alte Maraskaner saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem der zerschlissenen Kissen, dessen Farben im Laufe der Jahre ihre Leuchtkraft eingebüßt hatten. Sein Gesicht war eingefallen, sodass Wangenknochen und Kinn spitz hervorstanden. Die Haare waren an den Schläfen bereits ergraut und am Hinterkopf hochgebunden, den schütteren Bart hatte er in dürre Zöpfe geflochten. Eine Stoffbinde verbarg die leere Augenhöhle, während das andere Auge Said wach und aufmerksam entgegenblickte. Er war nicht allein, zu seinen Füßen kauerte das blutjunge Mädchen, das er erst kürzlich zur Frau genommen hatte, und neben ihm hockte Nuradjian, der Said neugierig entgegensah.

      Meister Darjin wartete, bis Said sich ehrerbietig verbeugt hatte. Erst dann wies er auf eins der Kissen. »Du lebst, also warst du erfolgreich.« Es war keine Frage, lediglich eine Feststellung. »Du hast mir gebracht, worum ich dich gebeten habe?«

      Said nickte und löste den Beutel vom Gürtel, um ihn vor dem alten Meister abzulegen. Dann ließ er sich nieder, die Beine untergeschlagen. »Er ist der Schwester entgegengetreten.«

      »In aller Stille, hoffe ich?« Darjin hob fragend die schütteren Brauen, zog dann aber den Beutel zu sich heran und öffnete ihn. Ein zufriedener Zug glitt über sein Gesicht, ehe er ihn wieder sorgsam verschloss und zur Seite legte. »Preiset die Schönheit der Welt, der du das Gleichgewicht zurückgegeben hast. Ich bin zufrieden mit dir, Said. Sehr zufrieden.«

      Said nickte erneut. Seine Mundwinkel zuckten, als er vergeblich versuchte, das stolze Grinsen zu unterdrücken. »Ich freue mich, dass ich Eure Erwartungen erfüllen konnte, Meister Darjin.«

      »Mehr als das.« Der alte Maraskaner legte die Handflächen auf die untergeschlagenen Knie, als er den Blick seines wachen Auges wieder auf Saids Gesicht richtete. »Als dein Herr und Vater dich zu mir brachte, war es ein Gefallen, den ich ihm schuldete. Er kam zu mir, weil einige meinten, dass Bande zum Silberberg wertvoll für uns seien. Er wusste, was ich war, ehe die Hand uns jagte und vernichtete, und dennoch verriet er uns nicht. Deshalb habe ich ihm vertraut und dich zu mir aufgenommen. Zwölf Jahre bist du nun bei uns, zwei Mal vier und zwei Mal zwei Jahre. Du hast dich in allen Prüfungen bewiesen, die ich dir aufgetragen habe. Nun hast du den Kreis geschlossen, den die Hand vor vielen Jahren aufgerissen hat.« Sein Blick wanderte zu dem Beutel, ehe er zu Said zurückkehrte. »Es war die letzte aller Prüfungen. Ich habe dir alles beigebracht, was ich weiß. Daher entlasse ich dich nun als ehrbares Mitglied der Bruderschaft und verneige mich vor dir, Said mein Schüler.« Er bewegte den Oberkörper feierlich vor und verharrte einen Moment lang in der Verbeugung. »Deine Reise ist damit vollendet, aber jedes Ende ist nur der Beginn von etwas Neuem. Ruhe nun. Morgen werden wir über deine Abreise sprechen.«

      Das Lächeln, das sich gerade noch mit jedem Wort mehr auf Saids Gesicht ausgebreitet hatte, erstarrte. Er blinzelte irritiert. »Abreise? Aber ...«

      »Du wirst die Stadt verlassen.« Meister Darjin blickte freundlich, als habe er Saids Erschrecken nicht bemerkt. »In zwei Tagen fährt ein Schiff nach Khunchom. Ich werde dir eine Nachricht an den dortigen Ast des Zweiten Fingers mitgeben. Du wirst von unseren Mühen berichten und davon, dass es mir gelungen ist, Schüler zu unterweisen und einen neuen Ast zu begründen, der grünen wird und stark ist und nicht noch einmal abgeschnitten wird wie ein Blatt vom Stamme eines Axorda-Baumes.«

      »Aber ...«, begann Said wieder, räusperte sich dann, um sich zu sammeln. Das durfte nicht sein. Er hatte in den letzten Jahren auf diesen Tag hingearbeitet, um endlich frei zu sein und sein Erbe anzutreten. Es war kein leichtes Erbe als Bastard eines Verräters, aber er war trotz allem der Sohn eines Granden. Der einzige, den sein Vater jemals anerkannt hatte. »Ich kann nicht gehen«, sagte er bestimmt. Erleichtert stellte er fest, dass seine Stimme ihm gehorchte. »Ihr habt selbst gesagt, meine Reise sei vollendet. Ihr habt mich entlassen. Damit kann ich selbst entscheiden, wohin mein Weg mich führt.

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