Chancenmanagement in der Krise. Gerhard Seidel

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Chancenmanagement in der Krise - Gerhard Seidel

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Krisen werden gemanagt, wenn sie da sind, wenn die Manager merken, es stimmt nicht mehr in unserem Betrieb. Wobei die Grenzen zwischen Chancen- und Krisenmanagement gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten fließend sind. Was gestern noch eine betriebliche Vorsorge war, kann sich schon übermorgen als überlebensnotwendige Rettungsaktion zeigen.

      Es geht um das Gestalten der Zukunft. Das hier vorgeschlagene Chancenmanagement soll Ihnen helfen, mögliche negative Entwicklungen der Krise rechtzeitig zu erkennen und dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht zu großen Problemen kommen kann. Dadurch wird ein vorsorgendes Krisenmanagement betrieben.

      Das brennendste Problem der Unternehmensführungen wird in den nächsten Monaten und Jahren sein, die drohende Weltwirtschaftskrise gut zu überstehen. Zwar können Sie der Meinung sein: Uns in Deutschland geht es doch gut, was soll’s? Doch wir sind im europäischen Raum keine Insel der Glückseligen und die dramatischen wirtschaftlichen Verhältnisse in den südeuropäischen Ländern, aber auch inzwischen in Frankreich und England, geben Grund genug zur Sorge, dass die Probleme auch das Exportland Deutschland treffen könnten.

      Zurzeit – Winter 2013/14 – ist der Währungskrieg in vollem Gange und die Zentralbanken drucken um die Wette, allen voran Japan. Wer mit Interesse nicht nur die wohlwollenden Artikel der regierungsfreundlichen Medien liest oder die getunten Berichte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sieht, der kann klar erkennen: Die Krise kommt nicht, wir sind immer noch mittendrin und die Luft wird insgesamt dünner.

      Warum unterscheidet sich die momentane Krise so eklatant von den „üblichen“ Unternehmenskrisen? So schlimm die „normalen Unternehmenskrisen“ auch im Einzelfall sind, was durch eine denkbare „Jahrhundert-Rezession“ passieren kann, ist umfassender, dramatischer, existenzieller und länger andauernd.

      Anders ist unter anderem, dass die Probleme nicht durch falsche oder fehlende Entscheidungen des Managements selbst verursacht sind. Die gefährlichen Einflüsse kommen von „draußen“, sie sind nicht hausgemacht. Der Vorteil ist, man braucht nicht intern nach Schuldigen zu suchen. Es waren auch nicht die Konkurrenz, die Banken, die Mitarbeiter oder wer sonst noch als Verursacher in Frage kommen kann. Der Anlass ist nicht identifizierbar, er ist anonym, vielschichtig, umfassend und in seiner negativen Energie bzw. Einflussnahme nicht einschätzbar. Es gibt auch keine internen Warnhinweise wie sinkende Umsätze oder finanzielle Engpässe, auf die man rechtzeitig hätte reagieren können.

      Der übliche Ablauf einer Unternehmenskrise ist

      • erst die strategische Krise,

      • dieser folgt die Ertragskrise und

      • schließlich kommt es zur Liquiditätskrise.

      Dieser „gängige“ Ablauf findet aber so nicht statt. Die Folgen der Entwicklungen und Ereignisse ergeben sich dramatisch schnell und sind in ihren Auswirkungen oft ungeheuerlich. Wenn das Unheil erst einmal an die Unternehmenstür klopft, ist eine Entscheidung kaum noch möglich.

      Ein Klient – Zulieferant in der Automobilindustrie – hat dies im Jahr 2008/2009 wie folgt formuliert: „Ich habe mich immer für ziemlich krisenerfahren gehalten und so manche schwierige Situation in den letzten Jahren gemeistert. Aber das, was uns in den letzten Wochen passiert ist, habe ich noch nicht erlebt. Von jetzt auf gleich ist uns der Umsatz um mehr als die Hälfte weggebrochen. Noch vor zwei Monaten hatten wir unsere Planung mit unseren wichtigsten Kunden abgestimmt und jetzt ist das alles nicht mehr wahr!“

      Welche zeitliche Dimension die drohende Krise damals hatte, konnte man auch daran erkennen, dass das Rettungspaket der Bundesregierung in Höhe von 500 Milliarden Euro (unser jährlicher Bundeshaushalt beträgt nur etwas mehr als 300 Milliarden Euro) innerhalb von vierzehn Tagen geschnürt und verabschiedet wurde. So etwas in dieser Größenordnung in dieser Schnelligkeit durch alle Instanzen zu bekommen, hatte es vorher noch nie gegeben. Das muss uns doch als erfahrene Bürger und Unternehmer stutzig machen.

      Was ist noch anders? Es wird nicht einen Betrieb einer Branche, sondern fast alle Unternehmen eines Wirtschaftszweiges treffen. Durch die globale, internationale und nationale Vernetzung, durch die Differenzierung der Produktionsschritte und die weltweiten unterschiedlichen politischen Interessen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte wird diese Entwicklung noch verschärft. Es kann ein Dominoeffekt eintreten, der heute noch kaum vorstellbar ist.

      Nach unserer Einschätzung ist es besonders dramatisch, dass der drohende Crash und die daraus resultierenden Schwierigkeiten vielleicht Jahre andauern werden und dass zunächst alles immer schlimmer wird, bevor es irgendwann einmal zu einem neuen Aufschwung kommt. Wie lange es mit der Wirtschaft bergab geht, darüber spekulieren nicht nur die Möchtegernexperten in diversen Talkshows, auch die Wirtschaftsweisen sind sich uneinig. Die Schätzungen der vermeintlich Sachkundigen bewegen sich zwischen drei und zehn Jahren.

      Die globale Krise hat auch einen sehr starken negativen Einfluss auf das unternehmerische Umfeld. Banken geben keine Kredite mehr oder verlangen höhere Zinsen. Das Misstrauen wächst, weil man nicht mehr abschätzen kann, ob der A-Kunde Maier seine Rechnungen fristgerecht oder überhaupt bezahlt und ob der Lieferant Schulze nur deshalb Vorauskasse verlangt, weil er sonst die bestellten Produkte nicht liefern kann.

      Es ist auch zu befürchten, dass die Krise unkalkulierbare Emotionen verursachen kann und sich dadurch die Probleme noch verstärken. Wenn alle glauben, dass es noch schlimmer wird, dann verhalten sich auch alle so, als ob es schlimmer wird. Es tritt genau das ein, was man befürchtet hat. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung hat dann ihre Wirkung entfaltet und es kommt so, wie es alle erwartet haben.

      (Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist eine Annahme oder Voraussage, die, rein aus der Tatsache heraus, dass sie getroffen wurde, das angenommene, erwartete oder vorhergesagte Ereignis zur Wirklichkeit werden lässt und so ihre eigene „Richtigkeit“ bestätigt.

      Ein Tankstellenpächter sagt zum Beispiel: „Backwaren gehen bei mir nicht.“ Er bietet sie deshalb nicht an. Und weil er Backwaren nicht anbietet, werden sie nicht nachgefragt.

      Umgekehrt funktioniert es natürlich genauso. Wenn die Menschen guter Hoffnung sind und glauben, es wird alles besser werden, dann bestehen gute Chancen, dass sie unbewusst dafür sorgen, dass es auch besser wird. Das gilt nicht nur für die eigene persönliche Situation, sondern auch für die eines Unternehmens oder für eine ganze Nation. Der Wiederaufbau nach dem Krieg ist ein gutes Beispiel für eine solche nationale Haltung.

      Wir können uns dafür entscheiden, dass Bedrohungen nichts anderes sind als faszinierende Herausforderungen, eine Chance, die Zukunft zu unseren Gunsten zu gestalten. Wir können die Sichtweise haben, dass Krisen Zeiten des Fortschritts, der Marktbereinigung und des Wachstums sind, die das Überholte und Unbrauchbare verabschieden und Platz für Neues schaffen.)

      Wir bewegen uns, was die Verhältnisse der Zukunft angeht, zwischen zwei Welten. Auf der einen Seite die mehr oder weniger stetig auf die Realwirtschaft übergreifende weltweite Rezession (die bis vor Kurzem noch mehr eine Finanzkrise war) und auf der anderen Seite die Unternehmer, die zwar das Wetterleuchten des aufziehenden ökonomischen Unwetters sehen, die aber insgesamt noch recht zuversichtlich sind.

      Wir können drei Zeithorizonte unterscheiden, die für Unternehmen von Bedeutung sind:

      • die Zeit, bis die Krise das Unternehmen erreicht hat

      • die Zeit der eigentlichen Krise, in der man unter Umständen um das Überleben

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