Chancenmanagement in der Krise. Gerhard Seidel

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Chancenmanagement in der Krise - Gerhard Seidel

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allem, es zu praktizieren.

      Wir müssen in der Lage sein, das Wissen, das gerade noch nützlich erschien, aufzugeben, um etwas Neues zu lernen. Prof. Peter Wippermann

      Dieses erste Kapitel würde ich gern mit einer Kolumne abschließen, die ich vor etwa zwei Jahren für den Haufe-Verlag geschrieben habe, der mir die Genehmigung gab, dass sie in diesem Buch nochmals veröffentlicht werden kann. Sie soll deutlich machen, in welcher Situation wir uns in Deutschland befinden und wie groß die Chancen sind, dass wir mit einem „blauen Auge“ davonkommen können. Aber lesen Sie selbst und bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil.

       Neulich fragte mich mein achtzehnjähriger Sohn Max, wie lange es wohl dauern wird, bis man den Schuldenberg in Deutschland wieder abgebaut hätte.

       „Wow“, meinte ich, „das dauert bestimmt eine Ewigkeit.“

       „Wie lange dauert diese Ewigkeit“, fragte er mich.

       Darauf wusste ich keine Antwort: Wie lange dauert eine Ewigkeit, wie lange dauert es, bis der Schuldenberg nicht mehr existiert?

       Da fiel mir ein Märchen ein. Nämlich – vielleicht kennen Sie es – von einem Prinz – oder war es ein Tölpel? –, der eine Prinzessin freien wollte. Jedenfalls musste der drei Rätsel lösen. Eines ist mir in Erinnerung geblieben, nämlich auch er wurde gefragt: Wie lange dauert die Ewigkeit? Seine Antwort: „Die Ewigkeit dauert so lange, als ein Vögelein, das alle tausend Jahre blos einmal kommet und sein Schnäbelchen an einem Berg wezt, Zeit braucht, bis es den ganzen Berg weggewezet hat.“

       Der Schuldenberg in Deutschland steigt und steigt in einem atemberaubenden Tempo auf ungeahnte Höhen und es hilft wenig zu wissen, dass es in anderen Ländern noch schlimmer ist. Dabei sind die offiziell eingestandenen 1,5 Billionen Staatsschulden (oder sind es doch schon 2 Billionen?) ja nur die Spitze eines Eisberges. Denn dazu muss man noch die sogenannte implizite Schuldenlast (Straßenreparaturen, Beamtenpensionen, irgendwelche Rettungsfonds usw.) rechnen, die ein Vielfaches des offiziellen Schuldenberges ausmacht. Unter der Hand spricht man von über 7 bis 8 Billionen, die in den kommenden Jahren „fällig“ werden. Na ja, und dann kommen noch die deutschen Verpflichtungen für europäische Rettungsschirme, Bürgschaften, Badbanken usw.

       Es war noch die Frage meines Sohnes offen und ich dachte mir, vielleicht sollten wir doch einmal diese Ewigkeit berechnen. Also stellte ich ihm die folgende Rechenaufgabe: Wenn ein Schuldenbetrag 5 Billionen beträgt, der mit jährlich 3 Prozent verzinst werden muss, wann ist das Darlehen getilgt, wenn monatlich 20 Milliarden aus den Steuereinnahmen zurückgezahlt werden?

       Er holte sich was zum Schreiben, dachte nach, fing an zu rechnen und fragte mich dann: „Du glaubst wirklich, dass man so viel jeden Monat zurückzahlen kann?“

       Ich antwortete: „Weiß ich nicht, jetzt fang endlich an zu rechnen!“

      Der erste Engpass, den es zu lösen gilt, ist eine gute Vorbereitung auf die möglichen Auswirkungen des Crashs. Es ergibt wenig Sinn (es bewirkt nichts) wenn wir uns um den falschen limitierenden Faktor kümmern, ein Hindernis beiseite räumen, welches einen anderen Weg versperrt, den wir im Moment nicht gehen wollen. Kümmern wir uns zunächst um die Probleme (die dicken Brocken) der nahen Zukunft, das heißt, erst lösen wir die Aufgaben von heute, dann die von morgen – danach die von übermorgen.

      Die wichtigste Aufgabe, die momentan für das Management ansteht, ist die der Informationsbeschaffung. Welche Erklärungen und Kommentare gibt es über die Wirkkräfte und die möglicher Entwicklungen der nahen Zukunft? Was sind Krisen, was sind Chancen, was sind Bedrohungen? Warum reagieren wir oft so spät? Gibt es ähnliche Situationen, die uns helfen können, das Phänomen „Weltwirtschaftskrise“ zu begreifen?

      Worum man sich kümmern muss, ist, mögliche Ursachen und die Bedeutung von Krisen einschätzen zu können, um so zu den notwendigen Erkenntnissen und danach zu den wirksamen Gegenmaßnahmen zu gelangen. Praktizierte Ehrlichkeit zu sich selbst, aber vor allem auch gegenüber den sich abzeichnenden Entwicklungen. Diese Offenheit – auch wenn sie manchmal schwerfällt – ist eine der wichtigsten Charaktereigenschaften der Managements, die es jetzt braucht.

      Wir werden später noch erläutern, warum sich die Menschen schwertun, erkennbare Entwicklungen oder vorhandene Realitäten zu akzeptieren. Doch ehrlich währt am längsten, das gilt sich selbst und anderen gegenüber und auch gegenüber unangenehmen Zuständen und Entwicklungen. Mit „ehrlich“ sind nicht nur Fairness, Redlichkeit und Zuverlässigkeit gemeint, sondern vor allem geht es um Charakterfestigkeit. Dazu eine kleine Geschichte:

       Ein erfolgreicher Unternehmer war alt und müde geworden und überlegte, wie er im Kreise seiner Mitarbeiter einen Nachfolger für sein Geschäft finden könnte. Dieser sollte die Firma so lange führen, bis sein Sohn alt genug war, um die Leitung des Unternehmens zu übernehmen. Doch das würde noch einige Jahre dauern.

       Deshalb versammelte er alle seine Mitarbeiter um sich und sagte: „Ich will einen von euch auswählen, der mein Nachfolger wird, bis mein Sohn alt genug ist, in meine Fußstapfen zu treten.“

       Der Chef gab allen Mitarbeitern ein Saatkorn und sagte: „Pflanzt dieses Korn ein, und wer mir in einem Jahr die größte und schönste Blume bringt, der soll mein Nachfolger sein.“

       Nach einem Jahr versammelten sich wieder alle, um dem Chef ihre Blumen zu zeigen. Die größte hatte der Werbeleiter. Vier Arbeiter konnten nur mühsam den schweren Kübel tragen. Doch auch die Blumen der anderen Manager waren stattlich. Diejenigen der anderen Mitarbeiter waren kleiner, manche fast mickrig, aber alle hatten eine Blume – bis auf die Leiterin des Rechnungswesens. Ihr war es trotz großer Mühe nicht gelungen, eine Pflanze großzuziehen. Und deshalb schämte sie sich so sehr, dass sie mit ihrem leeren Kübel in der zweiten Reihe stand, ganz hinten.

       Der Unternehmer schaute sich alle Blumen an, und als er anschließend verkündete, dass die Leiterin des Rechnungswesens seine Nachfolgerin werden solle, waren alle anderen entrüstet. „Warum“, so fragten sie, „gerade diese? Die hat ja überhaupt keine Blume ihrem Topf.“

       Da lächelte der Chef und sagte: „Die Saatkörner, die ich euch gegeben habe, waren unfruchtbar. Daraus konnten keine Blumen wachsen. Sie war die Einzige, die das ehrlich zugegeben hat. Als mein Nachfolger braucht man viele Eigenschaften, manche auch nicht, weil ihr, die Manager, über diese Fähigkeiten verfügt. Aber was keiner ersetzen kann und worauf ich nicht verzichten möchte, ist Ehrlichkeit!“

      Wer zuverlässig ist und ehrlich zu sich selbst und gegenüber anderen, wird auf Dauer immer gewinnen. Auch wenn manchmal alles dagegen spricht. Und es heißt auch, dass man bei der Beurteilung der derzeitigen wirtschaftlichen Situation ehrlich gegenüber sich selbst, seinen Mitarbeitern und Geschäftspartnern sein sollte. Das möglichst objektive Einschätzen möglicher zukünftiger Entwicklungen ist kein Zeichen von Pessimismus, sondern im Gegenteil, es zeigt Mut, die sich abzeichnenden Tatsachen zu akzeptieren und die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen.

      Wenn man seinen Standort sucht, dann erhält man, egal ob mit GPS oder an der Wandertafel

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