Sacklzement!. Katharina Lukas

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Sacklzement! - Katharina Lukas

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Django. Mit seinen blonden Haaren und seiner braunen Haut sah er aus wie eine Mischung aus Billy Idol und Indiana Jones, fand Gundi damals. Außerdem hatte er seine Mutter früh verloren. Das verbindet uns, dachte sie. Django hatte allerdings keinen Blick für Gundi. Ließ sich auch nicht eifersüchtig machen. Er war viel zu cool dafür. Er war der Chef unter den Buben. Die bewunderten ihn und machten alles, was er sagte.

      »Ich war ein trauriges Kind und ein unmöglicher Teenager«, erzählt Gundi Ferdl am Telefon nach der ersten schlaflosen Nacht in ihrem alten Elternhaus, in der die verschollenen Erinnerungen lebendig wurden. Weil es in ihrem alten Zimmer feucht und schimmelig ist, hat sie auf der Wohnzimmercouch ihr Nachtlager aufgeschlagen. Die alten Decken hier riechen nach Vergangenheit.

      Am Abend vor ihrer Abfahrt nach Hintersbrunn haben sie und Ferdl davon geträumt, mit dem Erlös des Bäckerhauses gemeinsam wegzugehen. Ans andere Ende der Republik, an die Ostsee. Ein kleines Hotel würden sie davon anzahlen, es selbst renovieren. Ferdl würde es leiten, Gundi würde das Marketing machen. Nach den ersten Stunden zurück in ihrer Heimat sind alle Träume wie weggeblasen. Gundi fühlt sich wieder so fremdbestimmt und machtlos wie früher.

      »Hier leben alle Geister aus meiner Kindheit noch, Ferdl. Auf einmal bin ich wieder die dicke Bäckerstochter. Und auf der Beerdigung sehe ich sie alle wieder. Alle, denen ich nie recht war. Alle, die mich ausgelacht haben. Alle, die mir die Zunge in den Hals gesteckt haben. Alle, die ich nie wiedersehen wollte.«

      Django wahrscheinlich auch.

      2

      Eines kann er besser als alle anderen. Schwammerl suchen. Oder besser gesagt finden, haha. Das findet der Fürbitten-Franz wahnsinnig witzig. »Ich geh zum Schwammerlfinden«, sagt er immer, wenn es so weit ist. Zu jedem und bei jeder Gelegenheit. Je nachdem, wem er gerade gegenübersteht, wird entweder milde gelacht oder er wird »damischer Hund« genannt.

      Es ist ein gutes Geschäft mit den Schwammerln, und der Fürbitten-Franz, der ansonsten im Lagerhaus als Depp vom Dienst arbeitet, versorgt die Kramer Liesi, die aus dem alten Dorfladen ihrer Mutter ein kleines Feinkostgeschäft gemacht hat, mit seinen Fundstücken, die er den ganzen Sommer lang auf den Wiesen und in den Wäldern in der Nähe findet. Er findet Steinpilze und Pfifferlinge, Maronen und Birkenpilze und sogar die selten gewordenen Wiesenchampignons, wobei die beiden Ersten am meisten Geld bringen. Natürlich hat Franz wie jeder gute Pilzsammler seine geheimen Plätze. Und er findet auf fast mysteriöse Weise immer wieder neue Stellen. Es zieht ihn automatisch dorthin. An manchen Tagen legt er an die 30 Kilometer zurück. Für Franz ist es, als würden die Schwammerl sich auf seinen Besuch freuen.

      Heute ist er am frühen Vormittag aufgebrochen. Der warme Regen, der über Nacht durch Hintersbrunn gezogen ist, hängt wie ein Schleier über den Wipfeln des nahen Waldes und man kann den kommenden warmen Tag ahnen. Hinter ihm läuten die Glocken der Dorfkirche. Heute wird der alte Bäckermeister beerdigt, denkt Franz, als er das Scheideggerholz mit seinen stattlichen Buchen, Fichten und Eichen betritt. Es ist plötzlich absolut still, die Waldvögel haben sich noch nicht an Franz gewöhnt und der weiche Boden verschluckt seine Schritte. Nach einer Weile erreicht er einen Futterstand. Hier will er eine Zeit lang versteckt sitzen und hoffen, dass er ein paar Rehe zu Gesicht bekommt. Später sammelt er die ersten Schwammerl auf einer kleinen Lichtung.

      Die Sonne brennt inzwischen, und er will sich die Füße im Lernerbach kühlen und weiterwandern zu der Stelle, an der es die meisten Steinpilze gibt. Nachdem er den kleinen Bach überquert hat, wird das Holz dichter. Es ist dunkel hier, aber Franz findet den Weg ganz von allein, und seine Gedanken sind bei der Kramer Liesi. Er sammelt einen ganzen Korb voll mit Steinpilzen und freut sich auf ihr Gesicht, wenn er ihr seine Beute auf den Tresen stellt. Franz findet Liesi sehr sympathisch. Sie lässt es zu, dass Franz sein Bier bei ihr im Laden austrinkt, bevor er zu seiner Arbeit im Lagerhaus geht, wo der neue Chef diese Frühstücksgewohnheiten nicht so gut findet. Ebenso wie die Tatsache, dass er heute zum Schwammerlfinden geht, anstatt den Boden der Lagerhalle zu kehren. Aber der Fürbitten-Franz hat Narrenfreiheit. Weil er, inzwischen weit über 50 Jahre alt, nicht gescheiter ist als ein Zwölfjähriger. Zumindest sagen das einige. Andere rechnen es ihm hoch an, dass er sich sein Essen und sein Bier selbst verdient und sich für keinerlei Aushilfsarbeit zu schade ist.

      Heute ist es noch zu früh gewesen für sein Bier bei Liesi. Die wird Augen machen, die Liesi, die wird schauen, denkt Franz und grinst in sich hinein, während er weiterwandert, weitere Schwammerl findet, nach Füchsen und Rehen Ausschau hält und den Vögeln zuhört. Er hat den halben Vormittag glücklich verbummelt, als ihn ein Knall in weiter Ferne aus den Gedanken reißt.

      »Hoppla, der Jäger ist unterwegs mit seiner Büchs«, erklärt sich Franz den Schuss und denkt, dass es Zeit wird heimzugehen. Da bemerkt er, dass da vorne etwas nicht stimmt. Eine komische Bewegung. Etwas Weißes im schattigen Scheideggerholz. Der Jäger kann es nicht sein, der klang viel zu weit entfernt. Da hängt etwas am Baum, erkennt Franz und wagt sich langsam heran. Ja um Gottes willen! Da hängt ein großer weißer Hund, mannshoch aufgehängt an der alten Eiche! Eine furchtbar lange und blaue Zunge quillt ihm aus dem Maul. Um den Hals hat er einen orangeroten Strick mit einem sauber gewickelten Henkersknoten und daran hängt schlaff und tot der Rest vom Hund. Mit offenem Mund tritt Franz unter den Baum. Ist das nicht der Hund vom Sackbauer? Franz zittert am ganzen Körper vor Aufregung. Ja, das ist er. Und er hat sich erhängt, das ist auch klar. Der Strick, der Knoten, wie er da baumelt. Der Hund vom Sackbauer hat Selbstmord begangen. Unvermittelt bekommt Franz es mit der Angst zu tun. Er dreht sich um. Ist da einer? Auf einmal ist er überzeugt davon, dass er verfolgt wird. Von einer vergessenen Erinnerung oder vom leibhaftigen Teufel. Kurz schaut er sich in alle Richtungen um, und dann rennt er los, so schnell er mit seinem Bierbauch kann. Auf dem kürzesten Weg zurück nach Hintersbrunn springt er über den kleinen Forstweg, durch das Holz, über den Bach, vorbei am Lagerhaus und an der Kramer Liesi, hinein ins Wirtshaus, wo fast das ganze Dorf gerade Platz genommen hat zum Leichenschmaus nach der Beerdigung des alten Bäckermeisters. Der Fürbitten-Franz reißt die Tür zur Gaststube auf und stutzt. An den Bäcker hat er nicht mehr gedacht. Die um die Biertische versammelten Kirchgänger in ihren dunklen Anzügen und Kleidern verstummen und schauen ihn an. Und plötzlich kann nichts richtiger sein, als dass alle da sind. Dass alle Blicke auf ihn gerichtet sind. Wie ein Unheilsbote ruft Franz in die Menge: »D… der Sackbauer Struppi hat sich u… umbracht!«

      Die kleine Gaststube vom Greimerbräu ist voll besetzt. Zwei Tische mit den Nachbarn des Bäckers, darunter Liesi, Gundis Schulfreundin aus lange zurückliegenden Zeiten. Ihre gelben Wuschelhaare erkennt Gundi sofort wieder, trotz der ungewöhnlich vielen Falten, die Liesi jetzt im schmalen Gesicht hat. Einen weiteren Tisch besetzen die Ministranten und einen Tisch die Totengräber. Gundi sitzt am Kopfende der großen Tafel in der Mitte, an der auch der Pfarrer Platz genommen hat. Es ist natürlich nicht mehr der Herr Pfarrer Dörner aus ihren Jugendtagen. Heute ist es ein groß gewachsener junger Schwarzer, der für mehrere Gemeinden der Gegend zuständig ist. Außerdem haben sich anstelle der fehlenden Verwandtschaft ein paar Vereinsvertreter an ihren Tisch gesetzt. Alois, mit dem Gundi mal rumgeknutscht hat, Georg Bernleitner, den zu Gundis Jugendzeit alle »Girgl« nannten und der offenbar inzwischen Bürgermeister geworden ist, und Django. Der ist als Letzter gekommen, hat den Tischgenossen zugenickt, Gundi hat er nicht angesehen. Vielleicht hat er sie nicht wiedererkannt. Wie schon zuvor auf dem Friedhof während der Begräbnisfeierlichkeiten scheint er alle Fäden in der Hand zu halten. Dort gab er Zeichen für den Einsatz der Feuerwehrkapelle und scheuchte die Fahnenträger von irgendwelchen Vereinen vor sich her. Django ist der Boss von Hintersbrunn, denkt Gundi und bemerkt, dass er mit einer kreisenden Handbewegung in Richtung Wirt die Aufnahme der Getränkewünsche initiiert. Ganz verwirrt bestellt sie sich eine Apfelschorle, obwohl sie viel lieber ein Weißbier hätte. Und gerade als die ersten Suppen aus der Küche kommen, platzt der Fürbitten-Franz in die Wirtsstube und verkündet den Selbstmord eines Hundes, der einem gewissen Sackbauer gehöre, dessen Name Gundi nichts sagt.

      Fröhlich ist man bei so ernsten Angelegenheiten

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