Trollingermord. Hendrik Scheunert
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»Der fährt wie eine gesengte Sau«, murmelte Richard. Er hatte trotz seines gut motorisierten SUV Mühe, bei diesem Tempo mitzuhalten. Kurz nach dem Ortsausgang bog Walter Riegelgraf links auf eine Weinbergstraße ab, der er zielsicher folgte. Etwas oberhalb der Weinberge sahen sie schon die Blaulichter sowie die rot-weißen Absperrbänder, welche den vermeintlichen Tatort kennzeichneten.
»Hier ist also der Uhlbacher Götzenberg«, stellte Frank nüchtern fest.
»Schaut so aus«, antwortete Richard, der mittlerweile die Umluft einschalten musste, um dem Gestank aus dem Vierzylinder des vor ihm fahrenden Walter Riegelgraf zu entgehen.
Der unweit der ehemaligen Stammburg der Württemberger gelegene Götzenberg lag in einem vor Nord- und Ostwind geschützten, sich zum kleinen Kessel öffnenden Seitental des Neckars oberhalb des Stuttgarter Ortsteil Uhlbach. Der Name ging auf einen Fund einer antiken Kultstätte aus der Hallstattzeit im Jahr 1820 zurück.
Der leicht erwärmbare Schilfsandsteinboden des mittleren Keupers prägte diese Lage ebenso wie die gute Durchlüftung, die durch ein sich bei Sonneneinstrahlung einstellendes thermisches Aufwindsystem bedingt wurde. Dadurch waren an dieser Seite des Tales besonders lange Reifezeiten der Reben möglich.
Mit quietschenden Reifen kam das vor ihnen fahrende Vehikel ruckartig zum Stillstand. Kurz darauf, so sah es zumindest aus, schälte sich ein bis zur Unkenntlichkeit vermummter Walter Riegelgraf aus dem blauen VW Käfer.
»Einen wunderschönen guten Morgen, die Herren von der Kripo. Ich hoffe, Sie konnten mir einigermaßen folgen«, rief er unbekümmert.
Eigentlich war der Rechtsmediziner stets eine Frohnatur. Frank musste lange nachdenken, um sich daran zu erinnern, wann er ihn einmal schlecht gelaunt bei der Arbeit gesehen hatte.
»Trägst du jetzt neuerdings Bart, oder ist dir Rasieren zu teuer geworden?«, frotzelte Richard, als er aus dem Auto stieg. Mit größter Überwindung entschloss sich Frank, ebenfalls den Wagen zu verlassen, um die anwesenden Kollegen zu begrüßen.
Die verbalen Dialoge des Kripobeamten und des Rechtsmediziners konnten so manche Bibliothek füllen. Dies trug zur allgemeinen Erheiterung bei, vor allem, wenn die Sprache auf die zahlreichen, jedoch meist erfolglosen Diätversuche des stets mit seinem Gewicht kämpfenden Walter Riegelgraf kam.
Doch dem exzellenten Essen seiner Frau daheim konnte er nicht widerstehen. Und wenn es in der Polizeikantine Zwiebelrostbraten mit Spätzle oder eine Rinderroulade gab, schienen die guten Vorsätzen schlagartig vergessen.
»Was haben wir denn hier?«, fragte er den Polizisten, der für die drei das Absperrband in die Höhe lupfte.
»Einen Toten«, war die kurze, knappe Antwort des Beamten. Der scheint noch keinen Kaffee gehabt zu haben, dachte Frank bei sich.
»Ah, die Herren von der Mordkommission sind auch schon zugegen. Schön, dass Sie es einrichten konnten, hierher in die Kälte zu kommen«, wurden sie von einem offenkundig schlecht gelaunten Adelbert Herzog empfangen, der gerade damit beschäftigt war, seine Sachen aus dem Auto zu holen. Wobei schlecht gelaunt auf den Chef der Spurensicherung fast immer zutraf. Dennoch – seine fachlichen Kenntnisse auf diesem Gebiet waren unbestritten. Deutschlandweit kannte man ihn als einen der fähigsten Köpfe. Warum er nicht beim BKA in Wiesbaden arbeitete, konnte man sich nur mit seiner Heimatverbundenheit erklären. Fragen diesbezüglich blockte er jedoch immer ab. »Schwäbisches Understatement«, fügte er dann hinzu.
»Für einen, der hier wohnt, bis du aber auch recht spät dran«, konterte Richard.
»Ich hab noch meinen Kaffee getrunken. So viel Zeit muss sein«, erwiderte Herzog leicht angesäuert. Frank seinerseits verstand sehr gut, konnte man bei diesen sibirischen Temperaturen seine Wohnung doch nicht ohne einen den Körper von innen wärmenden Kaffee verlassen, denn sonst drohten höchstwahrscheinlich Erfrierungen der äußeren Extremitäten.
Er stand mit seiner dicken Jacke, die Hände in den Taschen vergraben, eine Wollmütze auf dem Kopf am Wegrand und wartete, dass man ihn zu der Leiche führte. Eilig schien es an diesem Morgen hier keiner zu haben. Wieso auch. Der oder die Tote konnte nicht mehr weglaufen. Dazu kamen die gefühlten arktischen Temperaturen, die den Verwesungsprozess in erträglichen Grenzen hielten.
»Dort oben liegt die Leich. Schaut grausig aus.« Der Polizeiobermeister Gerhard Weißhaar zeigte mit seiner Hand auf den vor ihnen liegenden Weinberg.
Adelbert Herzog brummte etwas vor sich hin. Offensichtlich störte es ihn, dass wieder jemand vor ihm den Tatort betreten hatte, was meist ein mehr an Arbeit für ihn bedeutete, da etwaige wichtige Spuren unkenntlich gemacht worden waren.
Ein Positives schien die Steigung im Weinberg für alle Anwesenden zu haben: Es wurde ihnen warm, und sie vergaßen für ein paar Minuten die Kälte.
Walter Riegelgraf war schon am Ort angekommen, wo die, wie sich beim Sichtkontakt herausstellte, männliche Leiche eines älteren Mannes zwischen den Weinreben des Götzenbergs lag.
»Tod durch einen Schlag auf den Kopf«, konstatierte Richard beim Anblick des Toten.
Walter Riegelgraf, der sich über die Leiche bückte, blickte nach oben.
»Sieht zumindest so aus. Liegt noch nicht lange hier. Höchstens zwei bis drei Stunden. Eher weniger. Eine genaue Uhrzeit gibt’s erst nach der Obduktion. Vielleicht hat er zu viel getrunken. Wahrscheinlich ist er dann gestürzt.«
Frank stand zwischen den beiden, die Hände in den Taschen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen, um der Kälte so wenig nackte Haut wie möglich auszusetzen.
»Ich tippe eher auf Tod durch eine Schusswaffe«, meinte er, wobei er mit dem Finger nach oben zeigte.
Richard und Walter Riegelgraf folgten seinem Blick, sahen unweit der Leiche etwas im Gras zwischen den Reben liegen, was von der Sonne reflektiert wurde.
»Eine Patronenhülse«, rief Adelbert Herzog, der mit seinem Alukoffer mittlerweile ebenfalls den Fundort der Leiche erreicht hatte.
»Streber«, gab er zurück, machte sich aber gleich daran, das Projektil in einer Tüte zu sichern.
Richard war erstaunt über den scharfen Blick seines Kollegen.
»Alle Achtung. Aus der Entfernung eine Patronenhülse zu erkennen, noch dazu, wenn sie im Gras liegt.«
»Der ist halt nicht so ein Blindfisch wie du«, frotzelte Riegelgraf, während er sich die Leiche genauer ansah.
»Vorläufige Todesursache«, stellte er nach einer ersten Begutachtung fest, »der Mann hat mindestens einen ziemlich heftigen Schlag mit der Flasche hier auf den Kopf bekommen. Da wollte jemand auf Nummer sicher gehen.«
»Schlag? Was ist mit der Patronenhülse?«, fragte Frank, der oberhalb am Weg stand, um so besser auf den Tatort herunterschauen zu können. »Sieht mir nach einer Tat im Affekt aus.«
»Wahrscheinlich hat ihm da oben am Weg einer die Flasche auf den Kopf geschlagen. Er ist dann hier runtergefallen, aber einen Einschuss kann ich auf den ersten Blick keinen erkennen. Wer weiß, vielleicht ist die Patrone auch noch von der Silvesterballerei.«
Richard deutete auf den Weg weiter oben, grinste Frank an, machte dabei