Tübinger Fieberwahn. Maria Stich

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Tübinger Fieberwahn - Maria Stich

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überfahren zu werden. Der Knirps am Lenkrad hatte eine etwas zu große gelbe Regenjacke an. Von den Gummistiefeln grinsten Minimonster. Er trug eine Papierkrone, hatte einen Schnuller und eine Schniefnase und lenkte das Gefährt mit aller Kraft auf den Gehweg.

      »Nur bis zur Kurve, dann anhalten, Joel!«, rief die Frau und schob sich die verstrubbelten schulterlangen Haare aus der Stirn. Sie bückte sich und legte dem nun lammfrommen Kiri die Leine an.

      »Mama, Mama! Warte doch! Ich will auch mit!«, beschwerte sich ein kleiner Junge, der jetzt im Hausflur auftauchte. Wotan kannte sich mit Kindern nicht so genau aus, aber er schätzte ihn auf Kindergartenalter. Der Zwerg blieb stehen, öffnete den Reißverschluss eines grünen Geldbeutels und schüttete Münzen in seine Hand.

      »Jetzt komm schon, Fynn!«, mahnte die Frau ungeduldig, »du darfst dir nachher im Laden eine Brezel kaufen.«

      »Lieber eine Süßigkeit, Mama, das ist doch mein Geld«, maulte der blonde Junge.

      Dann stampfte er auf, dass die Blinklichter an seinen Stiefeln mit Drachenmotiv rot blinkten.

      »Schau mal, ich kann Feuer speien!«, erklärte er Wotan mit einem treuherzigen Blick. Seine Mama wandte sich Wotan zu.

      »Hallo, guten Morgen. Ich bin Emily McScott. Wir wohnen seit gestern im Erdgeschoss. Ist alles noch etwas chaotisch«, erklärte sie, lächelte schief und hielt ihm die Hand zur Begrüßung hin. Wotan Wilde setzte ebenfalls zur Begrüßung an.

      Bevor er aber ihre Hand nehmen konnte, rief sie erschrocken: »Halt, Joel, nicht auf die Straße!« Die Kuscheltiere im Anhänger purzelten durcheinander, als der Knirps sein Gefährt gefährlich nahe an den Bordstein lenkte.

      Mittlerweile hatte der Umzugswagen das Haus Nummer 17 erreicht und bremste. Der Lastwagen kam direkt neben dem kleinen Rennfahrer zum Stehen.

      Der erschrak und stimmte ein lautes Geheul an. Er krabbelte vom Bobbycar und rannte zu seiner Mutter. Er umschlang ihre Knie, drückte sein Gesicht gegen den Regenmantel und brüllte weiter. Wotan Wilde zuckte zusammen. Dass ein so kleiner Wicht so laut brüllen konnte, hätte er nicht für möglich gehalten. Nach einigen Streicheleinheiten seiner Mutter und Trost-Gummibärchen beruhigte sich der Minikönig wieder.

      Frau McScott lenkte das Bobbycar nebst Anhänger unter die Briefkästen im Flur und stellte es dort ab.

      »Das bleibt erst mal hier!«, sagte sie zu seinem Lenker, der diese Tatsache wieder mit Geschrei beantwortete. Frau McScott verabschiedete sich von Wilde mit einem kleinen Lächeln. Dann marschierte die kleine Truppe den Weg entlang und bog am Café »Zur Dampflok« links ab.

      »McScott«, dachte Wotan, den Namen konnte er sich gut merken. Von einer gleichnamigen Firma gab es hervorragende Radlerschuhe.

      Inzwischen waren neue dunkle Wolken über den Neckar herangezogen. Ein Regenschauer ging nieder.

      Warum die Tür so schwarz sein musste wie der Eingang zur Unterwelt, würde er nie begreifen. Aber das korrespondierte ja prima mit den dunkelgrauen Wänden im Treppenhaus. Für das Treppengeländer hatte der Architekt Ewald Fürchtenschied ein optimistisches Steingrau gewählt.

      Wilde blieb im Vorraum stehen. Draußen goss es in Strömen. Die Scheibenwischer am Umzugsauto arbeiteten auf Hochtouren.

      Panagiotis bedeutete Wilde durch Handzeichen, dass sie den Wagen wenden würden, um so besser ausladen zu können. Er paffte eine imaginäre Zigarette und wollte Wilde so vermitteln, dass er wohl noch schnell eine rauchen wollte. Sollte er tun! Bis sich das Unwetter gelegt hatte, konnte er das Auto sowieso nicht verlassen. Wilde nickte. Die Gebrüder Treggelidis steckten sich Zigaretten an. Der Rastaman starrte aufs Display seines Smartphones.

      So ein Zigarettchen hätte Wilde jetzt auch gutgetan.

      Er schnupperte nach dem schwachen Rüchlein, das aus dem Spalt des geöffneten Autofensters herüberzog. Die letzte Fluppe hatte er vor zehn Jahren nach der Beerdigung seines Vaters ausgedrückt. Einen zweiten Lungenkrebs in der Familie wollte er seiner Mutter nicht zumuten.

      Wotan kramte in der Jackentasche. Er entdeckte ein Salbeibonbon, wickelte es aus dem silbernen Papier und lutschte gierig. Sein Magen meldete sich grollend. Pizza würde es erst später geben, wenn sie fertig waren.

      Er drehte sich um und studierte die Namensschilder auf den hellgrauen Briefkästen, die nebeneinander an die Wand geschraubt waren.

      »John, Emily, Fynn, Joel, Hedda McScott«, stand in zierlichen Druckbuchstaben auf dem Schild des Briefkastens ganz links. Darunter prangten die schief aufgeklebten Sticker eines neonfarbenen Dinosaurus Rex, eines Benjamin-Blümchen-Elefanten mit Hut und eines rosa Einhorns.

      »T. Trost / airbnb«, las er die fetten Druckbuchstaben auf dem nächsten Schild. Wilde rümpfte die Nase. Von dieser Nachbarschaft war er nicht begeistert. Er hatte da schon zu viel von randalierenden und laut feiernden Touristen gelesen.

      »Saskia Klaschke«, entzifferte er die verschnörkelten Lettern auf einem pergamentartigen Papier im Schilderhalter daneben. Die Buchstaben waren so ineinander verschlungen, dass Wilde Mühe hatte, sie zu lesen. Die Dame hatte er noch nicht kennengelernt.

      »Rowena und Holger Kostka (Gartengestaltung)«, stand auf dem grüngestreiften Papier. Die Kostkas hatten einfach ihre Visitenkarte gefaltet und hinter das Plexiglas des Namensschildes geschoben.

      Der nächste Briefkasten war unbeschriftet. Es dauerte einen kurzen Moment, bis Wilde realisierte, dass da sein eigener Name fehlte.

      Etwas verwirrt beschloss er, es den Kostkas gleichzutun. Er holte eine Visitenkarte aus dem Geldbeutel, knickte den Zusatz »Hauptkommissar« ab und schob das Kärtchen hinter das Glas. Schön sah es nicht aus, aber fürs Erste würde es genügen.

      »Ambrosius Ackermann«, stand auf dem letzten Namensschild, in fetten Goldlettern auf schwarzes Papier gedruckt. Wotan kam sich plötzlich klein und schäbig vor. Das schien ein Mann mit großem Ego zu sein.

      »Chef, wir könnten jetzt loslegen.« Die Treggelidis Brüder standen, mit dunkelgrauen Arbeitsmänteln bekleidet, im Flur.

      Wilde warf einen Blick ins Freie. Es regnete nicht mehr und die Sonne probierte es wieder mit einigen freundlichen Sonnenstrahlen. Ben, der Rastaman, trug ein rotes T-Shirt über den Jeans. Er hatte sich zwei lange Pakete unter die Arme geklemmt und versuchte, auf den Knopf am Aufzug zu drücken.

      »Bitte vorsichtig mit meinen Unikaten!«, ermahnte Wilde ängstlich. Er nahm ihm die beiden Stücke ab und betrat damit die Aufzugkabine. Die Wände waren für die Dauer der Einzüge mit braunem Packpapier abgeklebt worden. Wilde überlegte für einen kurzen Moment, welche Farbe die Kabinenwände darunter wohl hatten. Er wünschte sich jetzt einfach mal ein kräftiges Orange.

      Frohsinn verbreitet der Eingangsbereich nicht gerade, dachte Wilde.

      Die Brüder Treggelidis schoben jetzt die ersten Umzugskisten auf Rollwagen in den Lift und stiegen dann zu.

      Nach drei Stunden Schlepparbeit lagen im Laderaum des Transporters nur noch Packdecken und Transportriemen.

      Die Treggelidis Brüder standen auf der Terrasse im vierten Stock und rauchten eine Abschlusszigarette.

      Die hatten sie sich verdient. Der Schlafzimmerschrank, die Regale im Wohnzimmer und die Garderobe waren aufgebaut. Sie hatten den massiven Eichentisch für die Küche durchs Treppenhaus

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