Bauchgefühl & Gottvertrauen. Guido Cantz

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Bauchgefühl & Gottvertrauen - Guido Cantz

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heute sage ich: Meinen Job als Dienstleistung zu betrachten, behalte ich bei. Ich sehe mich selbst, obwohl ich Unterhaltungskünstler bin, nicht als Künstler. Picasso war ein Künstler. Menschen, die Bilder malen, komponieren oder Weltliteratur schreiben, die in Bereichen wie Bildhauerei, Regie oder Schauspielerei Erfolge feiern, gehören für mich in diese Kategorie. Über mich selbst zu sagen: „Ich bin Künstler“, geht mir zu schwer über die Lippen. Vielleicht ist diese Dienstleistermentalität auch nur mein Vehikel, um auf dem Boden zu bleiben.

      „Guido, du schaffst das schon!“ entpuppt sich dabei manchmal als das Mantra, das ich mir nicht ausgesucht habe, aber das im Hintergrund unhörbar erklingt und mich immer noch hin und wieder dazu verleitet, mir mehr aufzubürden als gesund für mich ist. Andererseits hat sich dieser Satz in der Vergangenheit so oft als wahr erwiesen, dass er mir in Momenten der Unsicherheit und des Zweifels durchaus hilft. Selbst jetzt – in diesem Augenblick, in dem noch unklar ist, wohin mein Weg mich in Zukunft führt – lässt er mich zuversichtlich sein, dass es weitergeht und dass alles gut wird.

       2. Der erste Warnschuss

      Wenn ich aus Erfahrung wirklich klug geworden wäre, dann hätte ich mir bereits seit 1996 nie mehr zu viel zumuten dürfen. Denn im Alter von 25 Jahren schickte mir mein Körper eine deutliche Warnung, die mich aber leider nur vorübergehend demütig werden ließ.

      Zu dieser Zeit war ich bereits professionell im Karneval unterwegs mit mehr als 200 Auftritten während der Session. Um mich für die kräftezehrenden Wochen zu belohnen, hatte ich mir einen Last-Minute-Urlaub in der Dominikanischen Republik gegönnt. Ein Bekannter hatte mich noch vor den dort grassierenden Magen-Darm-Viren gewarnt. Für Infektionen dieser Art bin ich durchaus empfänglich und tatsächlich habe ich während des Rückflugs den engen Gang zur Bordtoilette mehr als nur einmal passieren müssen. Und mit jedem Mal erntete ich mehr mitleidige Blicke von meinen Mitreisenden.

      Vermutlich lag es am Mittagessen vom Vortag. Es war im Angebot des Tagesausflugs inklusive. Da sagt der innere Schwabe natürlich nicht nein. Reis, Bohnen und Hähnchen hatten mir wenig Sorgen bereitet, Zweifel beschlichen mich eher beim gereichten Avocado-Salat, denn der wird weder gekocht, gebraten noch frittiert, was Krankheitserregern im Zweifelsfall sehr entgegenkommt. Letztlich dachte ich mir: „Genieß ihn einfach! So reif und lecker bekommst du sie ab übermorgen nicht mehr.“

      Der Durchfall wurde allerdings in den kommenden Tagen immer schlimmer, sodass mein Hausarzt schließlich eine Stuhlprobe zum Hamburger Tropeninstitut schickte. Es hieß abwarten und auf die Diarrhö-Tabletten vertrauen.

      In diesen Tagen begann auch die Vorbereitung auf die Fußballsaison. Fußball ist meine große Leidenschaft, seit ich sechs Jahre alt bin. Doch womöglich hat sie maßgeblich dazu beigetragen, dass ich von heute – also von meinem 50. Lebensjahr – aus betrachtet, im Alter von 25 eine längere Halbzeitpause mit körperlichem Systemausfall erlebte.

      Da ich in der heißen Phase des Karnevals wie jedes Jahr aus Zeitmangel mit dem Training pausieren musste, wollte ich mich in der Vorbereitung umso mehr beweisen und als Stammspieler etablieren. Mit Peter Klimke, dem ehemaligen Bundesligaprofi von Bayer Leverkusen, hatten wir zudem einen neuen Trainer, der ambitionierte Ziele verfolgte und neue Spieler mitbrachte, darunter auch solche mit Oberliga-Erfahrung. Insofern gab es im Team definitiv technisch versiertere Fußballer als mich. Mich aber zeichneten Leistungsbereitschaft und Kampfeswillen aus. Beides musste ich unter Beweis stellen.

      Klimke wollte sehen, dass wir die Vorbereitung ernstnahmen. Einmal pro Woche mussten wir zum Wiegen antreten, dazu schleppte er sogar seine private, ziemlich schwere mechanische Waage auf den Platz. Einer nach dem anderen durften wir auf das Original-Badezimmeraccessoire des Ex-Profis treten, der mit einem Block in der Hand die Entwicklung notierte und wenn nötig mahnende Worte sprach.

      Da ich ein durchaus ehrgeiziger Sack bin, habe ich im Training alles gegeben. Dass ich nach den ersten beiden Saisonspielen plötzlich Schmerzen in der Leiste spürte, schob ich aufs Training und bat Klimke um eine Pause beim Pokalspiel am Mittwoch. Ich hoffte, am Wochenende wieder fit zu sein. Doch noch in derselben Nacht hatte ich plötzlich vierzig Grad Fieber und Schmerzen im Bauchraum. Mein Vater vermutete eine Blinddarmentzündung, der Hausarzt hielt das am folgenden Morgen ebenfalls für die passende Erklärung und so fand ich mich im Troisdorfer Krankenhaus ein: Bauchdrücken, Fieber, erhöhte Leukozyten – mein Blinddarm sollte wenig später entfernt werden. Nur ein Routineeingriff, sagte man mir, ein paar Tage Ruhe und die Sache wäre erledigt. Ich rief meinen ehemaligen Schlagzeuglehrer und guten Freund Ilja an und er versprach, am Nachmittag vorbeizukommen.

      Als er später tatsächlich in meinem Zimmer stand, fand er jedoch nur ein unbenutztes Bett vor. Er fragte die Schwester, wo ich sei. Sie sah ihn besorgt an und wollte wissen: „Sind Sie ein Verwandter?“ – Eine Szene wie aus einer Arztserie, nur ohne den Nachsatz: „Wir konnten leider nichts mehr für ihn tun.“ Tatsächlich hätte aber dafür nicht viel gefehlt.

      Als ich wieder zu mir kam, lag ein Schlauch in meiner Nase, der mich mit Sauerstoff versorgte, und in meiner linken Armbeuge steckte ein Zugang, der direkt zum Herzen führte. An das Gefühl erinnere ich mich bis heute. Ich spüre noch genau die Stellen, an denen der Schlauch verlief. Am rechten Zeigefinger hing ein Pulsmessgerät, der Blick unter die Bettdecke ließ außerdem einen Blasenkatheter und ein Kabel in meinem Hintern erkennen, das wohl dazu diente, meine Temperatur zu messen. Komplett verkabelt, heute würde man sagen: Ich war online. Leider gab es noch kein W-Lan.

      Warum so viel Aufwand für einen Blinddarm? Einmal unterm Messer wurde er zwar in die ewigen Jagdgründe geschickt, wies aber keinerlei Entzündung auf. Dafür fand man eine Flüssigkeit im Bauchraum, deren Herkunft sich niemand erklären konnte. Nach der OP bin ich dann im Aufwachraum blau angelaufen: Herzinsuffizienz linksseitig.

      Nun lag ich also auf der Intensivstation. Mit über vierzig Grad Fieber. Eine Spezialdecke mit Dauerluftzug arbeitete daran, meinen überhitzten Körper wenigstens in die Nähe der Normaltemperatur zu kühlen. Es war die Art von Zudecke, die man sonst benutzte, um stark unterkühlte Lawinenopfer wieder aufzuwärmen. Offensichtlich konnte man sie auch für das Gegenteil einsetzen.

      In den kommenden Stunden und Tagen probierte man diverse Antibiotika aus und setzte sie wieder ab, bis schließlich eins Wirkung zeigte. Meine Eltern haben mir erzählt, dass ich in dieser Zeit immer wieder laut fantasiert hätte. Ich kann mich an die Stunden nach der OP nur schemenhaft erinnern, weil ich alles durch meinen Fieberschleier wahrgenommen habe. Ich weiß allerdings noch, wie die Menschen um mich herum sehr hektisch wurden und aufgeregt durcheinandersprachen.

      Ohne das passende Antibiotikum hätte ich höchstwahrscheinlich nicht überlebt. Das Fieber ging nun zum Glück runter, aber eine Erklärung für meinen Zustand hatte immer noch niemand. Für die Mediziner war mein Fall ein spannendes Rätsel und das war alles andere als beruhigend. In den kommenden Tagen standen gefühlt sämtliche Ober- und Chefärzte bei mir am Bett und jeder durfte mal tasten, drücken, Blut abnehmen und dabei ernst gucken. Es kam mir vor, als hätte jeder einen Versuch frei. Ich fühlte mich wie ein Versuchskaninchen. Sie alle waren auf der Suche nach der Ursache für meinen Zustand. Und täglich half ich ihnen bei ihrer Spurensuche und beantwortete stets dieselben Fragen, nur dass sie von Vertretern aus unterschiedlichen Fachrichtungen gestellt wurden. Ob Urologe, Orthopäde oder Internist, sie alle hörten interessiert zu, bis jeder einzelne schließlich mit vollen Ampullen in der Hand mein Zimmer wieder verließ.

      Ohne das passende Antibiotikum hätte ich höchstwahrscheinlich nicht überlebt.

      Besonders schmerzhaft war allerdings die Prozedur mit der sogenannten Beckenmarkstanze. Eine Biopsie, bei der mittels einer langen Hohlnadel Knochenmark aus dem Beckenknochen entnommen wurde. Obwohl ich mit Schmerzmitteln

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