Energiepolitik und Elektrizitätswirtschaft in Österreich und Europa. Axel Kassegger
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EUROPÄISCHE ENERGIEPOLITIK 1951 BIS 1973
Die europäische Energiepolitik der 1950er- und 1960er-Jahre war geprägt von den Anforderungen des Wiederaufbaus Europas nach dem Zweiten Weltkrieg und der Sicherstellung der dafür notwendigen Ressourcen im Energiebereich. Sie fokussierte sich deshalb auf die Energieträger Kohle, Erdöl und Nuklearenergie.
So kam es 1951 zur Gründung und 1952 zum Inkrafttreten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)1, oft auch „Montanunion“ genannt, als erster supranationaler Organisation und Vorläuferin der heutigen Europäischen Union. Ziel war es, für Kohle und Stahl als wichtigste Ressourcen für den Wiederaufbau Europas Bedingungen einer Freihandelszone ohne Zölle zu schaffen. Mit der „Hohen Behörde“, die gemeinsame Regelungen für alle Mitgliedstaaten treffen konnte, wurde erstmalig eine supranationale Institution mit Entscheidungskompetenzen geschaffen. Der EGKS-Vertrag wurde 1952 für eine Zeitdauer von 50 Jahren geschlossen und lief 2002 aus.
Zu Beginn der 1950er-Jahre betrug der Anteil der Kohle an der Primärenergieerzeugung in Europa nahezu 90 %. Die steigende Bedeutung des Energieträgers Erdöl in den folgenden Jahren und die durch die Suezkrise 1956 ausgelösten großen Sorgen hinsichtlich der energiewirtschaftlichen Versorgungssicherheit Europas führten in weiterer Folge dazu, die Nuklearenergie in Europa als Alternative ernsthaft zu fördern, um einerseits billige Energie für eine wachsende Wirtschaft zu bekommen und andererseits Europas Abhängigkeit von Ölimporten aus politisch unsicheren Regionen zu minimieren.
Dies führte 1957 mit den so genannten „Römischen Verträgen“2 zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM). Mit dem EURATOM-Vertrag3 wurde ein klares Bekenntnis zur friedlichen Nutzung der Atomenergie abgegeben mit den Zielen, diese Energiequelle künftig effizient zu nutzen, gemeinsame Sicherheitsstandards zu entwickeln und einen Rahmen für die Forschung in diesem Bereich zu implementieren.
Gleichzeitig wurden mit den Römischen Verträgen 1957 zwei weitere für die europäische Integration wichtige Abkommen geschlossen. Erstens der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und zweitens das Abkommen über gemeinsame Organe für die Europäischen Gemeinschaften (EG). Mit den Römischen Verträgen 1957 wurden somit als „Dach“ die Europäischen Gemeinschaften (EG) in Leben gerufen, die aus drei Gemeinschaften und gemeinsamen Organen bestanden:
• der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS),
• der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM),
• der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG),
• einer gemeinsamen parlamentarischen Versammlung (dem Vorgänger des heutigen Europäischen Parlaments), einem gemeinsamen Gerichtshof und einem gemeinsamen Wirtschafts- und Sozialausschuss.
Für die Frage der Kompetenzverteilung zwischen nationalstaatlichen Institutionen und supranationalen europäischen Institutionen sind die mit den Römischen Verträgen 1957 neu geschaffenen Kommissionen von EURATOM und EWG von wesentlicher Bedeutung. Die Struktur dieser zwei neuen Kommissionen war im Wesentlichen jene der „Hohen Behörde“ des EGKS-Vertrages 1952, die im Übrigen bereits seit ihrer Gründung auch als „Kommission“ bezeichnet wurde, nachempfunden. Ab 1958 bestanden demnach drei Kommissionen, eine für den EGKS, eine für EURATOM und eine für den EWR. Deren Mitglieder wurden von den Mitgliedstaaten ernannt und wählten aus ihrem Kreis einen Präsidenten4.
Mit dem EG-Fusionsvertrag 19655 wurden alle drei Kommissionen zu einer einzigen zusammengeführt, so wie auch ein gemeinsamer Rat die bis dorthin bestehenden drei Räte zusammenfasste.
Energiepolitisch geschah in den nächsten Jahren auf europäischer Ebene sehr wenig, es wurden zwar einige Strategiepapiere und Empfehlungen der Kommission entwickelt, umgesetzt wurde aber gar nichts. Im Jahr 1969 überholte das Erdöl die Kohle als wichtigster Primärenergieträger in Europa.
EUROPÄISCHE ENERGIEPOLITIK 1973 BIS 1986
Durch Ereignisse außerhalb Europas kam dann aber doch Bewegung in die Europäische Energiepolitik. Der Jom-Kippur-Krieg 1973 zwischen Israel und Ägypten/Syrien – Israel unterstützt von den USA und weiteren westlichen Staaten, Ägypten/Syrien unterstützt von arabischen Staaten und der Sowjetunion – führte unter anderem dazu, dass die in der OPEC6 organisierten erdölproduzierenden Staaten als Reaktion auf die westliche Unterstützung Israels beschlossen, die Ölproduktion dramatisch zu drosseln. Dies führte zu einem enormen Anstieg der Ölpreise, dem ersten „Ölpreisschock“ 1973, der eine veritable Wirtschaftskrise in Europa auslöste. Gleichzeitig traten 1973 Großbritannien, Irland und Dänemark den drei Gemeinschaften bei, was aus Gesichtspunkten der Versorgungssicherheit aufgrund der Erdöl- und Erdgasvorkommen in der Nordsee positiv war.
Als Konsequenz auf das Verhalten der OPEC wurde am 15. November 1974 auf Vorschlag der USA die Internationale Energieagentur (IEA)7 als eine autonome Einheit der OSZE mit Sitz in Paris gegründet. Sie sollte einerseits ein Gegengewicht zur OPEC darstellen, so verfügt sie über strategische Ölreserven, mit denen sie in den Ölmarkt eingreifen kann. Andererseits ist sie eine Kooperationsplattform im Bereich der Forschung, Entwicklung, Markteinführung und Anwendung von Energietechnologien. Der jährlich erscheinende „World Energy Outlook“ der IEA gilt mittlerweile als die „Bibel der Energiewirtschaft“ 8.
Auch auf europäischer Ebene reagierte man auf die Ereignisse des „Ölpreisschocks“ 1973. So stellte die Kommission im Jahr 1974 klar fest, dass die Europäischen Gemeinschaften (EG) eine gemeinsame, abgestimmte Energiepolitik brauchen. Der Rat stimmte dem zu und quantifizierte mit seiner Resolution vom 17. Dezember 19749 erstmals energiepolitische Ziele, die naturgemäß stark von dem Gedanken der Erhöhung der Versorgungssicherheit geprägt waren. So legte man unter anderem als Ziele fest, die Energieimporte aus Drittstaaten bis 1985 auf unter 50 %, wenn möglich auf unter 40 % zu senken. Außerdem sollte der Energieverbrauch generell bis 1985 um 15 % und der Ölverbrauch um 9 % verringert werden.
Die 1980er-Jahre waren energiepolitisch von zwei einschneidenden Ereignissen geprägt: Einerseits dem zweiten „Ölpreisschock“ in den Jahren 1980/81 als Ergebnis drastischer Produktionsverringerungen im Iran und Irak aufgrund der Iranischen Revolution 1979 und dem 1980 beginnenden Krieg zwischen diesen beiden Ländern. (Die Kommission und der Rat reagierten mit weiteren Resolutionen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und der effizienteren Nutzung von Energie, die praktische Umsetzung war jedoch vernachlässigbar.) Andererseits führte der Reaktorunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl im Jahr 1986 zumindest zu der Entscheidung des Rates vom 17. Dezember 198710, den Informationsaustausch in frühen Phasen eines atomaren Notfalls zu verbessern.
EINHEITLICHE EUROPÄISCHE AKTE 1986
Die 1980er-Jahre waren auf europäischer Ebene geprägt vom Prozess der Integration, welcher 1992 mit dem Vertrag von Maastricht und der Gründung der Europäischen Union seinen Abschluss finden sollte. Europäische Energiepolitik spielte in dieser Zeit eine untergeordnete Rolle. Das große Ziel der 1980er-Jahre war die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes für die mittlerweile auf 12 Mitglieder angewachsenen Europäischen Gemeinschaften (EG)11.
Ein wichtiger Zwischenschritt auf diesem Weg war die Unterzeichnung der Einheitlichen