Midrasch. Gerhard Langer

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Midrasch - Gerhard Langer Jüdische Studien

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hier grundsätzlich zu betonen, dass das Ziel am Ende die Übereinstimmung mit der biblischen Botschaft ist.

      Eine der bis heute am häufigsten zitierten Definitionen von Midrasch ist die von Gary PortonGary Porton aus seinem wichtigen Aufsatz Defining Midrash, die nach einem Bekenntnis zu einer notwendigen Klärung der „literarischen Aspekte“ folgt. Midrasch sei demnach

      eine Literaturgattung, mündlich oder schriftlich, die in direkter Beziehung zu einem festgelegten, kanonischen Text steht, der vom Midraschist und seiner Hörerschaft als autoritatives und geoffenbartes Wort von Gott betrachtet wird, und in der dieser kanonische Text explizit zitiert oder klar auf ihn hingewiesen wird (S. 62; deutsch in: Midrasch: Die Rabbinen und die Hebräische Bibel, S. 134).

      Vielfach wurde die Unschärfe und Unklarheit dieses Ansatzes kritisiert, vor allem in Bezug auf den Begriff „kanonisch“ und den expliziten Bezug auf die Einstellung der Leserinnen und Leser/Zuhörerinnen und Zuhörer. Wie kann man diese erfragen? Unabhängig davon eröffnet Porton eine relativ weite und offene Deutung, die auch Targumim, Rewritten Bible (Liber Antiquitatum Biblicarum, Genesis Apokryphon, Jubiläenbuch etc.) sowie die Pescharim von Qumran umfasst, auch wenn diese sich nach Porton in einer Reihe von Punkten von den rabbinischen Midraschim unterscheiden. In Definitions of Midrash hat er 2005 gleich zu Beginn des Artikels die Definition etwas geschärft:

      |18|Rabbinischer Midrasch ist eine von den Rabbinen verfasste/zusammengestellte (composed) mündliche oder schriftliche Literatur, die ihren Ausgangspunkt in einem fixierten kanonischen biblischen Text hat. Im Midrasch wird dieser Originaltext, der als geoffenbartes Wort Gottes durch den Midraschisten und sein Publikum angesehen wird, explizit zitiert oder deutlich darauf angespielt. In der wissenschaftlichen Literatur, wie im Judentum selbst, wird der Begriff Midrasch auf drei verschiedene Arten verwendet: 1) bezogen auf eine einzelne exegetische Perikope […], 2) um die rabbinische Methode der Bibelauslegung zu beschreiben […] und 3) um die Zusammenstellungen der rabbinischen exegetischen Darlegungen zu bezeichnen, die in der Spätantike produziert wurden. (Definitions, S. 520)

      Nach Porton besteht das Hauptanliegen des Midrasch, als eine von mehreren intellektuellen Auseinandersetzungen der Rabbinen mit der Schrift, darin, die enge Verbindung zwischen der rabbinischen Welt und der Welt der Tora darzulegen. Dazu kommt:

      Die Rabbinen näherten sich der Tora mit all ihren intellektuellen und imaginativen Kräften an. Die Tora war ihr heiligstes Gut, und sie waren die Gestalter, Erhalter und Leiter dieser Kultur. Wenn die Tora auf das gesamte Leben einer Person Einfluss nimmt, dann sollten die Rabbinen fähig sein, sich ihr mit all ihrem Sein, mit ihren intellektuellen und rationalen Fähigkeiten wie auch mit ihrer imaginativen und spielerischen Seite anzunähern. Nur Midrasch legt Zeugnis von den gesamten intellektuellen Möglichkeiten des Verstandes und der Vorstellungskraft der Rabbinen ab. Je vertrauter ein Gelehrter mit der Tora wurde, der ultimativen Quelle seiner Heiligkeit, umso mehr Autorität und Status erhielt er innerhalb der rabbinischen Klasse und letztlich unter der jüdischen Bevölkerung. Fähig zu sein, der schriftlichen Tora neue Bedeutungen zu entlocken, oder die Möglichkeit zu haben, ihre explizite und implizite Bedeutung zu erläutern, erhöhte einen Rabbi unter seinen Kollegen. Midraschische Befähigung bestätigte und unterstützte den Anspruch des Rabbis, ein Rabbi zu sein. Seine Fähigkeit, mit der heiligen schriftlichen Tora zu arbeiten, kennzeichnete ihn als heiligen Mann. (Definitions, S. 526–527)

      In Anbetracht dieser Forschungsgeschichte und der Definitionsversuche empfiehlt es sich, zwischen Midrasch/Midraschim als Textsorte/Schrift/Dokument und Midrasch als hermeneutischem Verfahren und auch Genre zu unterscheiden und dabei die Trägergruppe im Auge zu behalten. Auf der Basis der eben dargelegten Definitionsversuche und grundlegenden Beobachtungen zum Midrasch ist die Frage „Was ist Midrasch?“ in der Folge ausführlicher zu beantworten.

       [Zum Inhalt]

      |19|II. Was ist Midrasch?

      1. Grundlegende Literatur

      Gerlemann, Gillis/Ruprecht, Eberhard, „drš: fragen nach.“ ThWAT I (1984), S. 460–467.

      Gruber, Mayer I., The Term Midrash in Tannaitic Literature. In: Ulmer, Rivka (Hg.), Discussing Cultural Influences. Text, Context and Non-Text in Rabbinic Judaism. Lanham 2007, S. 41–58.

      Lim, Timothy H., Origins and Emergence of Midrash in Relation to the Hebrew Bible. In: Encyclopedia of Midrash I, S. 595–612.

      Maier, Johann, „dāraš; midrāš.“ ThWQ I (2011), Sp. 725–737.

      Mandel, Paul, Legal Midrash between Hillel and Rabbi Akiva: Did 70 Make a Difference? In: Schwartz, Daniel/Weiss, Zeev (Hgg.), Was 70 CE a Watershed in Jewish History? On Jews and Judaism before and after the Destruction of the Second Temple (Ancient Judaism and Early Christianity 78). Leiden – Boston 2012, S. 343–370; ders., „Darash Rabbi Peloni. A New Study.“ Dappim: Research in Literature 16–17 (2008), S. 27–54 [Hebr.]; ders., the Origins of Midrash in the Second Temple Period. In: Bakhos, Carol (Hg.), Current Trends in the Study of Midrash (JSJ Supplements 106). Leiden – Boston 2006, S. 9–34; ders., „Midrashic Exegesis and Its Precedents in the Dead Sea Scrolls.“ Dead Sea Discoveries 8 (2001), S. 149–168.

      Stemberger, Günter, Zum Verständnis der Tora im rabbinischen Judentum. In: Zenger, Erich (Hg.), Die Tora als Kanon für Juden und Christen (HBS 10). Freiburg 1996, S. 329–343; ders., Midrasch. Vom Umgang der Rabbinen mit der Bibel. Einführung – Texte – Erläuterungen. München 1989.

      2. Der Referenzrahmen

      Maʿase (Ereignis/Fallbericht) über R. Jochanan b. Beroqa und R. Leazar Chisma, die von Javne nach Lod kamen und vor R. Jehoschua in Peqiin die Aufwartung machten.

      R. Jehoschua fragte sie: Was gab es heute Neues im Lehrhaus?Was gab es heute Neues im Lehrhaus?

      Sie antworteten ihm: Wir sind deine Schüler und trinken dein Wasser (= lernen von dir).

      Er sagte zu ihnen: Es ist unmöglich, dass es nicht Neues im Lehrhaus gibt. Wessen Sabbat war es (= wer war zum Auslegen eingeteilt)?

      Sie antworteten ihm: Es war der des R. Leazar b. Azarja.

      Er fragte sie: Was war die Haggada?

      „Versammle die Männer und Frauen und Kinder“ (Dtn 31,12).

      |20|Er fragte sie: Was hat er dazu ausgelegt (ma darasch ba)?

      Sie antworteten ihm: So hat er ausgelegt (kach darasch ba): Die Männer kommen, um zu lernen, die Frauen kommen, um zu hören. Warum kommen die Kinder? Um denen Lohn zu geben, die sie bringen.

      Dieser kurze Bericht aus der Tosefta (Sota 7.9) über einige bekannte Rabbinen enthält wichtige Informationen zum Begriff darasch und zum Midrasch.

      1 Der Gegenstand der Auslegung ist ein Stück aus der Bibel,

      2 vorgetragen in einem ganz bestimmten Ort und Kontext, in der Versammlung der Rabbinen im Lehrhaus.

      3 Die Auslegung hat Neuigkeitswert, fördert also eine Information aus dem Bibeltext zutage, die nicht ohne weiteres schon selbstverständlich und jedermann einsichtig wäre.

      Es lohnt, ausgehend von diesem kurzen Beispiel, einen Blick auf einige Voraussetzungen zu werfen, die für den Midrasch in seiner klassischen Form

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