Deutsche Sprachgeschichte. Stefan Hartmann
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Im Methodenteil indes gilt: Keine Angst vor Zahlen und keine Angst vor Statistik! Erfahrungsgemäß finden viele Studierende den Gedanken, statistische Analysen durchzuführen, eher abschreckend (oder haben ein Germanistikstudium gewählt, um genau so etwas nie wieder machen zu müssen).
Dreierlei zur Beruhigung und Ermutigung. Erstens: Statistik ist keine Zauberkunst, sondern basiert auf relativ einfachen und intuitiv nachvollziehbaren Prinzipien. (Die Mathematik dahinter mag teilweise komplex sein, aber mit ihr müssen wir uns nur im Ansatz auseinandersetzen.) Zweitens: Die statistischen Tests, die ich in diesem Buch und im Begleitmaterial dazu vorstelle, sind – mit wenigen Ausnahmen – wirklich sehr grundlegend und können auch von Anfängerinnen und Anfängern gut verstanden werden. Und drittens: Statistik ist keine Wissenschaft für den Elfenbeinturm. Statistik-Kenntnisse können im Alltag außerordentlich vorteilhaft sein. Das gilt auch für angehende Lehrerinnen und Lehrer. Wie oben erwähnt, will dieses Buch auch eine Einladung zum wissenschaftlichen Denken sein. Dazu gehört, die wissenschaftliche Methode zu verstehen, die in Kap. 2 vorgestellt wird. Die wissenschaftliche Methode indes ist ohne Statistik kaum denkbar – wir brauchen Statistik, um unterschiedliche Erklärungsmodelle miteinander vergleichen und entscheiden zu können, welches das überzeugendste ist. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen in Teilen von Politik und Gesellschaft offene Wissenschaftsfeindlichkeit (auch gegenüber der Linguistik) salonfähig geworden ist, ist es wichtiger denn je, zu verstehen, wie Wissenschaft funktioniert, und auch Schülerinnen und Schüler ans wissenschaftliche Denken heranzuführen.
In der Linguistik gibt es einige Notationskonventionen, mit denen man sich vertraut machen muss, um sprachwissenschaftliche Texte zu verstehen und selbst Sprachwissenschaft zu betreiben.
Kursivierung | Metasprachliches wird kursiv gesetzt. Der Unterschied zwischen Metasprache einerseits und Objektsprache andererseits lässt sich an einem einfachen Beispiel illustrieren: In dem Satz „Der Hund hat vier Beine“ wird das Wort Hund objektsprachlich gebraucht, bezieht sich also auf das Tier. In dem Satz „Das Wort Hund beginnt mit dem Laut /h/“ wird Hund metasprachlich gebraucht: es geht um das Wort, um die sprachliche Einheit. |
‚…‘ | In einfachen Anführungszeichen werden Bedeutungen angegeben, z.B.: das englische Wort dog ‚Hund‘; das deutsche Wort Hund ‚Säugetier mit vier Beinen‘ |
/hʊnt/ | In /…/ stehen Phoneme. Unter Phonemen versteht man die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit: Im sog. Minimalpaar Haus vs. Maus kommt der Bedeutungsunterschied nur durch ein einziges variierendes Phonem – /h/ vs. /m/ – zustande. |
[hʊnt] | In […] stehen Phone. Unter Phonen versteht man die konkrete lautliche Realisierung eines Phonems. So kann das Phonem /ʁ/ in Rat (in Lautschrift: [ʁa:t] bzw. [ra:t]) als Gaumenzäpfchen-r gesprochen werden ([ʁ]), was die in Deutschland verbreitetste Variante ist. Gerade in Bayern, Österreich und der Schweiz findet man aber auch das „rollende“ Zungenspitzen-r ([r]) (vgl. Meibauer et al. 2015: 87; Becker 2014: 27f.). |
<Hund> | In <…> werden Grapheme notiert, also Schriftzeichen. Zu den großen „Aha-Erlebnissen“ angehender Studierender der Sprachwissenschaft gehört oft die Erkenntnis, dass Sprache und deren Verschriftung zwei unterschiedliche Dinge sind. Dies wird schon im mehrfach erwähnten Beispiel <Hund> deutlich: Ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht – wir sprechen Hund nicht mit einem /d/, also einem stimmhaften Plosiv, aus, sondern mit /t/, einem stimmlosen Laut (s.u. 3.3.1). Noch deutlicher wird der Unterschied zwischen Sprache und Schrift, wenn wir uns vor Augen führen, dass in einigen Fällen ein Laut (z.B. /ʃ/) durch drei Grapheme wiedergegeben wird (<sch>) oder dass das gleiche graphische Zeichen (z.B. der Digraph <ch>) für ganz unterschiedliche Laute stehen kann (/ç/ in ich vs. /χ/ in ach). |
> und < | > ist zu lesen als ‚wandelt sich zu‘, z.B. gebollen > gebellt ‚gebollen wandelt sich zu gebellt‘. < ist umgekehrt zu lesen als ‚geht hervor aus‘, z.B. entsprechend gebellt < gebollen ‚gebellt geht hervor aus gebollen‘. |
* | Der Asterisk kennzeichnet in der Regel ungrammatische Formen, die als Beispiele angeführt werden, z.B. *die Computers. Außerdem werden damit nicht belegte und rekonstruierte Formen ausgezeichnet, etwa in einem Satz wie „Das deutsche Wort Bruder geht auf indoeuropäisch *bhrāter- zurück“. Da uns aus dem Indoeuropäischen keine Quellen überliefert sind, ist die genannte Form natürlich nicht belegt. Vielmehr wurde sie auf Grundlage vergleichender Studien zwischen vielen indoeuropäischen Einzelsprachen rekonstruiert (s.u. 2.2.1) |
? | Während einige Formen eindeutig ungrammatisch sind (z.B. *ich kief statt ich kaufte), schwankt bei anderen die grammatische Akzeptabilität. Solche Fälle sind statt mit Asterisk mit Fragezeichen gekennzeichnet (?Globusse, ?Atlasse statt Globen, Atlanten). |
Zur Darstellung von Phonen und Phonemen wird das Internationale Phonetische Alphabet verwendet, kurz IPA. Die jeweils aktuelle Version des IPA findet sich auf der Seite der International Phonetics Association unter https://www.internationalphoneticassociation.org/content/full-ipa-chart (zuletzt abgerufen am 10.09.2016).
2. Sprachwandel verstehen und untersuchen
Dieses Kapitel stellt zunächst zentrale Begriffe und Konzepte der Linguistik vor, um anschließend drei wichtige methodische Herangehensweisen der (historischen) Sprachwissenschaft einzuführen: die komparative Methode, Korpuslinguistik sowie Fragebogenstudien und Experimente. Wer bereits über solides linguistisches Grundwissen verfügt, kann Kapitel 2.1.1 getrost überspringen.
2.1 Sprachwandel verstehen
2.1.1 Untersuchungsebenen
In der Beschäftigung mit Sprache unterscheidet man traditionell verschiedene Betrachtungsebenen, die sich mit Nübling et al. (2013) auch als „Schichten“ interpretieren lassen: Phonologie, Morphologie und Syntax bilden in diesem Modell gleichsam den Kern der Sprache. In den äußeren Schichten sind Semantik, Lexik und Pragmatik angesiedelt. All diese Begriffe können sowohl eine Teildisziplin