Humanbiologie. Hynek Burda

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Humanbiologie - Hynek Burda utb basics

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wir bald sehen werden, fand in der Vergangenheit wahrscheinlich eine teilweise Hybridisierung dieser Arten (Arten?) statt. Dies steht im Widerspruch zur orthodoxen Artdefinition („die von anderen Arten reproduktiv isolierte Populationen“) und es könnte als ein Beweis interpretiert werden, dass Neandertaler usw. keine „guten“ Arten seien. Tatsächlich wissen wir heute, dass die teilweise Einkreuzung (Introgression) fremder DNA (oft mitochondrialer DNA) in das Genom einer anderen Art bei Tieren, einschließlich großer Säugetiere, relativ üblich ist – der Artstatus beruht folglich nicht darauf, dass sich Arten nicht kreuzen, sondern dass sie langfristig ihre Identität erhalten, selbst wenn sie sich kreuzen.

      Box 2.5

      Die Zahl der Arten fossiler Menschen: Dmanisi 2013

      Neue Funde aus der Lokalität Dmanisi in Georgien deuten darauf hin, dass im Verlauf der letzten zwei Millionen Jahre auf der Erde nur zwei, dafür aber sehr erfolgreiche Menschenarten gelebt haben – Homo erectus und Homo sapiens. Georgische Funde, ursprünglich als „Homo georgicus“ beschrieben und in den Zeitraum des unteren Pleistozän datiert (ca. 1,8 mya), fungieren als Belege der ältesten menschlichen Besiedlung außerhalb von Afrika. Zum heutigen Tag wurden in Dmanisi fünf Schädel von „H. georgicus“ gefunden.

      Der fünfte Schädel ist außerordentlich bemerkenswert, denn es handelt sich um den einzigen komplett erhaltenen Schädel aus diesem Zeitraum, wobei er in sich die Merkmale gleich mehrerer menschlicher Arten trägt: einen der afrikanischen Art H.habilis entsprechenden kleinen Hirnschädel (nur 546 cm3), massive Zähne wie der afrikanische H.rudolfensis und eine Gesichtsmorphologie, die an den eurasiatischen H.erectus erinnert. In Kombination mit den restlichen vier Schädeln liefert er erstmalig ein Zeugnis über die individuelle morphologische Variabilität einer ausgestorbenen lokalen Population ab. Hätten wir diese fünf Schädel (oder auch nur Einzelteile des fünften Schädels) an diversen Orten Afrikas, auch wenn in gleichaltrigen Schichten, gefunden, hätten wir dazu geneigt, diese Funde unterschiedlichen menschlichen Arten zuzuordnen. Wenn also die Schädel von Dmanisi wirklich nur einer Spezies gehören, dann hat es keinen Sinn, manche der bisherigen menschlichen „Arten“ zu unterscheiden. Nicht nur Homo ergaster und H.georgicus, aber vielleicht auch H.habilis, H.rudolfensis und H.floresiensis würden lokale Populationen von H.erectus darstellen, einer sehr erfolgreichen über zwei Millionen Jahre bestehenden Art, die in Afrika und Eurasien (von Spanien bis nach Indonesien) verbreitet war, und im Rahmen ihrer Verbreitungsareals natürlich sehr variabel.

      Traditionell wird der ostafrikanische Homo habilis (2,3–1,4 mya) für den ältesten und ursprünglichsten echten Menschen gehalten (Abb. 2.7), berühmt vor allem als erster Hersteller und Nutzer der Oldowan-Steinwerkzeuge (Box 2.6, Tab. 2.2, Abb. 2.8). In der Zeit seiner Entdeckung, in den 1960er-Jahren, hatte man allerdings gerade erst begonnen, die reiche Kultur und Technologie des Schimpansen zu erforschen (vergleiche Kapitel 4.1), weshalb die Fähigkeiten von H.habilis heute weniger überraschend wirken. Alle Vorfahren des Menschen benutzten Steinwerkzeuge, genauso wie der gemeinsame Vorfahre von Schimpanse und Mensch. Darüber hinaus zeigte eine Neuanalyse der dem H.habilis zugeschriebenen „Werkzeuge“, dass es sich zumindest bei einigen von ihnen eher um Gastrolithe (Magensteine) von Krokodilen handelt.

      Abb. 2.7: Schädel von Homo habilis. Sein Schädel stellt ein Beispiel für Mosaikevolution dar. Abgeleitete morphologische Merkmale (vergrößertes Gehirn, verkleinerter Gesichtsschädel, Rundung des Hinterhauptbeins) sind mit den für die Gattung Australopithecus typischen Merkmalen kombiniert.

      Abb. 2.8: Typische Steinwerkzeuge der Altsteinzeitkulturen. Chopper (Oldowan), Faustkeile (Acheuléen, Moustérien, Micoquien) und Schaber und Steinspitze (Atérien).

      Box 2.6

      Steinzeitkulturen

      Während die Paläontologie (wörtlich die „Wissenschaft von alten Wesen“) als Grenzwissenschaft zwischen der Geologie und Biologie rein naturwissenschaftlich orientiert ist, beschäftigt sich Archäologie (wörtlich Altertumskunde) als Grenzwissenschaft zwischen Geschichte und Biologie mit der kulturellen Entwicklung der Menschheit. Sie ist eher sozial- als naturwissenschaftlich orientiert. Im Fokus der Archäologie steht ausschließlich der Mensch (Gattung Homo) und hier insbesondere seine kulturellen Artefakte (also materiellen Hinterlassenschaften), wie etwa Werkzeuge, Kunstwerke usw. Daraus ergibt sich, dass die Archäologie einen Zeitabschnitt abdeckt, der „erst“ ca. 2,5 mya begann. Die Nomenklatur der archäologischen Abschnitte, die von den merklichen technologischen Unterschieden in der Werkzeugherstellung bestimmt wird, und die paläontologische Zeiteinteilung sowie die absolute Datierung werden in Tab. 2.2 verglichen. Die früheste Epoche der Menschheitsgeschichte wird durch die Überlieferung von Steinwerkzeugen (vergleiche Abb. 2.8) charakterisiert und entsprechend als Steinzeit bezeichnet. Die Steinzeit wird in drei Abschnitte (Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit), die Altsteinzeit wiederum in drei Perioden unterteilt: Alt-, Mittel- und Jungpaläolithikum (von griech. lithos = Stein). Innerhalb der Perioden unterscheidet man je nach den vorherrschenden Artefakten (Industrien) bzw. Technologien unterschiedliche Kulturen. Diese werden nach dem ersten Fundort genannt. So leitet sich z.B. „Oldowan-Kultur“ von der Olduvai-Schlucht ab.) Die Gliederung und Datierung einzelner Epochen, Perioden und Kulturen ist regional unterschiedlich, die Zeitangaben in Tab. 2.2 sind also nur Orientierungshilfen.

      Als ein typisches Merkmal der Gattung Homo können wir daher nicht die Nutzung der Werkzeuge per se, sondern erst ihre systematische Herstellung betrachten. Die Zuordnung des H.habilis zur Gattung Homo ist vermutlich richtig, sollte jedoch nicht die eher „australopithekoide“ Anatomie und wahrscheinlich auch die Ethologie dieser Art verschleiern (Abb. 2.7). Angesichts der unklaren Stellung der Arten Australopithecus sediba aus Südafrika und Homo rudolfensis (2,5–1,8 mya) aus Ostafrika herrscht jedoch noch Klärungsbedarf. Dass H.habilis nicht der direkte Vorfahre der „Großmenschen“ war, sondern ein verwandter Nebenzweig, zeigt auch die lange Koexistenz von H.habilis und H.ergaster in Ostafrika (Abb. 2.4).

      Die 2010 beschriebene Art H.gautengensis aus Südafrika (von 2 mya bis weniger als 1 mya, also bis in eine Zeit, als in Afrika bereits sehr fortgeschrittene „Großmenschen“ lebten) stellt eine weitere alte, auffällig lange existierende (persistierende), phylogenetisch basale Form des Menschen dar. Sie zeichnete sich durch eine geringe Körpergröße aus und war vermutlich auf feste pflanzliche Nahrung spezialisiert.

      Tab. 2.2: Zeittafel der Steinzeit. Es handelt sich nur um eine Orientierungsübersicht, die Datierung einzelner Kulturen ist regional unterschiedlich. Nicht alle Kulturen sind aufgeführt, und auch nur einige wenige Beispiele für typische Funde werden angegeben. Für die Illustration einiger Werkzeuge siehe Abb. 2.8.

AlterKulturBeispiel der typischen ArtefaktePeriodeEpocheHersteller
EisenzeitH. sapiens
Bronzezeit
JungpaläolithikumKupfersteinzeit
8–3 tyaJungsteinzeit(Neolithikum)
10–6 tyaMittelsteinzeit(Mesolithikum)
18–10 tyaMagdalénien KnochenpfeileAltensteinzeit(Paläolithikum)
21–17 tyaSolutréenNadeln mit Ohr, gravierte Knochen
28–22 tyaGravettienVenusfigurinen
32–26 tyaAurignacienKielkratzer, Stichel aus Feuerstein, Petroglyphen
35–29 tyaChâtelperronienTierplastiken und Höhlenmalerei
82 tyaAtérienflache und ovale Werkzeuge (Blattspitzen)MittelpaläolithikumH. sapiensH. nenaderthalensis
130–70 tyaMicoquienTechnik mit asymmetrischen Faustkeilen
250–35 tyaMoustériensehr fein verarbeitete Werkstücke in zahlreichen,

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