Tatort Bodensee. Eva-Maria Bast
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Читать онлайн книгу Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast страница 33
Gerade noch rechtzeitig legte Horst den Zeigefinger an die Lippen und ließ Claudia einen warnenden Blick zukommen.
Ein eiskaltes Grausen überfiel ihn. Der Brief eines Toten, adressiert an ihn, Horst Meyer. Ein Brief von gestern oder vorgestern, obwohl sie noch vorgestern ausgemacht hatten, sich gestern treffen zu wollen. Doch da war es schon zu spät gewesen! Der Brief stammte von Alex Winter, dem Journalisten, der offenbar mehr gewusst hatte, als seiner Gesundheit zuträglich gewesen war …
Hastig überflog er den mit engem Zeilenabstand in sichtlicher Zeitnot geschriebenen Brief. Danach ließ er die Hand, in der er den Brief gehalten hatte, sinken und atmete tief durch. Claudia schaute ihn betroffen an, sagte aber nichts, sondern ließ ihm Zeit, um das gerade Gelesene zu verarbeiten.
»Na, Herr Meyer, alles klar?« Forschend blickte ihm der Bauer ins Gesicht und schreckte Horst so aus seinen Gedanken.
Ohne auf die Frage einzugehen, nickte er Claudia eine stumme Aufforderung zu und drehte sich um. Nur Sekunden später schoss der Wagen der Meyers mit aufheulendem Motor um die Kurve zurück in Richtung Überlingen, gefolgt von einem verwunderten Kopfschütteln des Stellplatzvermieters. »Leute gibt’s …« Na ja, der sollte bloß noch einmal kommen und irgendwas von ihm wollen! Damit schlurfte der Bauer ins Haus zurück! Und dem Frieder mit seinem Wohnwagen, mit dem würde er auch noch ein Hühnchen zu rupfen haben: also solche Typen, unfreundlich und außerdem noch schlampig – man musste ja bloß an das kaputte Fenster denken – die brauchte der einem nicht mehr anzuschleppen! Nicht auf seinem eigenen Grund und Boden! Sonst war Schluss mit der Wohnwagenherrlichkeit, aber ruckzuck!
Wenige Hundert Meter hinter dem Bauernhof brachte Horst den Wagen wieder zum Stehen. »So ein neugieriges Aas aber auch! Der hätte mir glatt den Brief aus der Hand genommen und hinterher im ganzen Dorf herumerzählt, was da drinsteht!« Mit einer entschiedenen Handbewegung holte er das Handy aus dem Handschuhfach und sah Claudia entschuldigend an. »Tut mir leid, aber jetzt muss ich die Lawine ins Rollen bringen. Okay?«
Claudia nickte. »Verstehe ich! Das muss jetzt schnell gehen! Aber unter einer Bedingung: Ich lasse mich nicht wieder absetzen wie gestern, wie einen nassen Sack! Ich komme mit!«
»Aber …« Doch Horsts Widerspruch wurde schon im Keime erstickt.
»Ich komme mit und damit basta!« Da war nichts mehr zu machen – und ehrlich gesagt – warum denn eigentlich nicht?
Horst tastete nach einem Zettel, der ebenfalls im Handschuhfach deponiert war. »Also gut, abgemacht! Dann sag mir doch gleich mal die Nummer, die auf dem Zettel steht!«
Er tippte die Ziffern, die Claudia ihm nannte, in sein Handy. Dann drückte er die grüne Wähltaste. Es dauerte nur Sekunden, bis sich am anderen Ende der Leitung die Vermittlung der Polizeidirektion Konstanz meldete. »Ihren Chef, bitte, den Herrn Ströbel! Oder seinen Stellvertreter! Und schnell, bitte! Es ist dringend!«
25
Als Horst und Claudia eine knappe Stunde später vor dem Büro des Kiesunternehmens in Gottmadingen eintrafen, erfassten sie mit einem Blick, dass hier schon seit geraumer Zeit ganz offensichtlich die Hölle los war. Die Polizei in Konstanz hatte nach Horsts Gespräch mit Polizeioberrat Ströbel anscheinend blitzschnell reagiert. Ein halbes Dutzend Streifenwagen mit blinkenden Blaulichtern, flankiert von gut noch einmal einem halben Dutzend ziviler Einsatzfahrzeuge, standen kreuz und quer auf der Straße vor der Firma und hatten die Einfahrt zum Bürotrakt der »Bodenseekies« hoffnungslos blockiert.
»Das war aber Maßarbeit!«, murmelte Horst überrascht, nachdem er sich einen ersten Überblick über die Situation verschafft hatte. Er deutete auf uniformierte Polizeibeamte, die, bis unter das Kinn beladen, Hunderte von Aktenordnern aus dem Büro herausschleppten und sie in ihren Fahrzeugen verstauten. »Die scheinen ja einen Staatsanwalt von der ganz fixen Truppe gehabt zu haben, wenn der innerhalb von nicht mal einer Stunde einen Durchsuchungsbefehl unterschreibt und sich die Truppe dann auch schon in Marsch setzt! Donnerwetter!«
Auch Claudia schien beeindruckt. »Donnerwetter! Als wenn sie regelrecht in den Startlöchern gestanden und nur auf deinen Anruf gewartet hätten!«
»Stimmt! Das ist mir als Erstes auch durch den Kopf geschossen, als ich das hier gesehen habe. Also eines wird mir immer klarer: Da stinkt es irgendwo ganz gewaltig und ich fürchte«, damit drehte sich Horst zu Claudia herum und musterte sie ernst, »ich fürchte, der Gestank kommt nicht nur aus dieser Tür heraus!«
Claudia nickte zustimmend. »Da scheinst du recht zu haben. Aber ich bin gespannt, was jetzt als Nächstes passiert!«
Sie erfuhr es augenblicklich: Im selben Moment nämlich stürmte der Preisboxer, der Horst und Protnik gestern Abend nach allen Regeln der Kunst einen Kopf kürzer gemacht hatte, aus der Tür des Bürogebäudes, gefolgt vom inzwischen wohlbekannten Duo Hofer/Schlotterbeck, und musterte die beiden Neuankömmlinge finster.
»Na, da haben Sie schwer etwas losgetreten«, bellte er Horst ins Gesicht, ohne sich auch nur im Geringsten um irgendeine Begrüßungsfloskel zu bemühen. »Ich kann Ihnen sagen: Wenn das alles eine Ente gewesen ist, dann Gnade Ihnen Gott, dann können Sie künftig Mülltonnen leeren oder Gehwege fegen!« Böse glotzte er ihm in die Augen.
»… oder dann doch Bergsteiger auf den Malediven werden!«, murmelte Horst leise vor sich hin.
»Wie? Was werden?«, irritiert stierten die drei anderen in seine Richtung.
Horst hob abwehrend die Arme. »Nichts! Schon gut! Übrigens Claudia«, damit drehte er sich leicht seiner Frau entgegen und wies dann mit einer leichten Handbewegung auf die vor ihm stehenden Beamten, »das hier ist der Herr Ströbel von der Polizeidirektion Konstanz und die beiden anderen Herren sind die Kollegen Hofer und Schlotterbeck.« Er deutete mit einer leichten Bewegung seines Oberkörpers eine Verbeugung an. »Gestatten die Herren, meine Frau, Frau Dr. Meyer!«
Ein leichtes Flackern in Ströbels Augen verriet Horst die Überraschung, die er beim Konstanzer Polizeichef mit dieser Bemerkung hervorgerufen hatte. Doch Ströbel war Profi genug, um sofort wieder zur Tagesordnung übergehen zu können. »Angenehm! Also, Meyer, eines ist Ihnen doch hoffentlich klar: Wenn auch nur …«
Doch weiter kam er nicht. Im selben Moment nämlich wurde die Tür des Bürogebäudes ein weiteres Mal geöffnet und ein untersetzter Endfünfziger mit Froschgesicht, das durch sein knallbuntes grünes Hemd nachdrücklich unterstrichen wurde, kam heraus. »Ströbel! Herr Ströbel! Da stecken Sie also!«
Die Gesprächsrunde drehte sich um. »So, nun kann’s ja losgehen«, zischte Ströbel leise, während er laut erwiderte: »Ja – ich habe hier einen Kollegen begrüßen müssen. Darf ich vorstellen: Herr Dr. Hefter!«
Der so Vorgestellte senkte zur Begrüßung kurz den Kopf und musterte die Fremden mit unverhohlener Neugier, während ein leicht zynisches Lächeln seine Mundwinkel umspielte: »Hefter, Dr. Hubert Hefter. Inhaber der ›Bodenseekies‹. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
Horst schluckte trocken. Der Kerl schien ja mit allen Wassern gewaschen! Nicht die Spur von Aufregung, keinerlei Anzeichen von Nervosität! Was, wenn die Spuren und Hinweise, die Winter in seinem Brief so detailliert aufgelistet hatte, doch ins Leere stießen?! Was, wenn Winter einer absichtlich ausgelegten falschen Fährte gefolgt war, die ein für allemal von den wirklichen Vorkommnissen und den wahren Hintermännern ablenken sollte?! Nein! Horst gab sich innerlich einen Ruck und straffte den Oberkörper: Das durfte einfach nicht sein – wieso hatten sie denn dann auch Alex Winter ermordet? Wenn er sich nicht doch … Nein, Schluss jetzt! »Mein