Der Wolfsmann. Hans-Peter Vogt

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Der Wolfsmann - Hans-Peter Vogt

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anfassen kann. Man kann sie vorsichtig mit den Händen aufnehmen und in die Arme nehmen. Das ist gar nicht so einfach. Die Koordination der Gliedmaßen ist in diesem Alter noch nicht so richtig ausgebildet.

      Die Kinder müssen höllisch vorsichtig sein, um den kleinen Kaninchen nicht weh zu tun, und fallen lassen darf man sie auch nicht.

      Alf hat da große Vorteile. Es ist jetzt nicht so, dass er ganz bewusst in die Tiersprache wechseln kann. Da ist so etwas, wie ein innerer Antrieb, eine innere Steuerung, die ihm hilft, den Kontakt zu den Tieren herzustellen. Auch heute ist das so.

      Er kniet sich einfach vor dem Stall auf den Boden und breitet seine Handflächen aus. Er beginnt, leicht zu summen. Das weitet sich zu einem Art Brabbeln aus, und die kleinen Kaninchen spitzen die Ohren. Die Kaninchenmama kommt auf ihn zu und beschnuppert seine Hände. Dann kriecht das erste Kaninchenjunge auf seine offene Handfläche und kuschelt sich dort in die Kuhle aus Ballen und Fingerspitzen, wie in ein Nest. Alf ist vorsichtig. Er nimmt das Kaninchen nicht hoch. Er lässt es in seiner Handfläche sitzen.

      Schließlich setzt er das Junge vorsichtig wieder ins Stroh zurück.

      Moni, die neben ihm steht, fragt, ob er ihr das Kaninchen einmal geben könne, und Alf sagt in seiner kleinkindlichen Sprache sinngemäß, „ja, schon, aber es ist besser, wenn die Kaninchen erst einmal den Geruch der Mutter in der Nase haben. Wenn wir das machen, dann musst du sehr vorsichtig sein.“

      Die Erzieher kennen schon diese Fähigkeit von Alf, aber selbst Worte, die er gebraucht, die sind altersuntypisch. Alf gibt Moni das Junge vorsichtig in die Arme, und er setzt es später zurück ins Stroh. Er sieht die Erzieher und die Kinder seiner Gruppe mit einem ernsten Rundumblick an und meint. „Wirklich, wir sollten noch ein paar Tage warten. Die Kaninchen sind zu jung.“

      Später spielen sie Kaninchenhüpfen und Fangen, und sie singen ein Kaninchenlied. Zum Frühstück beschließen sie, zusammen zu Aysas Imbiss zu gehen. Zu dieser Tageszeit ist noch nicht viel los in der großen Halle und die Bedienung hat Zeit für die „Knirpse“, wie die Kinder manchmal bezeichnet werden.

      Heute soll zum Frühstück eine Gruppe aus Künstlern kommen, die im Zentrum proben. Es würde ein wunderbarer Vormittag werden.

      An diesem Vormittag wird die Halle unvermutet voll. Es war der letzte Schultag. Es gibt große Ferien, und viele Kids aus Berlin haben sich schon eingefunden. Skater und Musiker, BMX’ler und Musikinteressierte.

      Nach dem Frühstück zieht sich die Kindergruppe in eine der Nischen in der großen Halle zurück.

      Die Straßenkünstler beginnen mit ihrer Vorstellung. Die Kinder kennen sie schon, aber es ist immer wieder interessant, und die Gruppe bezieht die Kinder immer wieder in ihr Spiel ein, manchmal in Zauberkunststückchen, manchmal in Purzelbäume oder Überschläge, Stelzenlaufen oder Ballspiele.

      Auch viele der anderen Kids stehen jetzt um sie herum, lachen, klatschen und wechseln Worte.

      Für die Erzieher wird die Situation langsam unübersichtlich, weil sich Besucher, Akteure und Kinder immer mehr mischen, aber sie sind hier „auf heimischem Boden“, es ist undenkbar, dass hier etwas passieren würde.

       1.7.

      Alf fühlt einen kleinen Stich im Nacken, dann wird er urplötzlich schläfrig. Er spürt noch, wie er von starken Armen aufgefangen wird, und sieht über sich verschwommen das Gesicht eines Clowns.

      Die Menge bekommt gar nicht mit, wie sich dieser Clown herumdreht und mit Alf das Gebäude verlässt. Nach wenigen Schritten hat er einen Teil seines weiten Mantels um Alf geworfen, der unter diesem Tuch verschwindet. Alf wird in ein Auto getragen, das sich in Bewegung setzt und aus Berlin hinausfährt.

      Alfs Verschwinden wird erst zehn Minuten später entdeckt, als einem der Akteure auffällt, dass eines der Kinder fehlt. Er sieht sich um, dann geht er zu einem der Erzieher und stupst ihn an.

      „Ruf doch mal deine Kids zusammen. Ich habe den Eindruck, da fehlt jemand.“

      Drei Kinder und eine Erzieherin fehlen. Die Erzieherin und zwei der Kinder kommen aber bald zurück. Sie sind auf dem Klo gewesen. In diesem Alter dauert das manchmal ein wenig länger. Alf fehlt.

      Das ist ungewöhnlich. Alf entfernt sich zwar manchmal aus der Kindergruppe, aber er war ermahnt worden, sich abzumelden, wie alle Kinder, und er tut das auch.

      Die Suche wird ausgeweitet und eine der Bedienungen von Aysas Imbiss findet jetzt ein zusammengeknülltes Papier im Abfalleimer für Gemüseabfälle, das dort nicht hingehört. Sie will es schon in den Papiermüll stecken, da faltet sie das Papier, wie aus einer Art innerem Antrieb auseinander, und runzelt die Stirn.

      Dort steht in ausgeschnittenen bunten Lettern: „Alf ist weg. Das kostet euch 100 Millionen.“

      Sie bringt den Zettel sofort zu Senay und die schaltet schnell. „Keine weiteren Fingerabdrücke“, bestimmt sie, und greift zum Telefon.

       1.8.

      Fünf Minuten später steht Elvira neben ihr, und lässt sich die Situation erklären. Sie nickt. Sie alarmiert Rochen und die Sicherheitsabteilung.

      Rochen lässt sich das Papier mit einer Pinzette in ein Plastiksäckchen stecken, und alarmiert die Polizei.

      Dann werden die Kinder, die Erzieher, die Zuschauer und die Akteure befragt. Niemand hat etwas gesehen.

      Rochen geht hinüber in den Videoüberwachungsraum und lässt die Bänder zurücklaufen. Auf einem der Bänder ist zu sehen, wie ein ungewöhnlich unförmiger Clown das Gebäude in Richtung der Parkplätze verlässt. Da es keine Außenkameras gibt, gibt es dort keine weiteren Bilder.

      Als die Kripo eintrifft, werden weitere Befragungen und Ermittlungen vorgenommen, dann verabschiedet sich Elvira. Sie hat jetzt ein paar dringende Gespräche zu führen.

      Das ist nun etwas, wobei sie die Beobachtung der Polizei nicht gebrauchen kann. Elvira nimmt Kontakt zu den Leitern der großen Mafiaorganisationen in Berlin auf, zu den Chinesen, den Kroaten, den Italienern, den Russen und den Serben.

      „Ich nehme nicht an, dass ihr mit dieser Entführung etwas zu tun habt“, sagt sie, und ich bitte euch, dass ihr eure Augen und Ohren offen haltet. Ich will mein Kind heil und gesund wiederhaben. Der Entführer hat 100 Millionen verlangt. Wenn ihr dafür sorgt, dass Alf wieder nach Hause kommt, dann werden eure Informanten einen sehr schönen Urlaub verbringen können, das verspreche ich euch.“

      Diesmal schlüpft Elvira in die Köpfe der Mafiabosse. Sie sind nicht involviert. Sie wissen wirklich nichts.

      Noch bevor der Polizeiapparat richtig auf Touren kommt, arbeiten schon die Mafiaorganisationen, und auch Rochens Sicherheitsgruppe an der Lösung des Problems.

      Elvira versucht über ihre Energie den Kontakt zu ihrem Sohn herzustellen. Sie fühlt, dass er lebt und dass es ihm gut geht.

      Sie nimmt Kontakt zu ihrer Tante Chénoa und zu ihrer Cousine Solveig auf, die beide über diese gewaltigen Fähigkeiten verfügen, Energieströme zu versenden, aber auch die schütteln den Kopf.

      Sie spüren, dass es dem Kind gut geht, aber wo Alf ist, das finden sie nicht heraus.

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