21/12/12 - Der Sommer der Schwalbe und die Maya Apokalypse. Hans-Peter Vogt
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Er arbeitete in einem Mainzer Versicherungsbüro, das, wie so oft, auch mit anderen Dingen handelte, Obligationen, Anlagen, Wertpapieren.
Er hatte schnell gelernt, wo das wirklich große Geld herkommt.
Er konnte mit solchen Papieren in seiner Freizeit aber nicht so einfach handeln, ohne dass dies seinem Chef aufgefallen wäre. Nicht sofort, aber vielleicht in einigen Monaten. Er fühlte sich in seinem Fortkommen behindert.
Als er dann erstmals 2008 von diesem möglichen Ereignis hörte, diesem angenommenen Supergau, der laut Maya Kalender am 21.12.2012 geschehen sollte, da hörte er erst gar nicht hin.
Es war die Zeit, in der die Welt gerade in die nächste Bankenkrise schlidderte.
Er beobachtete das. Er sah, dass viele Menschen ihr gesamtes Vermögen verloren. Er sah, wie sich die Staatsregierungen wandten, wie die Schlangen, um am Ende viele Milliarden an Unterstützungsgeldern zu verschenken.
Karl-Heinz Fischer lachte sich einen Wolf über dieses Husarenstück. Heimlich und bloß nicht offen.
In diesen Tagen beschloss er, richtig groß abzusahnen. Wenn etwas raus kommen würde, dann würde er sich Schlupfwinkel suchen. Wenn die Welt tatsächlich untergeht, was soll’s, aber daran dachte er nicht im Ernst. Es war nur im Hinterkopf, als eine Art letzter Antrieb, um endlich in die Grauzone einzutauchen.
Karl-Heinz Fischer kannte sich aus im Insolvenzrecht und in Betriebswirtschaft. Er hatte Kontakte nach England, und gründete dort jetzt eine Firma mit dem Namen Money Booker Ltd., unter dem Namen eines Freundes in Birmingham, mit Sitz in London. Tatsächlich war das nur eine Briefkastenfirma.
In Luxemburg gründete er eine zweite Firma, die Fine Finance Ltd. Die Londoner Firma gehörte der Fine Finance zu einhundert Prozent.
Ohne Internetseite ging nichts, aber das war ein Kinderspiel.
Er sprach fließend englisch und französisch, weil die Mutter ursprünglich aus Toulouse stammte. Also wurde die Internetseite dreisprachig konzipiert, unter dem Namen der englischen Firma Money Booker.
Dann hörte er sich um, machte Papiere und Anlagen ausfindig, griff sein Erbe an, schloss mit drei Telefonmarketetingfirmen in England, Frankreich und Deutschland Kontrakte, und schickte sie ins Rennen.
In diesen Tagen war es nicht klug, in amerikanischem Grundbesitz zu investieren, aber es gab anderes. Industrieerwartungsland mit tatsächlichen oder behaupteten Bodenschätzen. Man musste solche Projekte nur richtig verkaufen, mit ordentlichen Argumenten und notfalls mit Hochglanzmappen und prächtigen Gewinnerwartungsversprechen, und man musste mit den Ängsten und der Gier der Menschen spielen.
Er schaffte sich falsche Visitenkarten an und begann abends und an den Wochenenden Klinken zu putzen. Nicht wahllos.
Er erhielt die Adressen von den Telefonmarketing-Leuten und wählte alles aus der Liste weg, was zu nah an seinem Wohnsitz lag. Leider fiel dadurch der Mainzer und Wiesbadener Markt zunächst aus. Dort gab es viel Geld.
Er konzentrierte sich auf Nord- und Süddeutschland, Elsass Lothringen, Belgien und Holland. Er entwarf eine Hochglanzbroschüre, dann eine Zweite und eine Dritte.
Er entwarf eine erfundene Vita und erfundene Erfolgsstatistiken. Er trat nie unter eigenem Namen auf und arbeitete nur von Zuhause aus. Kontakte in England machte er nur über Telefon und Email.
Das System war einfach. Er würde das Geld auf der Bank bunkern, nach einem Jahr angebliche Zinsen von 20-30 Prozent auszahlen, weitere Anlagegelder entgegennehmen und dann die Firma urplötzlich auflösen. Inzwischen würde er genug Kunden haben, so dass sich ein großes Vermögen angehäuft hätte. Den Freund in Birmingham würde er bereits nach zwei Monaten an der Spitze der Scheinfirma auswechseln, durch einen weiteren Strohmann. In seiner eigenen Bekanntschaft wollte er weitgehend Sauberkeit.
2.
Das Internet bot genug Recherchemöglichkeiten, um scheinbar lukrative Geschäfte aufzutun. Das Geschäft lief an. Vielfach nannte er nicht einmal die angeblichen Adressen, sondern er gab Blindpapiere als Anteilsscheine aus. Papiere, die in mehrere Fonds gleichzeitig investierten. Seinen Kunden verkaufte er das als Sicherheit. Kommen ein oder zwei Projekte nicht gleich ins Laufen, ziehen bereits die anderen acht oder zehn. Das ist optimale Sicherheit, um Gewinne sicher zu generieren. Natürlich gab es Kleingedrucktes in grauer Schrift auf hellgrauem Grund. Man konnte das nicht ernsthaft lesen ohne Lupe, und wollte es auch nicht. Da die Verträge in englisch abgefasst waren, hatten die deutschen, französischen, belgischen und holländischen Kunden ohnehin damit ihre Probleme.
Im Sommer 2010 hatte er schon so viel Geld angehäuft, dass er seine Stellung in dem Mainzer Büro kündigte.
Er würde noch ein Jahr so weitermachen und nicht einen Monat länger. Die zufriedenen Kunden würden ihm weitere Gierhälse bringen. Nichts ist so überzeugend, wie eine 30-prozentige Gewinnausschüttung nach nur einem Jahr.
3.
Karl-Heinz Fischer verlegte jetzt seinen Wohnsitz nach Liechtenstein und hatte jetzt Zeit, auch unter der Woche Geschäftstermine wahrzunehmen. Er erweiterte seinen Radius nach Nordfrankreich und Dänemark. Er erhielt Kunden aus den USA.
Das Geld wurde auf einem Konto in der Schweiz und in Luxemburg gebunkert, auf dem Umweg über eine Londoner Bank.
Dann gründete Karl-Heinz Fischer noch eine dritte Firma, völlig unverfänglich auf den Namen Trade Unity Ltd. mit Sitz in Monaco und begann die Gelder in bar abzuheben und in Monaco einzuzahlen.
Auch das war nur ein Zwischenstadium.
Falls die Welt nicht untergehen sollte, und davon ging er aus, würde er nach Amerika auswandern.
4.
Karl-Heinz Fischer war vorsichtig. Eins machte ihm Sorge. Über die IP Nummer seines Computers war er stets auffindbar, und auch über den Server war es möglich, ihn aufzufinden. In England gab es zwar einen Computer, der rund um die Uhr lief, und Nachrichten automatisch an ihn weiterleitete, aber das war nur ein kleiner Schutzwall.
Tatsächlich begannen in diesem Jahr mehrere Anteilseigner ihre Gelder zurückzurufen, und im Februar 2011 machte Karl Heinz Fischer Schluss. Er löste die englische Firma auf. Den Geschäftsführer hatte er schon zuvor entlassen.
Dann transferierte er alle Gelder aus seiner Luxemburger Firma, löste sie ebenfalls auf, löste seine Wohnung im Mainzer Vorort Finthen auf und zog nach Graz, dann nach Mailand und dann nach Liechtenstein, alles in kürzester Zeit, um Spuren zu verwischen.
Dann eröffnete er ein weiteres Konto in der Schweiz und in L.A., transferierte den größten Teil in die Schweiz und 2 Millionen in die USA, verließ seine Wohnung, ohne den Wohnsitz aufzulösen, und flog in die USA.
Er wusste, dass die Behörden ihm folgen würden. Er würde noch einige Winkelzüge machen müssen.
Wenn tatsächlich die Welt am 21.12.2012 untergehen würde, dann würde er nie gefunden werden. Wenn nicht? Nun. Er würde jetzt erst einmal reisen und er hatte sich längst zwei falsche Pässe besorgt. So schnell würden sie ihn nicht finden.
So war Karl-Heinz Fischer jetzt unterwegs. Er lernte Mädchen kennen und er vergaß sie wieder. Er verfügte über genug Geld, um plötzlich und unerwartet seine Koffer