Hat China schon gewonnen?. Kishore Mahbubani
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Im November 2018 hielt Paulson auf einer Konferenz in Singapur eine wütende Rede, in der er gut darlegte, warum das Ausland so enttäuscht darüber ist, dass sich China hinter WTO-Regeln versteckt, die für arme Entwicklungsländer gedacht waren:
17 Jahre nach dem Beitritt zur WTO hat China seine Wirtschaft in so vielen Bereichen noch immer nicht für die ausländische Konkurrenz geöffnet. Es hält an Anforderungen für Gemeinschaftsunternehmen und Beschränkungen für ausländischen Besitz fest. Und es setzt technische Standards, Tochterunternehmen, Lizenzvergaben und Regulierung als nichttarifliche Hemmnisse bei Handel und Investitionen fest. Fast 20 Jahre nach dem Beitritt zur WTO ist das schlicht inakzeptabel. Aus diesem Grund hat die Regierung Trump erklärt, das WTO-System müsse modernisiert und verändert werden. Und ich stimme zu.29
Anschließend erklärte er, warum sich die amerikanische Geschäftswelt gegen China wandte:
Wie kann es sein, dass diejenigen, die China am besten kennen, dort arbeiten, dort Geschäfte machen, dort Geld verdienen und sich in der Vergangenheit für ein fruchtbares Verhältnis eingesetzt haben, jetzt zu denen gehören, die für mehr Konfrontation plädieren? Die Antwort findet sich in der Geschichte der abgewürgten Wettbewerbspolitik und dem langsamen Tempo der Öffnung, die sich seit fast zwei Jahrzehnten hinzieht. Das hat der amerikanischen Unternehmerschaft den Mut genommen und sie fragmentiert. Und es hat den negativen Stimmungsumschwung in der Politik und bei unseren Fachleuten verstärkt. Kurzum: Auch wenn weiterhin viele amerikanische Unternehmen in China prosperieren, hat eine wachsende Zahl von Unternehmen die Hoffnung aufgegeben, dass es jemals gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle geben wird. Einige haben sich auf den faustischen Handel eingelassen, den Gewinn pro Aktie heute zu maximieren, während man gleichzeitig unter Einschränkungen agiert, die die künftige Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Aber das heißt nicht, dass sie damit glücklich sind.
Noch vernichtender fiel Paulsons Urteil aus, als er darüber sprach, dass Chinas Unternehmen im Ausland bessere Wettbewerbsbedingungen vorfänden als diejenigen, die China ausländischen Firmen anbiete:
Gleichzeitig dürfen chinesische Firmen in anderen Ländern auf eine Art und Weise agieren, die ausländischen Firmen in China selbst nicht möglich ist. Das verschlimmert die grundlegenden Spannungen. Und deshalb glaube ich, dass Chinas Handeln und seine fehlende Öffnung zu dieser stärker auf Konfrontation ausgelegten Haltung in den Vereinigten Staaten beigetragen haben. […] Nicht nur, dass ausländische Technologien transferiert und geistig verarbeitet werden. Sie werden so umgearbeitet, dass ausländische Technologien im Rahmen eines Indigenisierungsprozesses zu chinesischen Technologien werden, den viele der multinationalen CEOs, mit denen ich spreche, als ausgesprochen ungerecht gegenüber den Erfindern und Schwärmern im Herzen ihrer Unternehmen empfinden.
Sollte Chinas größter strategischer Fehler in seinem Verhältnis zu Amerika darin bestanden haben, auf unnötige und unkluge Weise die amerikanische Geschäftswelt (und bis zu einem gewissen Grad auch die globale Geschäftswelt) vor den Kopf gestoßen zu haben, hätte das Ganze zumindest auch einen positiven Aspekt: Es handelt sich um einen strategischen Fehler, der korrigiert werden kann. Es sollte China möglich sein, den guten Willen und das Vertrauen der globalen Geschäftswelt zurückzugewinnen.
Bevor China allerdings mit einer neuen Initiative die globale Geschäftswelt rekultiviert, sollte es zunächst analysieren, warum und wie es einen derart grundlegenden Fehler begehen konnte. Beim internen Aufarbeiten der begangenen Fehler muss die chinesische Regierung gnadenlos aufrichtig sein und darf auch vor heiklen Themen nicht zurückscheuen.
Hier ist so ein Thema: Viele chinesische Funktionäre sind mit marxistischer Literatur und deren Ablegern vertraut. Derartige Literatur enthält viele abfällige Ansichten über Geschäftsleute. Von Lenin stammt die berühmte Aussage, Geschäftsleute würden für einen Gewinn sogar den Strick verkaufen, mit dem sie später aufgeknüpft werden. Nebenbei bemerkt habe ich das übrigens im echten Leben erlebt: Als ich von 1973 bis 1974 in Kambodscha diente, war die dortige Regierung proamerikanisch eingestellt und wurde vom amerikanischen Militär unterstützt. Das amerikanische Militär ließ für hohe Kosten Artilleriegeschosse einfliegen, die für die Verteidigung der Hauptstadt Phnom Penh vorgesehen waren. Die korrupten Generäle der proamerikanischen Regierung veräußerten diese Geschosse allerdings sofort an Mittelsmänner, die diese weiter an die Roten Khmer verkauften, obwohl diese Artilleriegeschosse dann auf die Stadt abgefeuert wurden und das Leben der Angehörigen dieser proamerikanischen Generäle gefährdeten. Kurzum: Es stimmt, dass viele Geschäftsleute opportunistisch und korrupt sein können.30
Es wäre ein schwerer Fehler der chinesischen Regierung, eine derart eindimensional leninistische Sicht auf die Geschäftswelt zu haben. Zwingt man Geschäftsleute zu einer Vereinbarung – und sei es auch eine Vereinbarung, die für sie von Vorteil ist –, werden sie im Herzen tiefen Groll gegen die chinesischen Beamten hegen, die sie zu derartigen Verträgen genötigt haben. Das gilt auch dann, wenn alles streng nach Gesetz abläuft. Der ehemalige Weltbank-Ökonom Yukon Huang, der mehrere Jahre in China gearbeitet hat, sagt, dass es gemäß der WTO-Bestimmungen absolut rechtens ist, wenn ein Entwicklungsland wie China als Vorbedingung für Investitionen im eigenen Land um einen Technologietransfer bittet: „Gemäß den WTO-Vereinbarungen zu geistigem Eigentum stehen Industrienationen ‚in der Pflicht‘, ihren Unternehmen Anreize dafür zu liefern, Technologie in weniger hoch entwickelte Nationen zu transferieren.“31
Aber selbst wenn es zutrifft, dass Chinas Forderungen rechtlich in Ordnung und legitim waren, kann es dennoch sein, dass sich ausländische Unternehmen unfair unter Druck gesetzt fühlten. Hätten sie sich geweigert, Vereinbarungen zum Technologietransfer zu unterzeichnen, wäre ihnen der Zugang zum großen chinesischen Markt versperrt geblieben. Weil sie sich diesen Zugang aber bewahren wollten, hatten die Geschäftsleute das Gefühl, keine andere Wahl zu haben – sie mussten einem Technologietransfer zustimmen. Für einige ranghohe chinesische Funktionäre mag es tatsächlich eine Überraschung sein, zu hören, dass in der westlichen Geschäftswelt Unzufriedenheit herrscht. Wann immer China ein hochkarätig besetztes Forum organisiert und die CEOs großer westlicher Geschäftswelten einlädt, kommen sie jedes Mal. Ich habe selbst an einigen dieser Treffen teilgenommen. Im März 2019 kam eine erstaunlich einflussreiche Gruppe westlicher CEOs sowie westlicher Ökonomen und Journalisten zum China Development Forum nach Peking. Zu den Teilnehmern zählten bekannte Namen wie Ray Dalio, der einen der größten Hedgefonds Amerikas leitet, Steve Schwarzman, CEO und Chairman der Blackstone Group, der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und der Financial Times-Kolumnist Martin Wolf.
Glücklicherweise waren mit Bob Rubin und Larry Summers auch zwei bekannte ehemalige amerikanische Finanzminister eingeladen. Sie beide sprachen offen über die Herausforderungen, denen sich amerikanische Geschäftsleute beim Umgang mit China stellen müssen.
Summers sagte, es gebe „beträchtliche Missverständnisse zwischen den Vereinigten Staaten und China“. Diese Missverständnisse seien „möglicherweise die Folge politischer Schritte und diese Missverständnisse bergen sehr substanzielle Risiken“. Er fügte hinzu: „Die Vereinigten Staaten haben berechtigte Bedenken, was Chinas Handelsgebaren in einer Reihe von Bereichen anbelangt – von geistigem Eigentum bis hin zu Joint-Venture-Bestimmungen und deren Folgen für das Teilen von Informationstechnologie.“ Er räumte allerdings auch ein: „Es gibt keine verlässliche Berechnung, wonach das BIP der USA selbst dann mehr als ein Prozent größer wäre, hätte China in wirtschaftlicher Hinsicht sämtlichen Wünschen Amerikas nachgegeben.“
Einige Äußerungen, die Summers in Peking traf, mögen für seine chinesischen Gastgeber sehr unbequem gewesen sein, aber er vermittelte Peking ein klares Signal: Nur weil die VIPs der Weltwirtschaft ungebrochen bereit sind, an hochkarätig besetzten Foren in China teilzunehmen, sollten die Chinesen das nicht dahingehend