Hat China schon gewonnen?. Kishore Mahbubani

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Hat China schon gewonnen? - Kishore Mahbubani

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Treffen in China teilnehmen, haben es in ihren Unternehmen möglicherweise mit verstimmten Kollegen zu tun, die dauerhaft unglücklich über die Geschäftsbedingungen in China sind. Aus diesem Grund wäre es für China klug, auf hoher Ebene eine politische Entscheidung zu treffen und große Anstrengungen zu unternehmen, das Vertrauen und das Wohlwollen der westlichen Geschäftswelt zurückzugewinnen, natürlich auch der amerikanischen Geschäftswelt.

      China ist ein gewaltiges Land. Chinas Kommunistische Partei ist stark und herrscht effektiv, dennoch wird es China nicht leichtfallen, über Nacht Gewohnheiten und Gepflogenheiten von über 100 Millionen Beamten zu verändern, die auf die eine oder andere Weise mit ausländischen Unternehmen zu tun hatten. Viele Systeme und Prozesse, Gewohnheiten und kulturellen Aspekte sind seit Jahrzehnten fester Bestandteil des gewaltigen Regierungssystems des Landes. Es wäre völlig unrealistisch zu glauben, man könne all diese etablierten Abläufe und Sitten auf einen Schlag ändern.

      Damit das gewaltige chinesische System eine Kehrtwende einlegen kann, müssen die Chinesen zunächst eine weitreichende philosophische Entscheidung treffen, gefolgt von einigen innovativen praktischen Schritten. China muss sich einigen harten Fragen stellen: Was führte dazu, dass ein großes Land wie China durch kleinere westliche Mächte ein Jahrhundert der Erniedrigung erlitt? Vom Jahr 1 bis zum Jahr 1820 lag die chinesische Wirtschaft auf Augenhöhe mit dem Rest der Welt. Wie konnte sie dann derart zurückfallen? Warum haben die klugen Köpfe am Hofe des chinesischen Kaisers nicht erkannt, dass sich die Welt dramatisch gewandelt hatte?

      Hauptursache für die gewaltige Blindheit der chinesischen Staatsdiener im 19. Jahrhundert war die enorme philosophische These, China als großes, sich selbst genügendes Reich der Mitte müsse sich nicht auf die Welt einlassen. China habe alles, was es benötige, beschied Chinas Kaiser Qianlong dem britischen Gesandten Lord Macartney. Den Rest der Welt benötige es nicht.

      Das schmerzhafte Jahrhundert der Erniedrigung brachte China schließlich dazu, sich zu öffnen. Deng traf diese Entscheidung aus pragmatischen Gründen heraus und die Öffnung funktionierte: Chinas Wirtschaft boomte. Dennoch stellt sich die Frage: Erachten die Chinesen diese Öffnung als vorübergehende Maßnahme für den Zeitraum, bis China wieder stark ist? Hegen sie den Wunsch, eines Tages zu ihrer „Reich der Mitte“-Mentalität zurückzukehren und Handel mit der Welt zu betreiben, sich kulturell dabei aber abzukapseln?

      Als China Mauern errichtete und nicht mehr mit dem Rest der Welt kommunizierte, fiel es zurück. Als China sich der Welt öffnete, blühte es auf. Um seinen Erfolg auch langfristig zu garantieren, sollte China seine 2.000 Jahre alte „Wir sind das Reich der Mitte“-Mentalität komplett abstreifen und beschließen, beim wirtschaftlichen Austausch mit dem Rest der Welt zur offensten aller Gesellschaften zu werden. Nur ein derartiges großes Umdenken würde es den chinesischen Staatsdienern ermöglichen, ausländischen Unternehmen, auch jenen aus Amerika, den roten Teppich auszurollen.

      Mehrere führende amerikanische Politiker, darunter der ehemalige Präsidentschaftskandidat Marco Rubio, haben einen Gesetzentwurf angeschoben, der chinesische Investitionen in Amerika und den Transfer amerikanischer Technologie nach China beschneiden soll. Rubio hat sich zudem wiederholt hetzerisch über China geäußert:

      China hat die Welt in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu dem Glauben verleitet, es werde die auf Regeln basierende internationale Ordnung annehmen und ein verantwortungsbewusster Akteur werden. […] Jetzt versucht China erneut, die Welt hinters Licht zu führen, indem es ausländische Regierungen dazu verlockt, sich der „Belt & Road“-Initiative anzuschließen. Dazu werden ihnen üppige Versprechungen im Hinblick auf chinesische Investitionen in ihre Infrastrukturprojekte gemacht.32

      Es wäre absolut natürlich, wenn chinesische Entscheider auf derart provokante Äußerungen genauso emotional reagierten. Es wäre allerdings auch unklug und würde vielen chinesischen Strategiegeboten zuwiderlaufen, die predigen, gelassen auf Provokationen zu reagieren. Sun Tzu beispielsweise empfiehlt: „Erwarte diszipliniert und ruhig, dass sich Unruhe und Wirrwarr beim Feinde breitmachen – dies ist die Kunst, die Selbstbeherrschung zu bewahren.“ Auch diese Fabel von Äsop enthält einen Ratschlag, der China von Nutzen sein kann:

      Einst stritten sich Sonne und Wind darüber, wer von ihnen beiden der Stärkere sei. Und man ward sich einig: Derjenige solle dafür gelten, der einen Wanderer, den sie eben vor sich sahen, am ehesten nötigen würde, seinen Mantel abzulegen.

      Sogleich begann der Wind zu stürmen; Regen und Hagelschauer unterstützten ihn. Der arme Wanderer jammerte und zagte; aber auch immer fester und fester wickelte er sich in seinen Mantel ein und setzte seinen Weg fort, so gut er konnte.

      Jetzt kam die Reihe an die Sonne. Senkrecht und kraftvoll ließ sie ihre Strahlen herabfallen. Himmel und Erde wurden heiter; die Lüfte erwärmten sich. Der Wanderer vermochte nicht länger den Mantel auf seinen Schultern zu erdulden. Er warf ihn ab und erquickte sich im Schatten eines Baumes, indes die Sonne sich ihres Sieges erfreute.

      Zehnmal sicherer wirken Milde und Freundlichkeit als Ungestüm und Strenge.33

      Selbstverständlich wird die chinesische Regierung dem Volk ausführlich erläutern müssen, warum China seine Grenzen für mehr ausländische Unternehmen (inklusive jener aus Amerika) öffnet, wo doch chinesische Unternehmen in ausländischen Märkten verstärkt über Schwierigkeiten berichten, und das insbesondere aus Amerika. Der zentrale Punkt hier: Dem chinesischen Volk muss klar werden, dass es für Chinas strategische Langzeitinteressen vorteilhaft wäre, wenn das Land seine Wirtschaft weiter öffnete, ungeachtet dessen, dass die Regierung Trump höhere Hürden für ausländische Unternehmen aufgeworfen hat, die in Amerika investieren oder dort ihre Produkte verkaufen wollen. Mit der Zeit werden mehr Länder mehr Handel mit China betreiben als mit Amerika und dort mehr investieren als in Amerika. In vielerlei Hinsicht ist das bereits heute der Fall. Die Zahl der Nationen, die stärker Handel mit China als mit Amerika betreiben, liegt bei über 100. Und der Trend wird sich fortsetzen. Chinas Anbindung an die Weltwirtschaft ist zwar im Sinken begriffen, aber ein Bericht von McKinsey vom Juli 2019 wirft ein Schlaglicht darauf, wie die Anbindung der Welt an China spürbar zunimmt, was „Chinas wachsende Bedeutung als Markt, Lieferant und Kapitalgeber widerspiegelt“.34

      Betreiben mehr Länder mehr Handel mit China, wird dieser Prozess China unter dem Strich einen großen strategischen Vorteil verschaffen. Viele Vertreter der Regierung Trump glauben offen oder insgeheim, Chinas Wirtschaftswachstum lasse sich am besten verlangsamen, indem man die Volkswirtschaften von China und Amerika Schritt für Schritt voneinander abkoppelt. Doch Bemühungen Amerikas, sich von China abzukoppeln, könnten durchaus dazu führen, dass sich Amerika von der Welt abkoppelt. MIT-Präsident L. Rafael Reif sagte: „Wenn wir als Reaktion auf Chinas Ambitionen nichts weiter unternehmen, als die Tür doppelt zu versperren, werden wir uns nach meinem Dafürhalten in der Mittelmäßigkeit einschließen.“35 Was er damit sagen möchte, sollte China gut nachvollziehen können. Als China sich vor der Welt zurückzog, schloss es sich in der Mittelmäßigkeit ein. Aus diesem Grund sollte China seine „Wir sind das Reich der Mitte“-Philosophie aufgeben und sich stattdessen stärker auf die Welt einlassen.

      Ein Umdenken in der Philosophie muss mit praktischen Schritten einhergehen, die ein günstigeres Klima für ausländische Unternehmen in China erschaffen. Die chinesische Regierung könnte entsprechende Direktiven erlassen, aber obwohl China ein gut regiertes Land ist, wäre es ein Fehler, sich einzig auf Erlasse von oberster Stelle zu verlassen. Wichtiger ist, was vor Ort geschieht oder, um einen amerikanischen Ausdruck zu zitieren, dort, „wo der Reifen die Straße berührt“. Der Schlüssel liegt in der Umsetzung.

      Was die effektive Umsetzung von Anweisungen zur Steigerung der Investitionen anbelangt, kann China durchaus noch von anderen Ländern lernen. Zum Beispiel könnte es sich einiges bei Singapur abschauen, dessen Economic Development Board (EDB) erfolgreicher als jede andere Behörde weltweit in der Unternehmensförderung ist. Es ist schlichtweg

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