Hat China schon gewonnen?. Kishore Mahbubani
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Heute sind wir stark. Keine Macht kann China erniedrigen. Wir befinden uns auf dem Weg zu einer nationalen Verjüngung. Bei der Eröffnung des 19. Parteitags der KPCh inspirierte Genosse Xi uns mit seiner Erinnerung: „Das Hauptthema dieses Parteitags lautet: Die ursprüngliche Zielvorstellung im Kopf behalten, die Mission beherzigen, das große Banner des Sozialismus chinesischer Prägung hochhalten, den entscheidenden Sieg der umfassenden Vollendung des Aufbaus einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand erringen, um große Siege des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter kämpfen und ununterbrochen nach Verwirklichung des chinesischen Traums des großartigen Wiederauflebens der chinesischen Nation streben.“16
Dennoch sehen wir uns jetzt der größten Herausforderung auf dem Weg zu Chinas Verjüngung ausgesetzt. Wir hatten gehofft, dass das „schöne Land“ weiterschlafen würde, während China aufsteigt. [Anm. d. Übers.: Auf Mandarin heißt Amerika meiguo (
Es wäre ein gewaltiger strategischer Fehler, die großen Stärken Amerikas zu unterschätzen. Das chinesische Volk fürchtet Chaos. Es ist die eine Kraft, die China in der Vergangenheit in die Knie gezwungen hat und großes Leid über das chinesische Volk brachte. Ganz offenkundig erleidet Amerika derzeit Chaos. Präsident Donald Trump war eine polarisierende und spaltende Persönlichkeit. Seit dem Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 war die amerikanische Gesellschaft niemals derart gespalten.
Chaos sollte ein Zeichen von Schwäche sein, doch für Amerika ist es ein Zeichen von Stärke. Das Chaos ist die Folge davon, dass die Menschen lautstark darüber streiten, welche Richtung Amerika einschlagen sollte. Dass die Menschen so laut streiten, liegt daran, dass sie glauben, das Land gehöre ihnen und nicht der Regierung. Dieses Besitzgefühl sorgt beim amerikanischen Volk für ein gewaltiges Maß an individueller Befähigung. Die chinesische Kultur schätzt gesellschaftliche Harmonie höher als die Befähigung des Einzelnen. In Amerikas Kultur ist es genau andersherum.
Dieses Gefühl der individuellen Befähigung hat es der amerikanischen Gesellschaft erlaubt, einige der mächtigsten Personen auf dem Planeten Erde hervorzubringen. In vielen Gesellschaften wird der Nagel, der hervorsteht, flach gehämmert. Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Ein hoher Baum steht im Wind“ (shù dà zhāo fēng,
Selbst Mark Zuckerberg und Elon Musk werden weiterhin bewundert, obwohl doch ihre Unternehmen Facebook beziehungsweise Tesla viel Kritik einstecken müssen. Wenn es darum geht, starke Individuen hervorzubringen, verfügt keine Gesellschaft über ein dermaßen förderliches Klima wie Amerika.
Diese große Stärke Amerikas kann unsere Gesellschaft nicht kopieren. Dass sich China nach 100 Jahren wieder erhoben hat, liegt an einer alles überragenden Figur wie Mao Zedong. Amerikas Gesellschaft bringt viele Mao Zedongs hervor.
Amerikas zweiter großer strategischer Vorteil besteht darin, dass das Land Zugriff auf die klügsten Köpfe der Menschheit hat. Mit 1,4 Milliarden Menschen ist Chinas Bevölkerung viermal so groß wie Amerikas, theoretisch kann sich China also aus einem größeren Pool an Talenten bedienen als Amerika. Doch wie Lee Kuan Yew so klug anmerkte, verfügt Amerika über die Fähigkeit, die besten Talente aus der ganzen Welt anzulocken. Anders als die meisten Länder akzeptiert Amerika im Ausland geborene Menschen bereitwillig, wenn diese in Amerika erfolgreich sind. Das ist der Grund, warum in den vergangenen Jahren viele große Unternehmen Chefs hatten, die zwar amerikanische Staatsbürger waren, aber nicht in den USA geboren sind, beispielsweise Indra Nooyi von PepsiCo, Sundar Pichai von Google, Satya Nadella von Microsoft und Andy Grove von Intel. Es ist kein Nachteil, im Ausland geboren zu sein. Ganz anders die Situation in China: Keine größere chinesische Firma oder Institution wird von einer nicht in China geborenen Person geführt.
Amerikas dritter großer strategischer Vorteil sind seine starken Institutionen. Amerika glaubt an die Befähigung des Einzelnen und ermutigt dazu, aber es verlässt sich nicht auf starke individuelle Anführer, sondern darauf, dass starke Institutionen die Gesellschaft schützen. Es war wirklich brillant von den Gründern der amerikanischen Republik, eine Verfassung mit dem System von Checks and Balances zu entwerfen. Präsident und Kongress werden demokratisch gewählt und besitzen viel Macht, aber ihr Handeln wird von anderen Institutionen beobachtet, etwa den freiesten Medien der Welt und dem Obersten Gerichtshof. Als der Oberste Gerichtshof erklärte, das Einreiseverbot, das Präsident Donald Trump gegen Muslime verhängte, verstoße gegen die Verfassung, konnte Trump nicht mithilfe des Militärs das Oberste Gericht stürzen (wie es viele Präsidenten in vielen anderen Ländern getan haben). In Amerika ist die Rechtsstaatlichkeit stärker als die jeweils amtierende Regierung.
Die Stärke der amerikanischen Institutionen und der Rechtstaatlichkeit erklären, warum die ganze Welt dem amerikanischen Dollar vertraut. Auf diesem Glauben an den US-Dollar beruht sein Status als primäre globale Leitwährung. Auf diese Weise kommt Amerika in den Genuss des „exorbitanten Privilegs“, zum Finanzieren seiner Haushaltsdefizite und Leistungsbilanzdefizite einfach Geld drucken zu können. In den vergangenen Jahren hat Amerika darüber hinaus den Dollar als mächtige Waffe dafür eingesetzt, andere Länder zu sanktionieren oder unter Druck zu setzen. China verfügt über keine derartige Waffe.
Unsere Wirtschaft war früher nur ein Zehntel so groß wie die amerikanische. Inzwischen sind es über 60 Prozent.17 Unser Land betriebt mehr Handel mit dem Rest der Welt als Amerika. Wir haben einen Anteil von 10,22 Prozent an den globalen Gesamtimporten und 12,77 Prozent an den globalen Gesamtexporten, während der Anteil der USA an den globalen Importen 13,37 Prozent und an den globalen Exporten 8,72 Prozent beträgt.18,19 Betrachtet man hingegen die globalen Handelstransaktionen, entfallen noch immer 41,27 Prozent aller Transaktionen auf den Dollar, während der Renminbi (RMB) 0,98 Prozent ausmacht.20
Warum ist das so? Weil Länder und wohlhabende Personen an den Dollar glauben. Der Renminbi kann den Dollar bei globalen finanziellen Transaktionen nicht ablösen, denn dazu müssten wir den Renminbi zu einer frei konvertierbaren Währung machen. Dieser Schritt ist auf absehbare Zeit für unsere Volkswirtschaft nicht zu realisieren, insofern wird der Dollar noch auf viele Jahrzehnte hinaus die wichtigste globale Währung darstellen.
Amerikas vierter großer strategischer Vorteil besteht darin, dass das Land über die besten Universitäten der Welt verfügt. In der langen Geschichte der Menschheit waren die erfolgreichsten Gesellschaften stets jene, die unterschiedliche Gedankenschulen gefördert haben.
In Chinas kreativster Periode entstanden viele Gedankenschulen gleichzeitig – Konfuzianismus, Taoismus, Legalismus. Heute ist Amerika weltweit führend, wenn es darum geht, unterschiedliche Ansichten zu fördern. Amerikas Universitäten haben die stärksten intellektuellen Ökosysteme der Welt erschaffen. Diese Kultur, althergebrachtes Wissen infrage zu stellen und zu kritisieren, fördert wiederum Kreativität und Innovation. Auf einem Gebiet nach dem anderen bringt Amerika aus diesem Grund mehr Nobelpreisträger hervor als jedes andere Land. In den 1980er-Jahren gab es eine Phase, da schien es, als ob Japan wirtschaftlich