Wer macht was im Gottesdienst?. Liborius Olaf Lumma

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Wer macht was im Gottesdienst? - Liborius Olaf Lumma

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an dieser Stelle ergeben sich erste Konsequenzen für die Praxis. Eine Versammlung, die das Amen nicht aktiv übernimmt, kann auch nicht die Verantwortung tragen, die ihr liturgisch zukommt. Das geschieht natürlich meistens nicht aus Boshaftigkeit oder bewusster Verweigerung, sondern aus Unkenntnis. (Dass es Menschen gibt, die wegen Krankheit, Gebrechlichkeit oder fehlender Sprachkenntnisse nicht aktiv und laut zustimmen können, ist ohnehin klar; darum geht es hier natürlich nicht.) Es zeigt sich, wie dringlich eines der Anliegen ist, die das Konzil ganz nach oben auf die Tagesordnung der katholischen Kirche gesetzt hat: liturgische Bildung, und zwar liturgische Bildung aller, nicht nur der Hauptamtlichen. Für liturgische Bildung sind theoretische Kenntnisse hilfreich, aber noch entscheidender ist das, was man heutzutage best practice nennt: Die katholische Kirche braucht dringend Orte, an denen Liturgie in sachgerechter Gestaltung erlebt und dabei zugleich erlernt werden kann. Die Theorie braucht man dann nur noch, um die Sache besser zu verstehen, aber nicht, um sie überhaupt zu verstehen. Dieses grundlegende Verstehen geschieht ohnehin nicht rational, sondern durch das Miterleben und Sich-Hineinbegeben in die Würde der Versammlung als Trägerin der Liturgie.

      Ein weiterer Aspekt: Ein Liturgievorsteher, der das Amen selbst spricht, handelt gegenüber der Versammlung übergriffig (so wie die Vereinsvorsitzende, die bei der Entlastung des Vorstands schnell noch ihre Stimme in die Wahlurne wirft, in der Hoffnung, dass das niemandem auffällt). Natürlich hat auch das oft praktische Gründe und ist gut gemeint – der Vorsteher will den Menschen helfen, an der richtigen Stelle das Richtige zu sagen –, aber es läuft langfristig darauf hinaus, die Versammlung zur Zuschauerin zu degradieren, anstatt sie als Trägerin der Liturgie und damit als Kirche ernst zu nehmen. Haupt- und Ehrenamtliche stehen hier vor einem unlösbaren Problem, denn oft müssen sie Gottesdienste leiten, in denen nur sehr wenige oder gar keine Mitfeiernden ihre Rolle kennen und aktiv ausfüllen, zum Beispiel bei Taufen, Trauungen oder Begräbnissen. Das muss man dann irgendwie praktisch regeln und versucht es vielleicht mit eingeschobenen kommentierenden Anleitungen, mit der Produktion von Liturgieheften, aus denen der gesamte Ablauf hervorgeht, oder mit radikaler Vereinfachung des gesamten Rituals. Wie man es auch tut: Immer wird das Bild von Bühne und Publikum verstärkt, wahlweise auch von Lehrer und Schülern oder von Mächtigen und Machtlosen. Die Liturgie wird unweigerlich den Charakter einer Belehrung bekommen, sie wird dem alltäglichen Leben als Fremdkörper gegenüberstehen, anstatt das Leben symbolisch zu deuten und ihm eine Zielrichtung zu geben.

       Liturgie: eine Sache für Eingeweihte

      Es führt kein Weg an diesem Dilemma vorbei: Katholische Liturgie im Sinne des Konzils verlangt kompetente Individuen. Sie ist für „Eingeweihte“ konzipiert, wird aber in großem Umfang von „Nichteingeweihten“ gefeiert.

      Hier ist wieder ein Hinweis auf das frühe Christentum hilfreich. Auch wenn es intolerant oder jedenfalls nicht besonders integrativ erscheinen mag: Das Christentum der ersten Jahrhunderte hatte gute Gründe, zu bestimmten liturgischen Vollzügen nur getaufte Vollmitglieder der Kirche zuzulassen. Zu anderen Teilen der Liturgie waren auch erwachsene Taufbewerber zugelassen, zu wieder anderen Teilen auch Gäste. (Diese Praxis wird mit dem Fachbegriff Arkandisziplin bezeichnet.) Die Versammlung der Kirche handelte nicht anders als es die Jahreshauptversammlung eines Vereins tut, wenn sie Nicht-Mitglieder und die Presse von einer vertraulichen Aussprache über interne Dinge ausschließt. Die Liturgie ist gewissermaßen die interne vertrauliche Angelegenheit der Kirche, denn dort tritt sie in Dialog mit Gott und konstituiert sich selbst als Versammlung vor Gott.

      Liturgie mit „Nichteingeweihten“ – ganz gleich ob sie formal Mitglieder der Kirche sind oder nicht – ist eine gewaltige Herausforderung für die heutige kirchliche Arbeit und für die theologische Reflexion über die Liturgie. Ein allgemein akzeptierter praktischer Lösungsweg für die Liturgiegestaltung in solchen Fällen ist nicht in Sicht.

      Eine kleine Randbemerkung: Die Eucharistiefeier der byzantinischen Tradition – die vor allem für das orthodoxe Christentum prägend ist – hat ein Detail aus der Zeit der oben beschriebenen Arkandisziplin bewahrt. An der Stelle der Eucharistiefeier, an der in der Mitte des 1. Jahrtausends die Ungetauften den Kirchenraum verlassen mussten, steht bis heute der Ruf die Türen, die Türen. Es galt aufzupassen, dass niemand Unbefugtes mehr in der Versammlung anwesend war oder sie betrat. Es kann auch heute nicht-orthodoxen Besuchern einer orthodoxen Liturgie passieren, dass sie ab diesem Zeitpunkt auf spezielle Besucherplätze verwiesen werden. Oft wird man aber auch als Gast weiter willkommen geheißen, der Ruf die Türen, die Türen ist dann ein reines Zeremoniell ohne praktische Bedeutung.

       Ich-Gebete

      Gelegentlich erlebt man Liturgievorsteher, die ein liturgisches Gebet in der Ich-Form vortragen. Das ist der sicherste Hinweis darauf, dass der Vorsteher vom liturgischen Buch abgewichen ist und den dort vorgesehenen Gebetstext nicht verbessert, sondern verschlechtert hat. Solche Ich-Gebete setzen die Versammlung von der Trägerin der Liturgie zur Zuschauerin eines Bühnenauftritts herab.

       Actuosa participatio

      Das Zweite Vatikanische Konzil verwendet bei der Beschreibung der Liturgie immer wieder den Ausdruck tätige Teilnahme, lateinisch actuosa participatio, manchmal auch erweitert zu voller, tätiger und einer Gemeinschaft angemessener Teilnahme (plena, actuosa et communitatis propria participatio). Damit ist nicht gemeint, dass jeder Mitfeiernde etwas Individuelles zu tun bekommt, sondern dass alle die ihnen in der Liturgie zukommende Rolle sachgerecht und bewusst ausfüllen. Die wichtigste dieser Rollen ist die Versammlung selbst!

      Damit actuosa participatio (oft auch in vertauschter Wortreihenfolge participatio actuosa) gelingen kann, braucht es laut dem Konzil vor allem zwei Dinge: erstens liturgische Bildung und zweitens eine Liturgiegestaltung, die schon aus sich selbst heraus einen passenden Rahmen für actuosa participatio schafft – das war der entscheidende Grund für die vom Konzil beschlossene Liturgiereform. Alle Überlegungen in diesem Buch sollen zeigen, wie die katholische Liturgie, so wie sie heute ist, sachgerecht, das heißt im Sinne einer Versammlung und im Sinne der participatio actuosa konkretisiert werden kann.

      Ein für die katholische Kirche prägendes Phänomen bedarf einer näheren Betrachtung, nämlich die Weihe einzelner Personen zu bestimmten Ämtern, während andere Ämter keine Weihe verlangen. Was hat es mit diesem Unterschied auf sich, ist er überhaupt sinnvoll, und welche Rolle spielt die Weihe für die Liturgie?

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