Wer macht was im Gottesdienst?. Liborius Olaf Lumma

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Wer macht was im Gottesdienst? - Liborius Olaf Lumma

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Machtstrukturen legitimieren und verfestigen. Aus dieser Perspektive ist es umso auffälliger, dass die katholische Kirche bestimmte Rollen – und zwar gerade die machtvollen – ausschließlich Männern zuweist, und umso größer ist der Reformdruck, der auf die Liturgie ausgeübt wird, sobald in ihr Strukturen von Macht identifiziert werden.

      Ich möchte in diesem Buch zeigen, dass liturgische Rollen, wenn man sie richtig versteht und sachgerecht ausfüllt, eigentlich viel weniger mit Macht zu tun haben als es auf den ersten Blick scheint. Einen ersten, und zwar ökumenischen Aspekt gebe ich an dieser Stelle bereits zu bedenken: Es gibt christliche Kirchen – etwa die anglikanische und die altkatholische –, die in ihrer rechtlichen Struktur anders verfasst sind als die katholische Kirche. Sie lassen Frauen zu allen kirchlichen Ämtern zu, ihre Amtsträger dürfen weitreichende Entscheidungen nur im Zusammenspiel mit synodalen (also „parlamentarischen“) Gremien treffen und einiges mehr. Dennoch kennen diese Kirchen dieselben liturgischen Rollen wie die katholische Kirche. Nimmt eine Katholikin an einem anglikanischen oder altkatholischen Gottesdienst teil, wird sie sich problemlos zurechtfinden. Die Kirchenbauten folgen denselben Grundmustern, die Handlungen in der Liturgie sind nach demselben Schema auf verschiedene Personen aufgeteilt, die Strukturelemente des Rituals stimmen weitgehend überein, sogar die vorgetragenen Bibeltexte sind an vielen Tagen miteinander identisch.

      Würde die katholische Kirche kurz nach Erscheinen dieses Buches Frauen zu allen Ämtern zulassen, würde sie auf allen Ebenen entscheidungsberechtigte Synoden einführen, würde sie kirchliche Gerichte installieren, die von Papst und Bischöfen unabhängig urteilen, so könnte dieses Buch doch bleiben, wie es ist. Dieses Buch muss erst dann aktualisiert werden, wenn sich die Liturgie der Kirche selbst ändert. Ob solche Änderungen vom Papst als mächtigster Einzelperson oder in Zukunft vielleicht von regionalen Kirchensynoden ausgehen, ist dafür unerheblich. Für die liturgische Rolle des Bischofs, des Presbyters und des Diakons ist es unerheblich, ob Bischöfe, Presbyter und Diakone männlich oder weiblich sind.

      Würden also kurz nach Erscheinen dieses Buches katholische Bischöfinnen, Presbyterinnen und Diakoninnen ihr Amt antreten, so hätten sie in der Liturgie dieselben Rollen wahrzunehmen wie ihre männlichen Pendants. Auch die für dieses Buch grundlegenden Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–65) zur Theologie der Liturgie werden ihre Gültigkeit und Verbindlichkeit behalten. In diesem Punkt darf ich mit meinem Buchmanuskript also recht entspannt in die Zukunft blicken und davon ausgehen, dass es noch für längere Zeit auf die katholische Liturgie anwendbar bleibt, selbst wenn sich in der rechtlichen Struktur der katholischen Kirche kurzfristig etwas ändern sollte.

       Liturgie und Drehbuch

      Damit ist schon ein anderes wichtiges Thema berührt: Liturgie ist geordnet. Sie folgt einem Drehbuch, das zwar nicht alle, aber doch sehr viele Einzelheiten festlegt, zum Beispiel die Abfolge der einzelnen Elemente der Eucharistiefeier, die Farben der zu tragenden Gewänder, die Texte der vorzutragenden Gebete und Bibellesungen, welche Teile des Rituals der Diakon durchführt, wie man vorgehen soll, wenn kein Diakon zur Verfügung steht, wer wann die Arme ausbreitet und Ähnliches.

      Ein solches Drehbuch heißt in der kirchlichen Sprache liturgisches Buch, wobei es liturgische Bücher mittlerweile natürlich schon längst auch in digitaler Form gibt, ganz ohne Papier und ohne Umblättern. Für die Herausgabe liturgischer Bücher ist in der katholischen Kirche in der Regel der Papst verantwortlich; so hat es das Zweite Vatikanische Konzil bestätigt. Liturgische Bücher der katholischen Kirche sind in lateinischer Sprache verfasst, z.B. das Missale Romanum für die Eucharistiefeier (Messe) oder die Liturgia Horarum für die Tagzeitenliturgie (Stundengebet). Für die Übersetzungen in unterschiedliche Volkssprachen – im Deutschen handelt es sich um das Messbuch und das Stundenbuch – und für inhaltliche Anpassungen nach dem Bedarf einzelner Länder sind die Bischöfe des jeweiligen Sprachgebietes verantwortlich, aber auch dies nur mit Zustimmung des Papstes. Die Wort-Gottes-Feier, um die es in diesem Buch ebenfalls gehen wird, ist hingegen keine vom Papst geordnete Liturgie, sie fällt von vornherein in die Zuständigkeit der Bischöfe: Auch diese Variante ist vom Konzil vorgesehen worden.

      Während die liturgischen Bücher vor dem Konzil so viele Details festlegten, dass es für die Versammelten fast gar keinen Gestaltungsspielraum mehr gab, sind die Bücher, die nach dem Konzil erschienen sind, mit einer Fülle von Auswahl- und Variationsmöglichkeiten versehen. Davon wird in diesem Buch immer wieder die Rede sein, besonders in Kapitel 15.

      Was die Detailliertheit ihrer liturgischen Ordnung angeht, nimmt die katholische Liturgie heute eine Mittelstellung unter den christlichen Liturgien ein:

      Liturgien der Ostkirchen sind ausgesprochen kleinschrittig festgelegt. Gerade ihre Einheitlichkeit und Wiedererkennbarkeit sind ein besonderes Merkmal ostkirchlicher Identität, Theologie und Spiritualität. Variationen bestehen vor allem darin, dass in kleineren Gemeinden, in räumlichen Provisorien oder unter anderen besonderen Umständen manche liturgischen Elemente entfallen können, die in Klöstern oder großen Kathedralen nie fehlen. (An dieser Stelle bringe ich kurz den Hinweis unter, dass auch in der katholischen Kirche ostkirchliche Liturgien beheimatet sind, nämlich in Form der katholischen Ostkirchen. Für dieses Buch spielen sie keine Rolle, hier geht es nur um jene Variante des Katholizismus, die wir römisch-katholisch nennen und die die bei Weitem häufigste ist.)

      Kirchen der Reformation können durchaus detailliert ausgearbeitete liturgische Bücher haben, diese werden aber heutzutage eher als Vorschläge und Gestaltungshilfen verstanden, ohne den Anspruch, dass man sich exakt an sie halten müsse.

       Drehbuch, Gestaltungsfreiheit – und wieder Macht

      Nun gibt es in der katholischen Kirche sehr unterschiedliche Zugänge zu den eigenen liturgischen Büchern. Eine „liberale“ Richtung möchte sich nicht auf diese Bücher verpflichten lassen, jedenfalls nicht in jedem Detail. Neue theologische Erkenntnisse sollen demnach auch in der Liturgie zeitnah umgesetzt werden dürfen, selbst wenn das liturgische Buch dafür keinen Raum gibt und mit einer Neuherausgabe des Buches vorerst nicht zu rechnen ist. Dasselbe gilt für die Berücksichtigung tagesaktueller Ereignisse des Weltgeschehens, besonderer emotionaler Situationen der Anwesenden und so weiter. Sprachliche Formulierungen in den liturgischen Büchern, die sich als missverständlich erwiesen haben, solle man austauschen. Überhaupt müsse der sprachliche Stil jeweils an die versammelten Personen angepasst werden. Symbole, die nicht verstanden werden, sollten durch andere ersetzt werden. Einzelne Aufgaben sollen anders auf die Personen aufgeteilt werden. Spontaneität und Individualität sollen insgesamt mehr Raum erhalten.

      Dem steht eine „konservative“ Richtung gegenüber, die darauf pocht, dass die Regeln der liturgischen Bücher eingehalten werden sollen. Dieser Richtung geht es nicht um Spontaneität und Emotionalität, sondern um Stabilität und Objektivität. Inhalte, Ausdrucksformen, Symbole, Gesänge der Liturgie entfalten sich demnach umso mehr, je einheitlicher sie täglich, wöchentlich oder jährlich wiederholt werden. Wiederholung und Wiedererkennbarkeit bewirken demnach Vertiefung und Intensivierung. Der besondere Wert der Liturgie liegt gerade darin, dass sie unabhängig von persönlichen Stimmungslagen ist, wie sie ist. Mehr noch: Das Selbstverständnis der Menschen soll durch die Liturgie geprägt werden und nicht umgekehrt.

      Die von mir in Anführungszeichen gesetzten Bezeichnungen „liberal“ und „konservativ“ deuten es schon an: Viele empfinden den „liberalen“ Zugang als denjenigen, der dem Drang des Menschen nach Individualität und Freiheit besser entspricht. Formalistische Strenge und rituelle Detailvorschriften wollen nicht recht zum Menschen der Gegenwart, aber auch nicht zum Christentum passen (siehe z.B. Mk 2,23–27).

      Das

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