Öffentliches Recht im Überblick. Volker M. Haug
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aa) Rechtssetzungsfunktion
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Für gewöhnlich gehört die Rechtssetzung zum Kernbestand parlamentarischer Aufgaben, weil das Parlament als Hauptorgan der gesetzgebenden Gewalt (Legislative) gilt. Das EP war jedoch zunächst lange Zeit ein bloßes Beratungsorgan ohne Entscheidungskompetenzen, bis sich in den Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Lissabon viel getan hat. Deshalb stellt Art. 14 I 1 EUV das EP heute als Mitgesetzgeber auf die Stufe des traditionell in der Gesetzgebung starken (Minister-)Rates.[11]
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Allerdings ist noch nicht alles Gold, was glänzt: Die Rechtssetzungsfunktion des EP unterliegt – jedenfalls bei formaler Betrachtung – nach wie vor Einschränkungen. So verfügt es nur über ein beschränktes Initiativrecht, indem es nicht selbst ein Rechtssetzungsverfahren einleiten kann. Es kann nur die Kommission dazu auffordern, was diese aber (mit Begründungspflicht) auch ablehnen kann (Art. 225 AEUV). Außerdem ist es nur dann und soweit an der Gesetzgebung beteiligt, wie dies primärrechtlich vorgesehen ist. Im politischen Prozess hat es sich jedoch mittlerweile eine dem Rat (weitgegend) ebenbürtige Stellung erkämpft, weshalb es auch bei formal schwächerer Stellung durch informelle Instrumente starken Einfluss nimmt.
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Abbildung 13:
Stufen der Mitwirkung des EP bei der Rechtssetzung
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– | Der (Minister-)Rat kann in vielen Bereichen ohne jede Beteiligung des Parlaments Beschlüsse fassen. Dies gilt in 90 Fällen,[12] so z.B. bei Beschlüssen über Wahlen und Zusammensetzungen anderer Organe, bei internationalen Übereinkünften oder bei der Festsetzung der Sätze des gemeinsamen Außenzolltarifs und bei der Zulässigkeit von Subventionen.[13] Allerdings hat sich in diesen Fällen regelmäßig eine „fakultative Anhörung“ auf freiwilliger Basis eingebürgert, durch die das Parlament faktisch auf Augenhöhe mit dem Rat agiert. |
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– | In einer Reihe weiterer Themenfelder liegt die Rechtssetzung ebenfalls noch allein beim (Minister-)Rat, wobei das EP zumindest über (obligatorische) Anhörungsrechte zu beteiligen ist (46 Fälle, z.B. Art. 48 III UA 1 EUV: Vertragsänderungen). Ein Unterlassen einer solchen obligatorischen Anhörung hat die Nichtigkeit des betroffenen Rechtsaktes zur Folge (vgl. Art. 263 UA 2 AEUV). |
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– | Schon deutlich stärker ist die (formale) Rolle des EP, wenn seine Zustimmung zu einem Rechtsakt erforderlich ist. Dies gilt für 21 Fälle, so z.B. beim Beitritt neuer Mitglieder zur EU (Art. 49 UA 1 EUV). |
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– | Die stärkste Beteiligungsform des EP liegt vor, wenn ihm ein Mitentscheidungsrecht (neben dem Ministerrat) eingeräumt ist. So verhält es sich beim sog. „Ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ gem. Art. 289 I, 294 AEUV (s.u., Rn. 217 ff.), das für zunehmend viele Kompetenzgebiete der EU gilt (derzeit 80 Fälle). Beim sog. „Besonderen Gesetzgebungsverfahren“ gem. Art. 289 II AEUV kann das EP sogar für die Verabschiedung eines Rechtsaktes – allerdings unter (zustimmender) Beteiligung des (Minister-)Rates – allein zuständig sein, was jedoch nur geringe praktische Bedeutung hat (nur 3 Fälle, die das EP selbst betreffen, z.B. Art. 223 II AEUV).[14] |
bb) Budgetfunktion
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Auch die klassische Ur-Kompetenz eines Parlaments, die gerne als „Königsrecht“ bezeichnete Haushaltsbewilligung, war lange Zeit eine Domäne des (Minister-)Rates. Seit Lissabon jedoch ist das EP gemeinsam mit dem (Minister-)Rat an der Haushaltsgesetzgebung im Rahmen eines in Art. 314 AEUV detailliert geregelten Verfahrens beteiligt:
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Abbildung 14:
Verfahren der Haushaltsaufstellung (EU)
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– | Die Kommission legt den Haushaltsentwurf dem (Minister-)Rat und dem EP vor, zu dem der (Minister-)Rat binnen eines Monats seinen Standpunkt definiert und begründet. |
– | Das EP hat nun die Wahl, binnen 42 Tagen den Standpunkt des (Minister-)Rates ausdrücklich zu billigen oder dazu zu schweigen; in diesen Fällen ist der Haushaltsplan erlassen. Es kann aber auch innerhalb der genannten Frist Änderungen verlangen. Wenn der (Minister-)Rat nicht innerhalb von zehn Tagen alle Änderungswünsche des EP akzeptiert, wird der von EP und (Minister-)Rat paritätisch besetzte Vermittlungsausschuss angerufen. |
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– | Dieser Vermittlungsausschuss soll nun binnen drei Wochen eine Einigung herbeiführen; gelingt dies, haben EP und (Minister-)Rat zwei Wochen Zeit, das Ergebnis beiderseitig zu akzeptieren. Wenn keines der beiden Organe dagegen votiert, ist der Haushalt in der Form der Einigung zustande gekommen. Wendet sich nur der (Minister-)Rat dagegen, obwohl das Parlament die Einigung gebilligt hat, kann sich das Parlament in den Streitfragen mit einer 3/5-Mehrheit durchsetzen. |
– | In allen übrigen Fällen – wenn schon keine Einigung im Vermittlungsausschuss zustande kommt oder das EP gegen das Vermittlungsergebnis votiert – muss die Kommission einen neuen Haushaltsentwurf vorlegen. |
cc) Kreationsfunktion
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Während in parlamentarischen Demokratien das Parlament die Regierung wählt, ist es in Präsidialdemokratien i.d.R. auf Zustimmungsrechte beschränkt. Die EU hat insofern ein Mischmodell: Die Präsidentin der Kommission (die als Chefin der „Exekutive“ eine partielle Ähnlichkeit