Öffentliches Recht im Überblick. Volker M. Haug
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Die Kommissionsmitglieder müssen „aufgrund ihrer allgemeinen Befähigung und ihres Einsatzes für Europa […] die volle Gewähr für ihre Unabhängigkeit bieten“ (Art. 17 III UA 2 EUV). Sie dürfen auch keine Weisungen entgegennehmen oder einholen, insbesondere nicht von Ihrem entsendenden Heimatstaat (Art. 17 III UA 3 EUV). Diese wohlklingenden Sätze kontrastieren etwas mit der politischen Wirklichkeit, wonach es nach wie vor die nationalen Regierungen sind, die im Wesentlichen über die Person „ihres“ jeweiligen Kommissars entscheiden. Denn die Kommission wird (mit Ausnahme ihrer Präsidentin, die einzeln auf Vorschlag des Europäischen Rates vom EP gewählt wird) vom (Minister-)Rat auf der Basis von Vorschlägen der einzelnen Mitgliedstaaten zusammengestellt und – nach einer Kollektivbilligung durch das EP – für die Dauer von fünf Jahren ernannt (Art. 17 III UA 1, VII EUV).
aa) Exekutivfunktionen
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Zu den zahlreichen Exekutivaufgaben der Kommission gehören gem. Art. 17 I EUV
– | die Durchsetzung der Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten (dazu nachfolgende Rn.), |
– | die Aufstellung und der Vollzug des EU-Haushaltsplans (Art. 314, 317 ff. AEUV), |
– | die Verwaltung der vielfältigen Förder- oder Aktionsprogramme der Union (etwa in den Bereichen Forschung oder Umwelt) oder |
– | Aufgaben der direkten Gemeinschaftsverwaltung etwa bei den Gemeinschaftsfonds im Agrar- und Strukturbereich oder in der Verkehrs-, Wettbewerbs- und Agrarpolitik.[35] |
bb) „Hüterin der Verträge“ (Kontrolle)
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Das EU-Recht wird in aller Regel nicht durch die EU selbst, sondern durch die einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt und angewendet (Art. 291 AEUV). Der Kommission kommt dabei die Aufgabe zu, diese Umsetzung und Anwendung des Unionsrechts seitens der Mitgliedstaaten zu überwachen (Art. 17 I 3 EUV). Verstößt ein Staat gegen das Unionsrecht, leitet die Kommission ein sog. Vertragsverletzungsverfahren gegen den betreffenden Staat ein, das sie bis zum EuGH betreiben kann (Art. 258 AEUV). Dabei handelt es sich keineswegs um eine seltene Ausnahme – so waren Ende 2018 insgesamt 1571 solche Vertragsverletzungsverfahren anhängig.[36]
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Dies kann je nach Schwere und Dauer der Vertragsverletzung für die betroffenen Staaten teuer werden. Denn nach Art. 260 II, III AEUV kann der EuGH auf Antrag der Kommission Zwangsgelder und Pauschalbeträge verhängen. Das Zwangsgeld beträgt täglich 3.116 €, multipliziert mit einem Faktor von 1 bis 20 je nach Schwere des Verstoßes, nochmals multipliziert mit einem Faktor von 1 bis 3 je nach Dauer des Verstoßes und ein drittes Mal multipliziert mit einem Länderfaktor, der vom Bruttoinlandsprodukt und der Zahl der EP-Abgeordneten des jeweiligen Landes abhängig ist und zwischen 0,07 (Malta) und 4,62 (Deutschland) liegt.[37] Damit liegt der Tagessatz eines solchen Zwangsgeldes für Deutschland zwischen 14.395,92 € und 863.755,20 €.
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Einen besonderen Schwerpunkt der Kontrolltätigkeit der Kommission bildet dabei die Sicherstellung fairer Handels- und Wirtschaftsbedingungen innerhalb des gemeinsamen Marktes. Dieser Auftrag richtet sich zum einen wiederum gegen die Mitgliedstaaten, deren Subventionsvergaben von der Kommission überprüft und an den Maßstäben der Art. 107 ff. AEUV gemessen werden (Art. 108 I AEUV). Danach sind solche Subventionen (im EU-deutsch: „Beihilfen“) unzulässig, die den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Art. 107 I AEUV) und nicht durch eine der Ausnahmen (z.B. Förderung strukturschwacher Gebiete, Art. 107 III lit. a AEUV) gedeckt sind (s.u., Rn. 1117 f.). Verstößt eine mitgliedstaatlich gewährte Subvention dagegen, verlangt die Kommission von dem betroffenen Staat die Rückforderung der Subvention (Art. 108 II AEUV).
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Zum anderen bezieht sich die Wirtschaftskontrolltätigkeit der Kommission auch auf die einzelnen Unternehmen, die im gemeinsamen Markt tätig sind. Treffen Unternehmen entgegen Art. 101 f. AEUV wettbewerbsbehindernde Absprachen oder missbrauchen sie eine marktbeherrschende Stellung, hat die Kommission entsprechende Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse mit Zwangsgeldern und Geldbußen (Art. 103, 105 AEUV). So hat die Kommission beispielsweise im Jahr 2013 eine Geldbuße von 561 Mio. € gegen Microsoft festgesetzt, weil der Konzern seinen Kunden keine freie Browser-Wahl ermöglicht hat.[38] Am höchsten waren bisher die Strafen für Google; 2017 musste das Unternehmen wegen eines wettbewerbswidrigen Preisvergleichsdienstes 2,42 Mrd. € bezahlen und 2018 sogar 4,34 Mrd. € wegen rechtswidriger Einschränkungen beim Smartphone-System Android.[39]
cc) Rechtssetzung
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Trotz ihrer Fokussierung auf exekutive Aufgaben hat die Kommission ein weitgehendes Alleinstellungsmerkmal im EU-Gesetzgebungsverfahren, nämlich das Initiativmonopol (Art. 17 II EUV). Danach ist – von wenigen Ausnahmen in den Verträgen abgesehen – allein die Kommission dazu berechtigt, den beiden Legislativorganen (EP und Rat) Gesetzgebungsvorschläge zu unterbreiten. Für den Haushaltsplan ist dieses Initiativmonopol in Art. 314 II AEUV verankert. Nicht einmal die beiden Organe selbst haben ein unmittelbares Initiativrecht, sondern können nur die Kommission zur Unterbreitung des Vorschlags auffordern, was diese aber mit Begründungspflicht ablehnen kann (Art. 225, 241 AEUV).
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Daneben hat die Kommission auch eigene Rechtssetzungskompetenzen. So können EP und (Minister-)Rat in Gesetzgebungsakten die Kommission zur delegierten Rechtssetzung ermächtigen; dabei müssen Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer dieser Delegation im Einzelnen festgelegt sein (Art. 290 AEUV; s.u. Rn. 205 ff.). Daneben gibt es einige (wenige) vertragliche Direktermächtigungen wie in Art. 106 III AEUV.
dd) Außenvertretung
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Des Weiteren liegt bei der Kommission der Schwerpunkt der operativen Außenpolitik der Union, was vor allem durch das im Lissabon-Vertrag geschaffene Amt des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zum Ausdruck kommt (Art. 17 I S. 6, 18 IV 3 EUV). So führt in der Regel die Kommission die Verhandlungen über Verträge mit Drittstaaten und internationalen Organisationen. Davon unberührt bleibt die Abschlusskompetenz des (Minister-)Rates für solche Verträge und dessen stärker strategisch ausgerichtete Koordinierungsfunktion der EU-Außenpolitik (s.o., Rn. 142).
c) Regierungsähnlicher