Öffentliches Recht im Überblick. Volker M. Haug
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Dem Rechnungshof gehört pro Mitgliedstaat ein Mitglied an (Art. 286 I AEUV). Die Mitglieder müssen – idealerweise durch eine Tätigkeit an einem nationalen Rechnungshof – eine besondere Eignung aufweisen und werden vom (Minister-)Rat auf der Grundlage von Vorschlägen der jeweiligen nationalen Regierungen und nach Anhörung des EP für die Dauer von sechs Jahren (mit Wiederwahlmöglichkeit) ausgewählt (Art. 286 II AEUV).
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Die zentrale Aufgabe des Rechnungshofs ist die Rechnungsprüfung bei grundsätzlich allen Organen und Einrichtungen der EU, worüber der Rechnungshof einen jährlichen Tätigkeitsbericht – vor allem über entdeckte Mängel – vorlegt (Art. 287 I, IV AEUV). Die Prüftätigkeit des Rechnungshofs umfasst die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit aller Einnahmen und Ausgaben sowie die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung (Art. 287 II AEUV). Die Rechnungshofmitglieder sind allein auf das Wohl der EU verpflichtet und genießen volle Unabhängigkeit (Art. 285 UA 1 AEUV).
9. Problem Demokratiedefizit
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Angesichts der weitreichenden Aufgabenfelder der EU (s. Rn. 208 ff.), die teilweise weit und in hoheitlicher Weise in die Rechtssphäre des einzelnen Bürgers hineinwirken können, stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation der Gesamtorganisation der EU. Denn trotz eines prominenten Bekenntnisses der EU zum Demokratieprinzip (Art. 2 EUV) weist die EU-Organisation sowohl im Institutionengefüge als auch in den Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen verschiedene Mängel unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten auf. Man spricht daher von einem Demokratiedefizit der EU. Dies hat auch zu dem polemischen Bonmot geführt, dass die EU selbst nicht die Demokratieanforderungen erfüllt, die sie an ihre Beitrittskandidaten stellt.[51]
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Zu diesen Mängeln zählen insbesondere folgende Punkte:[52]
– | Die fehlende Wahlrechtsgleichheit bei der Wahl des EP wegen unterschiedlicher Stimmengewichte der Wähler je Mitgliedstaat und national verschiedener Wahlrechtsausgestaltungen (s.o., Rn. 105 f.), |
– | die teilweise zu schwache Stellung des EP als einziges direktdemokratisch legitimiertes Organ sowohl bei der Gesetzgebung als auch bei der Bildung der Kommission (s.o., Rn. 110 ff., 120, 122), |
– | die zu starke Exekutivprägung der EU-Organisation wegen der immer noch teilweise dominanten Rolle des (Minister-)Rates (und des Europäischen Rates), in dem die nationalen Regierungen vertreten sind (s.o., Rn. 127 ff.), und |
– | die bis heute faktisch kaum bestehende europäische Öffentlichkeit. |
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Aufgrund dieser Mängel vertritt das BVerfG schon in seiner Maastricht-Entscheidung und noch deutlicher in der Lissabon-Entscheidung den Standpunkt, dass die demokratische Rückbindung der EU bis auf Weiteres nur über die nationalen Parlamente erfolgen kann. Um dies leisten zu können, müssen zum einen diese Parlamente wie z.B. der Deutsche Bundestag substantielle Zuständigkeiten behalten. Und zum anderen muss sich die EU auch künftig legitimatorisch auf ihre Mitgliedstaaten stützen, die als „Herren der Verträge“ nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung souverän darüber entscheiden können müssen, wofür die EU zuständig sein soll und für was nicht.[53]
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Diesem Demokratiedefizit stellt die EU ein Legitimationsmodell gegenüber, das auf verschiedenen Säulen ruht (vgl. nachfolgende Grafik):[54]
– | So gibt es erstens – hauptsächlich – eine repräsentativ-demokratische Legitimation, die auf zwei Säulen ruht. Denn die Unionsbürger werden einerseits als Angehörige ihrer Heimatländer durch die von ihnen (mittelbar) gewählten Regierungen im (Minister-)Rat indirekt und andererseits als EU-Angehörige in dem von ihnen gewählten Europäischen Parlament direkt repräsentiert (Art. 10 EUV). |
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– | Ergänzend tritt zweitens eine partizipativ-demokratische Legitimation hinzu, indem den EU-Bürgern eine direkte Beteiligung am politischen Leben der EU ermöglicht wird. So fördern die EU-Organe die Kommunikation von Bürgern und Verbänden mit dem Ziel einer Stärkung der europäischen Öffentlichkeit. Außerdem treten die EU-Organe in einen kontinuierlichen Dialog mit Verbänden und Zivilgesellschaft ein und führen Anhörungen Betroffener durch. Und schließlich haben die EU-Bürger die Möglichkeit, über eine EU-Bürgerinitiative ein aus ihrer Sicht wichtiges Thema auf die Agenda der EU zu bringen (Art. 11 EUV). |
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Abbildung 18:
Demokratische Legitimation der EU
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Verständnisfragen:
1. | Vergleichen Sie die Stellung des EP bei der Rechtssetzung und bei der Haushaltsverabschiedung. (Rn. 109–119) |
2. | Welche Mehrheitsbegriffe gibt es beim (Minister-)Rat? (Rn. 131 f.) |
3. | Warum nennt man die Kommission die „Hüterin der Verträge“? (Rn. 149–152) |
4. | Kann man die Kommission als „Europa-Regierung“ bezeichnen? (Rn. 142 f.) |
5. | Welches EU-Organ hat die relativ stärkste Stellung? (Rn. 127) |
6. | Welches EU-Organ legt die Richtlinien der EU-Politik fest? (Rn. 123 f.) |
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