Völkerrecht. Bernhard Kempen

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Völkerrecht - Bernhard  Kempen Grundbegriffe des Rechts

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der auswärtigen Beziehungen wird in der Regel dem Bund übertragen. Zudem werden dem Bund gewöhnlich gewisse Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtslage in den Ländern gegeben, um einen Mindeststandard an Homogenität, nicht aber eine Uniformierung innerhalb des Gebietes des Gesamtstaates gewährleisten zu können. Für eine bundesstaatliche Staatsform haben sich u. a. die Bundesrepublik Deutschland, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Schweiz entschieden.

      Abzugrenzen ist der Typus des Bundesstaates zum Einheitsstaat auf der einen und zum Staatenbund auf der anderen Seite. Der Einheitsstaat bzw. Zentralstaat verfügt nur über eine einheitliche Staatsgewalt. Zwar können auch in einem Einheitsstaat viele Aufgaben von rechtlich selbstständigen Körperschaften mit Selbstverwaltungsbefugnissen wahrgenommen werden (sog. Dezentralisation). Die entsprechenden Kompetenzen werden den Körperschaften aber vom Einheitsstaat verliehen und können daher theoretisch auch wieder zurückgeholt werden. Ein „klassisches“ Beispiel für einen Einheitsstaat bildet die Republik Frankreich. Ein Staatenbund wird wie ein Bundesstaat (→ Staatenverbindungen) aus mehreren → Staaten gebildet, ohne dass diese einen Gesamtstaat schaffen. Der Staatenbund erlangt keine übergeordnete Staatsgewalt, sondern verfügt lediglich über von seinen Mitgliedstaaten abgeleitete Kompetenzen. Die wichtigste Erscheinungsform einer Staatenverbindung bilden heute die → Internationalen Organisationen; historisch war vor allem der Deutsche Bund (1815 – 1866) typusprägend.

      Aus der Perspektive des Völkerrechts wird der Bundesstaat wie ein Einheitsstaat behandelt und prinzipiell nur der Gesamtstaat als Völkerrechtssubjekt angesehen. Die → Völkerrechtssubjektivität des Bundesstaates besteht originär und absolut, also unabhängig von einer Anerkennung durch andere Staaten (h.M.). Als natürliches Subjekt des Völkerrechts ist er zur Wahrnehmung sämtlicher völkerrechtlich anerkannter Rechte und Pflichten berechtigt. Er ist auf völkerrechtlicher Ebene u. a. der Inhaber der → Gebietshoheit über das gesamte Gebiet des Bundesstaates und übt die Personalhoheit über seine Staatsangehörigen aus. Für die völkerrechtliche Rechtsordnung ist die innerstaatliche Rechtslage in der Regel ohne Bedeutung; die umfassende Völkerrechtsfähigkeit des Bundesstaates erfährt z. B. keine Minderung, wenn die Bundesverfassung dem Gesamtstaat innerstaatlich Beschränkungen auferlegt hat. Dementsprechend kann ein Bundesstaat gegenüber seinen Vertragspartner auch nicht die Erfüllung einer völkerrechtlichen Verpflichtung unter Berufung auf sein innerstaatliches Recht verweigern (vgl. Art. 27 S. 1 WVRK). Das gilt auch für die Fälle, in denen der Gesamtstaat die Einhaltung der völkerrechtlichen Verpflichtung nicht selbst gewährleisten kann, weil sie innerstaatlich dem Zuständigkeitsbereich der Gliedstaaten unterfällt. Die innerstaatliche Rechtslage findet allerdings ausnahmsweise Berücksichtigung, wenn eine sog. Bundesstaatsklausel in einen völkerrechtlichen Vertrag aufgenommen wurde. Eine solche Klausel kann z. B. eine Reduktion der völkerrechtlichen Verpflichtungen des Gesamtstaates im Falle einer innerstaatlichen Zuständigkeit der Gliedstaaten auf eine bloße Unterrichtungspflicht vorsehen. Eine solche Regelung enthält z. B. Art. 34 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (Welterbekonvention, Sart. II, Nr. 410).

      Die Gliedstaaten besitzen hingegen grundsätzlich keine Völkerrechtssubjektivität. Sie können allerdings in der Bundesverfassung dazu ermächtigt werden, als selbstständige Träger von Rechten und Pflichten am Völkerrechtsverkehr teilzunehmen, indem ihnen die Befugnis zur eigenständigen Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten zugewiesen ist. Auf der Grundlage dieser Ermächtigung können sie eine partielle Völkerrechtssubjektivität erlangen, nicht jedoch eine umfassende Völkerrechtsfähigkeit wie sie der Gesamtstaat besitzt.

      Eine solche Ermächtigung sieht z. B. das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Art. 32 Abs. 3 GG vor. Danach sind die Bundesländer mit Zustimmung des Bundes zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge berechtigt, wenn der Vertragsinhalt innerstaatlich dem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfällt (→ auswärtige Gewalt). Sollten die Länder auf der Grundlage dieser Vertragsschlusskompetenz einen völkerrechtlichen Vertrag mit Staaten oder anderen Völkerrechtssubjekten geschlossen haben, erlangen sie eine von ihren Vertragspartnern abgeleitete Völkerrechtssubjektivität. Die Völkerrechtssubjektivität wirkt allerdings nur relativ im Verhältnis zu den Vertragspartnern und nicht gegenüber am Vertragsschluss nicht beteiligten Staaten. Der Umfang der Völkerrechtsfähigkeit ist zudem auf die Wahrnehmung der im Vertrag konkret verliehenen völkerrechtlichen Rechte und Pflichten beschränkt. Der Gliedstaat ist somit z. B. nicht berechtigt, sich gegenüber seinem Gesamtstaat auf das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten zu berufen.

      D Inhaltsverzeichnis

       De facto-Regime, stabilisiertes

       Diplomatenrecht

       Diplomatischer Schutz

      D › De facto-Regime, stabilisiertes (Christian Raap)

       I. Beispiele

       II. Rechtliche Einordnung

       III. Völkerrechtliche Rechte und Pflichten

      Lit.:

      J.A. Frowein, Das de facto-Regime im Völkerrecht. Eine Untersuchung zur Rechtsstellung „nichtanerkannter Staaten“ und ähnlicher Gebilde, 1968; ders., De facto Régime, EPIL I, 1992, 966; ders., De Facto Regime, EPIL II, 2012, 1052; S. Talmon, Kollektive Nichtanerkennung illegaler Staaten: Grundlagen und Rechtsfolgen einer international koordinierten Sanktion dargestellt am Beispiel der Türkischen Republik Nord-Zypern, 2006; S. Turmanidze, Status of the De Facto State in Public International Law. A Legal Appraisal of the Principle of Effectiveness, Diss. Hamburg, 2010.

      Ein stabilisiertes de facto-Regime ist ein Gemeinwesen, das ein Territorium über einen längeren Zeitraum effektiv beherrscht, ohne → Staat im Sinne des Völkerrechts zu sein. Es wird als beschränktes → Völkerrechtssubjekt angesehen.

      Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gab es de facto-Regime nur vereinzelt (z. B. die „Konföderierten

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