Handbuch für Outdoor Guides. Hans-Peter Hufenus

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Handbuch für Outdoor Guides - Hans-Peter Hufenus Praktische Erlebnispädagogik

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gehören, während Outdoor-Aktivitäten etwas Besonderes sind, somit besondere Aufmerksamkeit und Medienwirksamkeit geniessen. Die Medienberichte über den Unfall haben aber auch mit aller Deutlichkeit gezeigt, wie das Abenteuer-Geschäft funktioniert. Die Kunden verlangen einen möglichst hohen Abenteuerwert, der zum gebuchten Zeitpunkt und mit dem versprochenen Thrill einzutreten hat. Und die Öffentlichkeit verlangt, dass die Anbieter dafür garantieren, dass keine Unfälle geschehen. Gab es vor 50 Jahren praktisch nur einen Abenteuersport, nämlich das Bergsteigen, das überdies als schräges Hobby von ein paar Sonderlingen galt, sind Abenteuer heute zum eigentlichen Breitensport geworden. Überall sieht man Plakate und Zeitschriften, wo Fotos von Menschen mit zum Schrei aufgerissenen Mäulern für Riverraftings, Bungeejumpings, Canyonings und ähnliches werben. Dass an die Leiter hohe Anforderungen betreffend Sicherheit gestellt werden, ist selbstverständlich. Sie müssen, während sie ein Maximum an »fun and action« bieten, MeisterDompteure des kontrollierten Risikos sein.

      Victorino kannte die Anden Perus wie seine Hosentasche. Er wurde vom Gründer des ersten Trekkingunternehmens der Schweiz vor bald 30 Jahren »entdeckt« und als lokaler Leiter von Trekking und Bergsteigergruppen eingesetzt. Er machte seine Sache gut, hat viele Menschen über die Pässe der Anden und oft auch auf deren höchste Berggipfel geführt. Dann kamen ein paar Schweizer Bergführer – nachdem sie das Business »Trekking« auch entdeckt hatten – auf die Idee, junge Peruaner als Bergführer auszubilden und mit einem Zertifikat auszurüsten. Auf politischer Ebene wurde dafür gesorgt, dass nur noch so zertifizierte Leiter Trekking- und Bergsteigergruppen in den peruanischen Anden führen durften. Victorino, der über kein solches Zertifikat verfügt, wurde in der Folge offiziell untersagt, weiterhin Bergtouren zu leiten.

      Diese beiden Blickwinkel zeigen, wie doppelbödig der scheinbar objektive Ruf nach Sicherheit ist. Zum Profil eines verantwortungsvollen Outdoor Guides gehört nach unserer Meinung ein vielschichtiges Verständnis von Sicherheit. Es wird an verschiedensten Stellen des Handbuchs davon die Rede sein. Davon abgesehen beziehen sich alle weiteren Informationen und Anregungen auf folgende Definitionen:

       Ein Outdoor Guide

       kann sich selbstverständlich und sicher in der Natur bewegen.

       kann in der Natur leben, am Feuer kochen, geschützte Schlaf- und Lagerplätze einrichten.

       kann anderen Menschen das Leben in der Natur nahe bringen, sie darin sicher begleiten.

      Zu den klassischen Outdoor Guide-Bereichen gehören:

      Trekking bzw. Wildnis-Reise

      Freizeit- und Lagergestaltung

      Kanuwandern, Seakajakreisen

      Schneeschuhlaufen

      Nicht in das hier gezeichnete Outdoor Guide Profil gehören Extremsportarten oder

      Disziplinen, die ein hochschwelliges Spezialwissen erfordern.

      Wir stellen in diesem Buch unter anderem vier Fortbewegungsarten vor: das Trekking, das Schneeschuhlaufen, das Kanadierfahren und das Seakajakfahren. Was haben diese vier miteinander zu tun? Es handelt sich um vier archaische Fortbewegungsarten jener nomadischen Völker, die als Jäger, Sammler, Fischer oder Hirten über Land oder auf dem Wasser dahinzogen. Das Unterwegssein, das Dahinziehen ist ihr zentrales Merkmal, das sich vom gängigen Charakter von Natursportarten wie Bergsteigen, Wildwasserkajak, Riverrafting und Canyoning merklich unterscheidet.

      Wenn wir genauer hinschauen, entdecken wir bei jenen Sportarten eine recht kriegerische Sprache: Man kämpft sich durch, bezwingt, siegt. Die Helden sind die, die es immer höher, immer weiter, immer schneller schaffen.

      Dem Trend zum Martialischen können sich allerdings auch die »sanften« Outdoor-Formen nicht ganz entziehen. Es werden Atlantiküberquerungen im Seakajak gemacht, extreme Wildwasser mit dem Spezialkanadier befahren, die Antarktis zu Fuss durchquert. Auch die Schneeschuhläufer werden zunehmend für Rekorde mobilisiert: Ein Guinessbucheintrag für die längste Schneeschuhläuferkette ist schon erreicht, Schneeschuhrennen werden noch und noch organisiert. Das darf ja auch sein und kann überdies Spass machen. Schade ist nur, wenn Verbissenheit und Materialschlachten das Feld beherrschen.

      Nun, wenn die Helden dann keuchend ihren Gipfel geschafft, mit letzter Anstrengung die Ziellinie durcheilt, ausgemergelt das andern Ende des Kontinents erreicht haben, werden wir sie fragen, ob es für einmal auch etwas Anderes sein darf. Und wir laden ein zur »Entdeckung der Langsamkeit« und zur Wahrnehmung des Schönen: bei einer beschaulichen Kanufahrt, auf einem originellen Trekking oder bei einer romantischen Schneeschuhtour.

      Es gibt grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn der Outdoor Guide anstrengende, anspruchsvolle und strapaziöse Unternehmungen mit ambitiösen Teilnehmern leitet. Aber es ist auch die Aufgabe des in diesem Buch skizzierten Outdoor Guides, Menschen in der Natur zu begleiten, die nicht unbedingt schneller, höher und weiter gehen wollen, sondern ganz andere Interessen haben, zum Beispiel die Stille der Wüste auf einer Kameltour zu erleben, die Kultur der Walser Bergvölker wandernd zu entdecken, die Cinque Terre vom Meer aus zu besuchen oder das einfache Leben der Steinzeitmenschen in einer Waldwoche nachzuempfinden. Dieser Outdoor Guide wird vielleicht auch spezielle Gruppen leiten: Stadtjugendliche, bei denen es gilt, Lernerlebnisse in der Natur zu vermitteln. Eine Gruppe von Senioren, die eine Pilgerreise machen. Kinder, die zum ersten Mal etwas ohne die Eltern unternehmen. Ein Arbeitsteam, das sich besser kennen lernen möchte.

      Um all diese Unternehmungen erfolgreich zu leiten, braucht es eine Reihe von Kompetenzen.

      In der Outdoor-Szene, im speziellen in der Erlebnispädagogik, unterscheidet man heute oft zwischen Hard Skills (harten Fertigkeiten) und Soft Skills (weichen Fertigkeiten). Mit Hard Skills bezeichnet man all das praktische Wissen und jene Techniken, die für die sichere Fortbewegung und den Aufenthalt im Outdoor gebraucht werden: Seiltechniken, Kanutechniken, Orientierungskenntnisse etc. Mit Soft Skills sind jene Fähigkeiten gemeint, die der Outdoor Guide für die Begleitung von Menschen und die Leitung von Gruppen braucht: Führungsfähigkeiten, psychologische Kenntnisse, gruppendynamisches Wissen etc.

      Wir haben uns entschieden, auf den Begriff der Skills zu verzichten und unterscheiden stattdessen drei Arten von Kompetenzen, die zur Qualifikation eines professionellen Outdoor Guides gehören:

       Outdoorkompetenzen

       Organisationskompetenzen

       Führungskompetenzen

      Weitgehend ausgeklammert werden in diesem Buch pädagogische Theorien und methodische Konzepte. Es ist uns aber bewusst, dass gerade in den professionellen Bereichen der Erlebnispädagogik und des Outdoor Trainings solches Wissen und Können einen grossen Anteil der Leitungskompetenz ausmachen. Bei Outdoor-Angeboten mit persönlichkeitsbildenden Zielsetzungen ist die Outdoor Guide Kompetenz also eine Zusatzqualifikation zu einer bereits vorhandenen Professionalität. Zum Beispiel:

       Erlebnispädagogik: Sozialpädagogik +Outdoor Guide Kompetenzen

       Outdoor Training: Erwachsenenbildung +Outdoor Guide Kompetenzen

       Selbsterfahrung: Psychologie +Outdoor Guide Kompetenzen

      Dieses Buch erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch, ein Lehrbuch für diese letztgenannten Bereiche zu sein, obwohl an verschiedenen Stellen Querverweise gemacht werden.

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