Systemische Erlebnispädagogik. Группа авторов
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Die ganze Arbeit mit Kreativ-ritueller Prozessgestaltung hängt sehr davon ab, ob die Anleitenden selbst in der Achse sind, will heißen: bei sich und ihren Ressourcen. Fehlt diese Sender-Qualität, verkommt die Anleitung sehr bald zur bloßen Technik, eventuell zur Manipulation.
Psychotherapeutische Ansätze verfolgen, übers Ganze gesehen, ein ähnliches Ziel, nämlich die Befreiung des Individuums zu sich selbst. Im heute aktuellen Wortgebrauch lässt sich formulieren: Erst die Verbindung von Emotionaler Kompetenz mit Sozialer Kompetenz (uff!) begründet die Fähigkeit, andere zu würdigen. Sinn und Wirksamkeit der psychotherapeutischen Disziplinen stehen hier nicht zur Debatte. In Organisationen und Arbeitskontexten sind sie kaum anwendbar, im Unterschied zu manchen Methoden der Krpg, die niedrigschwelliger und spielerischer in die verschiedenen Bereiche der Führungspraxis eingebracht werden können.
Nun zu einem anderen zentralen Begriff: der systemischen Sicht. In der Führung von Organisationen hat diese Sicht schon seit langem ihre Entsprechung: Führen wird heute weithin charakterisiert als: in vernetzten Bezügen bewusst denken und handeln. Eine Zeit lang war dafür noch der Begriff des „Ganzheitlichen“ gebräuchlich.
Wer, in welcher Bildungsarbeit auch immer, den ganzen Menschen erreichen und bewegen will, kommt an der systemischen Betrachtungsweise nicht vorbei. Ganz ist der Mensch ja eben darin, dass er nicht nur für sich besteht, sondern Teil eines sich selbst organisierenden Universums ist. (Rupert Sheldrake hat dafür den Begriff der morphogenetischen Felder eingeführt, in deren Resonanz und Wandel sich die Evolution des Kosmos als unablässiger Lernprozess abspielt.)
In der Führungspraxis gerät dieses Denken und Handeln in Zusammenhängen leider nicht selten ins Hintertreffen. Kurzfristige (kurzsichtige) Handlungszwänge oder Erfolgsverheißungen engen das Visier ein. Der Virus des „Zupackens, ohne lange zu fackeln“ greift um sich, die „Macher“ beherrschen die Szene. Dabei ist gegen „zupackendes Führen“ (vgl. „in die Handlung gehen“) nichts einzuwenden. Nur bleibt der Stellenwert dieses Handelns zu prüfen, der Reifegrad, und es stellt sich die Frage, ob auf dem Deck des sturmgepeitschten Schiffes überhaupt noch jemand die Aufgaben des Weitblicks und des Steuerns wahrnimmt.
Dem „Systemischen“ ordne ich auch folgenden Gedanken zu: Unternehmen und Organisationen jeder Art sind so etwas wie Kreuzpunkte (oder eher: Kreuz-Räume) von Laufbahnen, Biografien, Reisen vom Ich zum Du, Lernfelder für soziales Zusammenleben. Dieses Biografie-Bewusstsein kann zur wichtigen Stütze werden im Gleichgewicht von Aufgabe / Ich / Wir (man denke an Ruth Cohn‘s Modell der Themenzentrierten Interaktion). Biografie-Bewusstsein kann auch in Organisationen entwickelt und genutzt werden, durch Methoden des „Sozialen Kosmos“, durch „Aufstellungen“ und „Psychodrama“. Da kommt es beispielsweise zu Fragen wie:
Welche Beziehungen und Beziehungsfelder sind für die Beteiligten (Führende und Geführte) energetisch bestimmend?
Welche Bündnisse, Vermächtnisse und Rollenerbschaften wirken sich auf die Zusammenarbeit aus?
Welche Geschichte hat die Organisation, welchem „Mythos“ ist sie entsprossen, und auf welche Vision hin bewegt sie sich?
Zu meinen, für solcherlei „gründliche“ Sichtweisen bestünde im „Durcheinander der Postmoderne“ kein Platz mehr, ist ein grobes Verkennen der Wirklichkeit, in der wir leben und durch die wir, oft ahnungslos und auf banalsten Pragmatismus fixiert, eben doch geformt werden. Führungspersonen, die von alledem nichts wissen wollen, holt früher oder später ihre Kurzatmigkeit ein; davon soll später noch die Rede sein.
„Wir arbeiten mit dem, was geschieht“ und nicht nach vorgefassten Konzepten, diese Botschaft war im Krpg-Lehrgang wegleitend, implizit noch mehr als explizit (ging es doch nicht um Doktrin). Heute hört man und liest man es allerorten: Wir sind prozessorientiert.
Doch was es wirklich bedeutet, dem Prozess zu folgen und sich selbst als Teil dieses Prozesses zu verstehen, erfahre ich in der Führungsbegleitung regelmäßig als Stolperstein. Selbst aufgeschlossene Vorgesetzte neigen leicht dazu, den Prozess in ihrer Organisation gleichsam von außen zu beobachten und je nach Ermessen (sprich: Ungeduld) laufen zu lassen, ohne zu intervenieren. Sie erkennen nicht, wie sie auch mit dieser Beobachterrolle Teil des Prozesses sind, indem sie die Macht, einzugreifen oder geschehen zu lassen, bei sich behalten.
Die Gratwanderung zwischen Ermöglichen (facilitate!) und Manipulieren folgt der Bruchlinie von Vertrauen versus Widerstand (bei den Geführten). Lebendigkeit des Führens hat viel damit zu tun, ob und wie die Leitenden im Biotop ihrer Arbeitsbeziehungen fassbar und transparent sind. Ränkeschmiede, Karrieristen und Graue Eminenzen führen jedenfalls nicht prozessorientiert; sie bleiben an der Peripherie des sozialen Kosmos, den jede Arbeits- und Erwerbsgemeinschaft in ihrem menschlichen Kern darstellt.
Sicher scheint mir zu sein: Die hohe Zeit der Konzepte und generalstäblichen Planung ist zu Ende. Sie macht einem neu verstandenen Lernen-durch-Tun Platz, neu verstanden deswegen, weil es nicht um einen Rückfall in Pragmatismus geht, sondern um die stärkere Gewichtung des Prozesses. In die Handlung gehen, um miteinander zu lernen und zu wachsen. Wie einfach erschien doch Führen noch in den Jahren der Stab-Linien-Organisation: Hier die Vor-Denker, dort die Ausführenden, und dazu die „drei K-Prinzipien“: Kommandieren, Kontrollieren, Korrigieren. Der Chef als Befehlshaber, als Kapitän auf dem Schiff, oder idyllischer: als Kutscher, der die Zügel seiner Pferde fest in Händen hält. Ganz andere Metaphern drängen sich heute auf, zum Beispiel die des Architekten (Führen als Systembau und -gestaltung), das des Orchesterdirigenten (Führen als Anleiten und Inspirieren zur konzertierten Aktion). Gewiss gibt es noch heute auch die Metapher des Spielers: Team-Player, Global Player, Games Man. Doch spätestens im Money-Power-Game wird der gnadenlose Ernst des Spiels unverkennbar.
Zurück zur Führungsachse, zur Haltung, auf die es in jedem Führen ganz wesentlich ankommt. Wer sich die Merkmale dieser Führungsachse näher anschaut (und Führende in ihrem Wirken näher anschaut), erkennt Eigenheiten, die viel mit individueller Lebensgeschichte und Persönlichkeitsstruktur zu tun haben. Wir alle haben im Zusammenhang mit Führen und Geführtwerden unsere persönliche Geschichte, die mit dem ersten Erleben der Eltern begann, sich über die Erfahrung mit Autoritätspersonen in den Jahren des Heranwachsens fortsetzte, bis hin zu den später folgenden Rollen als Untergebene und / oder Führungsverantwortliche.
Schon daraus lässt sich folgern: Führen ist nur teilweise eine Disziplin (eine Methodenkomposition), die man / frau lernt wie irgendeinen Beruf. Vorverständnisse, Beweggründe, Ängste, Erfolgsbedürfnisse usw. wurzeln in der individuellen Geschichte der Führenden wie der Geführten. Damit diese Grunderfahrungen in der Führungssituation nicht zum Störfaktor werden (zum Beziehungsdrama!), müssen sie von den Exponenten (und Exponierten!) mindestens ein Stück weit aufgearbeitet und geklärt werden.
Führen hat immer mit Menschen zu tun, also mit Beziehungsarbeit. Menschen mit Leitungsaufgaben müssen sich als Beziehungsarbeiter verstehen und bewähren. Sind sie darin ungeschickt und unsensibel, wirkt sich dies auf die ganze Atmosphäre im organisatorischen Umfeld aus. Ein Altmeister der Wirtschaftswissenschaft, der Amerikaner Herbert A. Simon, erhielt 1978 (!) den Nobelpreis für seine „Verhaltenstheorie der Unternehmung“. Diese Theorie lässt sich in sechs Punkten wie folgt zusammenfassen:
• Unternehmungen (jedwelcher Art, also nicht nur Firmen) bestehen zuallererst aus Menschen, deren Verhalten durch ihre Individualität (Einmaligkeit) geprägt wird.
• Menschen lassen sich auch in ihren Berufstätigkeiten von ihren persönlichen Wünschen und Zielen leiten (bewusst oder unbewusst).