Tranceperlen. Ghita Benaguid
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Allen Texten ist ihre Ressourcenorientierung gemeinsam. Sie sind entstanden aus der langjährigen hypnotherapeutischen Erfahrung der Autorinnen. Vier Themenbereiche beschäftigen sich mit Anliegen unserer Klientinnen, die uns häufig im Therapiealltag begegnen:
•Das Selbst stärken
•Den inneren weiblichen Anteilen begegnen
•Beziehungen gestalten
•Körperliche Ressourcen aktivieren
Den Schlussteil des Buches, »Trancen selbst gestalten«, bilden zwei Texte, die speziell für Kolleginnen geschrieben worden sind. Sie möchten Lust und Mut machen, selber kreativ zu werden und eigene Trancen zu entwickeln.
In einem Interview antwortet Milton Erickson auf die Frage, wie man ein guter Hypnotherapeut wird: »Versuchen Sie nicht, meine Stimme zu imitieren oder meinen Tonfall. Finden Sie Ihre eigene. Seien Sie einfach ganz natürlich Sie selbst.«
Die Vielfalt der Texte verdeutlicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede im individuellen hypnotherapeutischen Vorgehen und eröffnet Ihnen die Möglichkeit, Ihren eigenen hypnotischen Stil zu finden.
Die Trancen ersetzen keine hypnotherapeutische Ausbildung oder eine adäquate psychotherapeutische Behandlung. Vielmehr richtet sich dieses Buch an Psychotherapeutinnen mit hypnotherapeutischen Vorerfahrungen, als Ergänzung zu einer Ausbildung. Wie alle therapeutischen Techniken sollten auch die vorliegenden Trancen in ein eindeutiges therapeutisches Setting eingebettet werden.
Ich hoffe, dass die Texte nicht nur gefallen und inspirieren, sondern auch laut vorgelesen werden. Stimme und Stimmklang sind ein wesentlicher Wirkfaktor bei gesprochenen Tranceinduktionen. Gleichzeitig nimmt es dem Phänomen Stimme seine Mehrdimensionalität, wenn ihre Beschreibung »nur« verschriftlicht wird. Daher haben wir uns entschieden, Ihnen zusätzlich ein Angebot auf dem auditiven Kanal zu machen. Ein Interview mit der hypnosystemisch ausgebildeten Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin Ronja Ernsting zum Thema »Trancen lesen« ergänzt diese Einführung (siehe S. 19).
Alle Autorinnen bewegen sich in der Tradition Milton Ericksons, der vor allem für seine indirekten hypnotischen Techniken bekannt geworden ist. Gerade im fortgeschrittenen Alter induzierte er Trancen vornehmlich indirekt als beiläufige Trancen und weniger mit formalen Verfahren. Seine Tochter Betty Alice Erickson beschreibt diese therapeutische Haltung und sein beiläufiges Vorgehen. So gibt es in diesem Buch doch auch einen Mann. Und natürlich würde es mich freuen, wenn die eine oder andere Perle auch das eine oder andere männliche Wesen anzieht. Denn gelungene Psychotherapie braucht Frauen und Männer.
Zum Vorlesen der Texte
Ghita Benaguid
Das Vorlesen und Erzählen von Bilderbüchern, Geschichten und Märchen ist eine alte Tradition, die in heutiger Zeit oft Kindern und ihren Eltern vorbehalten ist. »Wann hat Ihnen das letzte Mal jemand etwas vorgelesen?«, ist eine Frage, die ich in meinen Therapien oft zur Einleitung eines Wechsels des Gesprächssettings hin zu einer formaleren Tranceinduktion stelle. Viele Patientinnen sind gerührt: »Das ist lange her! Ich lese meinen Kindern vor. Für mich tut das selten jemand. Es ist so schön, wenn jemand für mich liest.« Ich antworte: »Mir kommt da gerade eine Geschichte in den Sinn, ich weiß noch nicht genau, ob und wie diese für Sie passend ist … Möchten Sie sie hören?« Wenn eine Zustimmung erfolgt, erwähne ich, dass es viele unterschiedliche Haltungen gibt und dass »Sie selbst, während Sie der Geschichte lauschen, am besten wissen, welche die für Sie in diesem Moment passendste ist«. Ich erwähne, dass mein Therapiesessel variabel verstellbar ist und dass es Wahlmöglichkeiten gibt zwischen eher aufrecht sitzender oder entspannt zurückgelehnter Sitzhaltung und dass die Haltung äußerlich wie innerlich jederzeit veränderbar ist. Auch Kissen und Decken stehen zur Verfügung, um es sich wirklich auf die ganz eigene Art bequem zu machen. Wichtig ist zudem der Hinweis, dass man natürlich jederzeit die Aufmerksamkeit wieder nach außen lenken und die Trance/Entspannung beenden kann.
Das Vorlesen von Geschichten vermittelt Zuwendung und Geborgenheit, es erinnert oft an Vorleserituale der Kindheit, beruhigt und regt die Fantasie an. Es löst vor allem auch unwillkürliche Suchprozesse auf unbewusster Ebene aus.
Milton Erickson ist insbesondere für seine indirekten hypnotischen Techniken bekannt geworden. Gerade im fortgeschrittenen Alter lag sein Focus mehr auf Konversationstrancen, als auf der Induktion formaler Trancen. Hypnotherapie nach Erickson entfaltet ihre Wirkung vor allem auf der Bilder- und Metaphernebene. Die speziellen hypnotischen Sprachmuster werden im sogenannten Milton-Modell beschrieben. Vertiefende Hinweise hierzu und zur Konstruktion von therapeutisch wirksamen Metaphern finden Sie in Benaguid und Schramm (2016).
Einige Besonderheiten der vorliegenden Texte möchte ich hervorheben:
Je nach Kontext kann bei Tranceinduktionen die Anredeform Sie oder Du gewählt werden. Die vorliegenden Texte handhaben das unterschiedlich, einige wählen für die Induktion und Exduktion das formalere Sie und wechseln während der Trance zum persönlicheren Du, um einen stärkeren Bezug zum Unbewussten oder zu jüngeren Ich-Anteilen zu ermöglichen. Natürlich können Sie alle Texte auch in die von Ihnen gewünschte Anredeform umformulieren.
Eine sprachliche Besonderheit der typischen Hypnosesprache sind die Einstreuungen. Darunter verstehen wir direkte Suggestionen, die in einen Trägertext verpackt werden: »Wie von selbst hebt und weitet sich der Körper beim Einatmen, um zu integrieren, was in Fluss ist, … wie Wellenbewegungen … genau … mir Zeit nehmen für mich selber, genau, jetzt!«
Auch die Stellvertretertechnik ist ein Spezialfall der Einstreuungen.
Es werden stellvertretend für die Klientin Metaphern oder Bilder genutzt, die ihre Wünsche und Werte symbolisieren, ohne diese explizit zu benennen. Eine Besonderheit im Deutschen, die in diesen Trancen genutzt wird, möchte ich hervorheben: Das Personalpronomen „sie“ ist beim Hören nicht vom Anredepronomen in der Höflichkeitsform „Sie“ zu unterscheiden. Man kann also sprachlich indirekt arbeiten: »Die Felsen, sie (Sie) stehen fest in der Brandung …«
Damit kann bei sensiblen Themen das Erzeugen von Widerstand verhindert werden. Die Klientin hat die Wahl, ob sie diese Textpassage auf sich bezieht oder nicht. Im Text sind die betreffenden Stellen mit beiden Schreibweisen versehen.
Das Vorlesen von Texten erlaubt auch der noch nicht so geübten Hypnoseanwenderin, sich zuerst einmal auf andere Aspekte der Tranceinduktion als die eigene Wortwahl zu konzentrieren. Auch erfahrene Hypnoseanwenderinnen können sich natürlich von den Ideen der Autorinnen inspirieren lassen. Denn in die vorliegenden Texte können passende Klientinnenmetaphern oder einzelne auf die Klientin abgestimmte Sätze leicht eingebaut werden.
Im Laufe der Zeit wird es durch das Vorlesen immer leichter fallen, sich diese besonderen hypnotherapeutischen Sprachmuster zu eigen zu machen und den eigenen therapeutischen Stil weiterzuentwickeln.
In den Texten werden Pausen so dargestellt:
•drei Punkte für kurze Pausen
•Absätze für längere Pausen
•Absatz plus Leerzeile für lange Pausen und/oder