Verändere dein Bewusstsein. Michael Pollan

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Verändere dein Bewusstsein - Michael Pollan

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unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu arbeiten – nach Möglichkeit in der Einzimmerhütte, in der er ganz allein in den zerklüfteten Hügeln nördlich von San Francisco wohnt, von allem abgekoppelt außer einer schnellen Internetverbindung.

      «Bob Jesse hält die Fäden in der Hand», sagte mir Katherine Mac-Lean, eine Psychologin, die von 2009 bis 2013 in Roland Griffiths‘ Labor arbeitete. «Er ist der Visionär, der hinter den Kulissen agiert.»

      Jesses minutiöser Wegbeschreibung folgend, fuhr ich von der Bay Area nordwärts und gelangte irgendwann in einem County, dessen Namen ich auf seinen Wunsch hin nicht nennen werde, ans Ende einer schmalen unbefestigten Straße. Ich parkte am Ausgangspunkt eines Wanderwegs, ging an den Schildern mit der Aufschrift «Zutritt verboten» vorbei und folgte einem bergauf führenden Pfad, der mich zu seinem malerischen Gipfellager führte. Ich hatte das Gefühl, einen Zauberer zu besuchen. Die ordentliche kleine Hütte ist für zwei Personen sehr eng, weshalb Jesse draußen zwischen Tannen und Felsblöcken bequeme Sofas, Stühle und Tische aufgestellt hat. Er hat auch eine Außenküche und, auf einer Felsbank, die einen spektakulären Blick auf die Berge bietet, eine Dusche gebaut, die einem das Gefühl vermitteln, sich in einem nach außen gestülpten Haus zu befinden.

      Wir verbrachten den größten Teil eines Frühlingstages in seinem Freiluft-Wohnzimmer, tranken Kräutertee und sprachen über seine deutlich stillere Kampagne zur Rehabilitierung von Psychedelika – ein Gesamtkonzept, in dem Roland Griffiths eine wichtige Rolle spielt. «Ich bin ziemlich kamerascheu», begann er, «also bitte keine Fotos oder sonstigen Aufzeichnungen.»

      Jesse ist schlank und drahtig, hat einen nahezu quadratischen Kopf mit kurz geschnittenem grauem Haar und trägt eine rechteckige randlose Brille, die auf unaufdringliche Weise modisch wirkt. Er lächelt nur selten und hat etwas von dem steifen Auftreten, das ich mit Ingenieuren verbinde, doch mitunter zeigt er überraschende Gefühlsaufwallungen, die er sofort erläutert: «Sie dürften bemerkt haben, dass mir beim Nachdenken über dieses Thema die Augen tränten. Lassen Sie mich erklären, warum …» Er wählt nicht nur seine eigenen Worte sehr sorgfältig, sondern erwartet dies auch von seinem Gesprächspartner und unterbrach mich beispielsweise mitten im Satz, als ich gedankenlos den Begriff «Freizeitkonsum» benutzte. «Vielleicht sollten wir diesen Begriff noch mal prüfen. Normalerweise wird er benutzt, um eine Erfahrung zu trivialisieren. Aber warum? In seiner buchstäblichen Bedeutung meint das Wort ‹Freizeit› etwas ganz und gar nicht Triviales. Dazu ließe sich noch vieles sagen, aber wir sollten dieses Thema ein andermal vertiefen. Fahren Sie bitte fort.» Meine Notizen zeigen, dass Jesse unser erstes Gespräch ein halbes Dutzend Mal unterbrach.

      Jesse wuchs in der Nähe von Baltimore auf und besuchte die Johns Hopkins University, wo er Informatik und Elektrotechnik studierte. Ab Mitte zwanzig arbeitete er mehrere Jahre für Bell Labs und pendelte allwöchentlich von Baltimore nach New Jersey. In dieser Zeit bekannte er sich zu seiner Homosexualität und überzeugte das Management, die erste Schwulen-und-Lesben-Gruppe der Firma anzuerkennen. (Damals beschäftigte AT & T, der Mutterkonzern, über 300 000 Menschen.) Später überredete er das AT-&-T-Management, in der Gay-Pride-Woche eine Regenbogenfahne über der Zentrale flattern und eine Delegation in der Parade mitmarschieren zu lassen. Dieser Erfolg stellte Bob Jesses politische Bildung dar und zeigte ihm, wie nützlich es war, hinter den Kulissen zu agieren, ohne großen Lärm zu machen oder Forderungen zu stellen.

      1990 zog Jesse in die Bay Area und wechselte zu Oracle, wo er der Angestellte Nr. 8766 wurde – damit gehörte er nicht zu den Ersten, war aber früh genug dran, um ein Aktienpaket des Konzerns zu bekommen. Es dauerte nicht lange, bis Oracle ein eigenes Aufgebot zur Gay Pride Parade in San Francisco schickte, und nach Jesses sanftem Drängen gegenüber der Geschäftsleitung wurde Oracle zu einem der ersten Fortune-500-Unternehmen, das den gleichgeschlechtlichen Partnern ihrer Angestellten Vorsorgeleistungen bot.

      Jesses Neugier für Psychedelika wurde bei der Drogenaufklärung im naturwissenschaftlichen Unterricht an seiner Highschool geweckt. Diese spezielle Wirkstoffklasse mache weder körperlich noch psychisch abhängig, wurde ihm dort (korrekt) gesagt; sein Lehrer schilderte die Wirkung der Drogen, zum Beispiel Veränderungen in Bewusstsein und visueller Wahrnehmung, was Jesse höchst faszinierend fand. «Ich spürte, dass mehr dahintersteckte, als man uns erzählte», erinnerte er sich. «Deshalb behielt ich die Sache im Kopf.» Doch erst viel später war er bereit, selbst zu erkunden, was Psychedelika bewirkten. Warum? Er antwortete in der dritten Person: «Ein nicht geouteter schwuler Jugendlicher musste Angst vor den möglichen Folgen haben, sobald er aus der Deckung kam.»

      Als er mit Mitte zwanzig bei den Bell Labs arbeitete, schloss Jesse sich einer Gruppe von Freunden in Baltimore an, die beschlossen, sehr vorsichtig mit Psychedelika zu experimentieren. Irgendwer blieb immer «in Bodennähe», für den Fall, dass jemand Hilfe brauchte oder es klingelte, und die Dosis wurde schrittweise erhöht. Bei einem dieser samstagnachmittäglichen Experimente in einer Wohnung in Baltimore hatte Jesse, der damals fünfundzwanzig war und eine hohe Dosis LSD eingenommen hatte, eine eindringliche «nichtduale Erfahrung», die sich als umwälzend erwies. Ich bat ihn, das Ganze zu beschreiben, und nach einigem Herumdrucksen – «ich hoffe, Sie lassen die heiklen Punkte weg» – erzählte er vorsichtig die Geschichte.

      «Ich lag rücklings unter einem Gummibaum», erinnerte er sich. «Ich wusste, dass es eine starke Erfahrung wird. Und dann kam der Augenblick, wo das wenige, das ich noch war, einfach davonglitt. Plötzlich wusste ich nicht mehr, dass ich in einer Wohnung in Baltimore auf dem Fußboden lag oder ob meine Augen offen oder geschlossen waren. Vor mir öffnete sich, was ich in Ermangelung eines besseren Wortes als Raum bezeichne, aber nicht unsere gewöhnliche Vorstellung von Raum, sondern nur die reine Erkenntnis eines Bereichs ohne Form und Inhalt. Und in diesen Bereich kam ein himmlisches Gebilde, das die Entstehung der physischen Welt war. Es war wie der Urknall, aber ohne das Dröhnen oder das blendende Licht. Es war die Geburt des physischen Universums. In gewissem Sinne war es dramatisch – vielleicht das Bedeutendste, was sich je in der Geschichte der Welt ereignete –, und dennoch lief es irgendwie ganz beiläufig ab.»

      Ich fragte ihn, wo er sich währenddessen befand.

      «Ich war ein Beobachter ohne festen Ort. Ich war in Übereinstimmung mit der Entstehung der Welt.» Hier sagte ich, dass ich ihm nicht mehr folgen könne. Lange Pause. «Ich zögere, weil die Worte der Erfahrung nicht gerecht werden; Worte kommen mir zu beschränkend vor.» Unbeschreiblichkeit ist natürlich ein Kennzeichen mystischer Erfahrung. «Die Erkenntnis übersteigt jede Empfindungsweise», lautete seine nutzlose Erklärung. Ob es beängstigend gewesen sei? «Ich habe keine panische Angst verspürt, nur Faszination und Ehrfurcht.» Pause. «Hm, vielleicht ein bisschen Angst.» Von da an beobachtete (oder wie auch immer man es nennen will) Jesse die Geburt von … allem, in einer epischen Reihung, die mit dem Erscheinen kosmischen Staubs begann und zur Erschaffung der Sterne und dann des Sonnensystems führte, gefolgt von der Entstehung des Lebens und der Ankunft «dessen, was wir als Menschen bezeichnen», dann der Erwerb von Sprache und die Entwicklung des Bewusstseins, «der ganze Weg zum eigenen Ich, hier in diesem Zimmer, umgeben von meinen Freunden. Ich war dorthin zurückgekehrt, wo ich war. Wie viel Zeit war derweil verstrichen? Ich hatte nicht die geringste Ahnung.

      Was für mich am stärksten hervorsticht, ist die Beschaffenheit der Erkenntnis, die ich durchlebte, etwas, das sich völlig von dem unterscheidet, was ich als Bob betrachte. Wie passt dieses erweiterte Bewusstsein in den Rahmen der Dinge? Insofern als ich die Erfahrung für wahrheitsgemäß halte – und da bin ich mir noch nicht sicher –, sagt sie mir, dass Bewusstsein für das physische Universum grundlegend ist. Eigentlich geht es ihm voraus.» Ob er inzwischen glaube, dass Bewusstsein außerhalb des Gehirns existiere? Er ist sich nicht sicher. «Aber von der starken Überzeugung, dass das Gegenteil stimmt» – dass Bewusstsein das Produkt unserer grauen Zellen ist –, «bis zu dieser Unsicherheit ist es ein langer Weg.» Ich fragte ihn, ob er der Äußerung des Dalai-Lama beipflichte, dass die Vorstellung, Gehirne erschüfen Bewusstsein – eine Vorstellung, der die meisten Wissenschaftler fraglos zustimmen würden –, «eine metaphysische

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