Verändere dein Bewusstsein. Michael Pollan

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Verändere dein Bewusstsein - Michael Pollan

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stimmt wohl, aber für jemanden, der eine mystische Erfahrung hat, nimmt so eine Erkenntnis die Wucht einer Offenbarung an.

      Viele der charakteristischen Erkenntnisse, die man während einer psychedelischen Reise gewinnt, schweben zwischen Tiefgründigkeit und völliger Banalität. Boothby, ein Intellektueller mit einem hoch entwickelten Sinn für Ironie, rang damit, die tiefen Wahrheiten über das Wesen unserer Menschlichkeit, das ihm bei seinen Psilocybin-Reisen offenbart wurde, in Worte zu fassen.

       Manchmal waren mir diese Wahrheiten fast peinlich, als würden sie eine kosmische Vision des Triumphs der Liebe zum Ausdruck bringen, die man spöttisch mit den Plattitüden von Glückwunschkarten verbindet. Dennoch finde ich die grundlegenden Erkenntnisse, die mir während der Sitzung gewährt wurden, noch größtenteils überzeugend.

      Wie lautet die überzeugende Erkenntnis des Philosophieprofessors?

       Die Liebe überwindet alles.

      James geht kurz auf die Banalität dieser mystischen Erkenntnisse ein: «das Gefühl […], das einen gelegentlich überkommt, wenn man die Bedeutung einer Maxime oder einer Formel plötzlich tief empfindet. ‹Ich habe das mein Leben lang gehört›, stellen wir fest, ‹aber erst jetzt verstehe ich, was damit eigentlich gemeint war.›»33 Die mystische Reise scheint eine Weiterbildung im Offensichtlichen zu sein. Doch nach der Erfahrung verstehen die Leute diese Plattitüden auf eine neue Art; was man vorher nur wusste, spürt man jetzt, und es bekommt das Gewicht einer tief verwurzelten Überzeugung. Und meistens handelt diese Überzeugung von der großen Bedeutung der Liebe.

      Karin Sokel, eine Lebensberaterin und energetische Heilerin in den Vierzigern, schilderte eine Erfahrung, «die alles veränderte und mich völlig öffnete». Auf dem Höhepunkt ihrer Reise hatte sie eine Begegnung mit einem Gott, der sich «Ich Bin» nannte. In seiner Gegenwart, erinnert sie sich, «explodierte jedes einzelne meiner Chakren. Und da war so ein Licht, es war das reine Licht der Liebe und Göttlichkeit, es war bei mir, und es bedurfte keiner Worte. Ich war in der Gegenwart dieser absoluten reinen göttlichen Liebe, und in einer Energieexplosion verschmolz ich damit … Schon wenn ich davon spreche, laden sich meine Finger elektrisch auf. Die Energie durchdrang mich. Ich weiß jetzt, dass der Kern unseres Seins die Liebe ist. Auf dem Höhepunkt der Erfahrung hielt ich buchstäblich Osama bin Ladens Gesicht, blickte ihm in die Augen, spürte reine Liebe von ihm und schenkte ihm reine Liebe. Der Kern ist nicht das Böse, sondern die Liebe. Dieselbe Erfahrung hatte ich mit Hitler und dann jemandem aus Nordkorea. Deshalb glaube ich, dass wir göttlich sind. Das ist nicht verstandesmäßig, das ist inneres Wissen.»

      Ich fragte Sokel, was sie so sicher mache, dass es kein Traum oder eine drogenbedingte Fantasie war – eine Hypothese, die ihrem noetischen Empfinden nicht gewachsen war: «Das war kein Traum. Das war so real wie unser Gespräch. Ohne die direkte Erfahrung hätte auch ich es nicht verstanden. Aber jetzt ist es fest in meinem Gehirn verdrahtet, sodass ich mich damit verbinden kann und es oft tue.»

      Diesen letzten Punkt berührt James in seiner Erörterung des dritten Merkmals mystischen Bewusstseins, der «Flüchtigkeit». Denn auch wenn der mystische Zustand nicht lange aufrechterhalten werden kann, bleiben seine Spuren bestehen und treten wieder auf, «und mit jedem Wiederauftreten kann das Gefühl einer kontinuierlichen Entwicklung an innerem Reichtum und Bedeutung verbunden sein».34

      Das vierte und letzte Merkmal in James‘ Typologie ist die wesentliche «Passivität» der mystischen Erfahrung. «Der Mystiker [hat] das Gefühl, sein eigener Wille sei außer Kraft gesetzt, und fühlt sich manchmal sogar von einer höheren Macht ergriffen und gehalten.»35 Der Eindruck, sich zeitweilig einer höheren Macht überlassen zu haben, gibt der Person oft das Gefühl, als hätte er oder sie sich dauerhaft verändert.

      Bei den meisten Versuchspersonen, die ich interviewte, lagen die Psilocybin-Reisen zehn, fünfzehn Jahre zurück, und dennoch spürten sie die Wirkung noch deutlich, in manchen Fällen sogar tagtäglich. «Psilocybin hat mein Mitgefühl und meine Dankbarkeit auf eine Art geweckt, wie ich es noch nie erlebt habe», sagte eine Psychologin, die nicht namentlich genannt werden will, als ich sie nach nachhaltigen Auswirkungen fragte. «Vertrauen, Loslassen, Offenheit und Sein waren für mich die wichtigsten Kriterien der Erfahrung. Jetzt weiß ich all das, statt nur daran zu glauben.» Sie hatte Bill Richards‘ Fluganweisungen in ein Handbuch des Lebens verwandelt.

      Richard Boothby machte es ähnlich und erhob seine Erkenntnis übers Loslassen zur Ethik:

       Bei meiner Sitzung wurde die Kunst der Entspannung selbst zur Grundlage einer gewaltigen Offenbarung, da ich plötzlich das Gefühl hatte, dass etwas im Geiste dieser Entspannung, etwas im Erreichen einer perfekten, arglosen und liebevollen Offenheit des Geistes, der Kern und Zweck des Lebens ist. Unsere Aufgabe im Leben besteht genau darin, Ängste und Erwartungen loszulassen, dem Versuch, sich dem Eindruck der Gegenwart völlig hinzugeben.

      Bei John Hayes, dem Psychotherapeuten, wurde «der Sinn fürs Konkrete destabilisiert» und durch die Überzeugung ersetzt, «dass eine Realität außerhalb der Realität gewöhnlicher Wahrnehmungen existiert. Sie setzte meine Kosmologie davon in Kenntnis – dass es eine Welt jenseits von dieser gibt.» Hayes empfiehlt die Erfahrung besonders Leuten mittleren Alters, denen, wie C. G. Jung meinte, die Erfahrung des Numinosen helfen kann, die zweite Hälfte ihres Lebens zu bewältigen. Hayes fügte hinzu: »Jungen Leuten würde ich es nicht empfehlen.»

      Charnays Reise an der Hopkins University festigte ihre Verbundenheit zur Kräuterheilkunde (inzwischen arbeitet sie für einen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln in Nordkalifornien); die Erfahrung bestärkte sie auch in ihrem Entschluss, sich von ihrem Mann zu trennen. «Alles war plötzlich ganz klar für mich. Ich kam aus der Sitzung, und mein Mann holte mich zu spät ab. Da begriff ich, dass das unser Thema ist. Wir sind einfach zu verschieden. Ich hatte gerade ein einschneidendes Erlebnis gehabt und wollte, dass er pünktlich ist.» Sie teilte es ihm auf der Heimfahrt im Wagen mit und hat es nie bereut.

      Wenn man diesen Leuten dabei zuhört, wie sie die Veränderungen schildern, die durch die Psilocybin-Reisen in ihrem Leben ausgelöst wurden, fragt man sich, ob der Sitzungsraum an der Hopkins University nicht so etwas wie eine «Fabrik zur Veränderung des Menschen» ist. So jedenfalls beschrieb ihn mir Mary Cosimano, die Anleiterin, die dort vermutlich mehr Zeit verbracht hat als jeder andere. «Von jetzt an», sagte einer der Probanden, «unterteilt sich mein Leben in vor und nach Psilocybin.» Schon bald nach seiner Psilocybin-Erfahrung kündigte der Physiker Brian Turner bei der Militärfirma und zog nach Colorado, um Zen zu lernen. Er hatte schon vor der Psilocybin-Reise meditiert, doch «jetzt war ich motiviert, weil ich vom Zweck des Ganzen gekostet hatte». Er war bereit, sich jetzt, da er eine Vorschau auf die neuen Bewusstseinszustände erhalten hatte, die es ihm verschaffen konnte, der harten Arbeit des Zen zu unterziehen.

      Turner ist inzwischen ordinierter Zen-Mönch, arbeitet jedoch noch als Physiker für eine Firma, die Helium-Neon-Laser herstellt. Ich fragte ihn, ob er zwischen der Wissenschaft und seiner spirituellen Praxis eine Spannung verspüre. «Ich sehe da keinen Widerspruch. Doch die Ereignisse an der Hopkins University haben meine Physik beeinflusst. Ich habe begriffen, dass es ein paar Bereiche gibt, die die Wissenschaft nicht durchdringen wird. Die Wissenschaft bringt uns bis zum Urknall, aber nicht darüber hinaus. Um dort hineinzusehen, braucht man ein anderes Instrumentarium.»

      Diese Einzelberichte persönlicher Veränderung wurden in einer Folgestudie der Hopkins University mit den ersten Gruppen gesunder Normaler nachdrücklich bestätigt. Katherine MacLean, eine Psychologin im Hopkins-Team, saß über den Befragungsdaten von zweiundfünfzig Teilnehmern, darunter auch Folgegespräche mit Freunden und Familienmitgliedern, die man dafür ausersehen hatte, und stellte fest, dass die Psilocybin-Erfahrung in vielen Fällen zu dauerhaften Persönlichkeitsveränderungen geführt hatte.36 Speziell die Versuchspersonen,

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