Verändere dein Bewusstsein. Michael Pollan
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Doch waren all diese Veränderungen in Richtung größere Offenheit nicht auf die Probanden der Experimente beschränkt; auch die Betreuer geben an, die Begleitung der Reisen habe sie, manchmal auf erstaunliche Weise, verändert. Katherine MacLean, die während ihrer Zeit an der Hopkins University Dutzende von Sitzungen anleitete, erzählte mir: «Ich war anfangs Atheistin, aber bei meiner täglichen Arbeit habe ich Dinge erlebt, die zu meiner Überzeugung im Widerspruch standen. Während ich die Psilocybin-Reisenden betreute, wurde meine Welt immer rätselhafter.»
Bei meinem letzten Interview mit Richard Boothby, am Ende eines gemütlichen Sonntagsbrunchs im Museum für moderne Kunst in Baltimore, sah er mich mit einem Gesichtsausdruck an, in dem sich eine geradezu missionarische Inbrunst angesichts der «Schätze», die er an der Hopkins University erblickt hatte, mit einem gewissen Mitleid für seinen noch immer halluzinatorisch-naiven Gesprächspartner mischte.
«Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie neidisch sind.»
Meine Treffen mit den Hopkins-Probanden hatten mich tatsächlich etwas neidisch gemacht, aber auch wesentlich mehr Fragen als Antworten hinterlassen. Wie sollen wir die «Erkenntnisse» beurteilen, die diese Leute von ihren psychedelischen Reisen mitbringen? Wie viel Bedeutung sollten wir ihnen beimessen? Woher kommt bloß das Material, aus dem diese Wachträume oder, wie eine Versuchsperson es formulierte, diese «intrapsychischen Filme» bestehen? Aus dem Unbewussten? Aus den Hinweisen ihrer Anleiter und der Umgebung des Experiments? Oder, wie viele der Teilnehmer glauben, von irgendwo «da draußen» oder «noch weiter weg»? Was bedeuten diese mystischen Bewusstseinszustände letztlich für unser Verständnis des menschlichen Geistes oder des Universums?
Was Roland Griffiths betrifft, so haben seine eigenen Treffen mit den Probanden der Studie von 2006 nicht nur seine Leidenschaft für die Wissenschaft wieder entfacht, sondern ihm auch einen größeren Respekt für alles eingeflößt, was die Wissenschaft nicht weiß – das er bereitwillig «die Mysterien» nennt.
«Für mich waren die Daten [von den ersten Sitzungen] … ich will nicht das Wort ‹atemberaubend› verwenden, aber das, was wir dort erlebten, war geradezu beispiellos, was die tiefe Bedeutung und den dauerhaften spirituellen Stellenwert der Auswirkungen anbelangt. Ich habe schon vielen Leuten viele Drogen verabreicht, und was dabei herauskommt, sind Drogenerfahrungen. Das Einzigartige an den Psychedelika ist die Bedeutung, die aus der Erfahrung hervorgeht.»
Aber wie real ist diese Bedeutung? Griffiths selbst ist Agnostiker – allerdings erstaunlich aufgeschlossen, auch in Hinsicht auf die Erfahrungsberichte der Probanden von einem «Jenseits», wie auch immer sie es definieren. «Ich bin bereit, an die Möglichkeit zu glauben, dass diese Erfahrungen stimmen können», sagte er. «Das Aufregende an der Sache ist, dieses Mysterium mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu erforschen und auseinanderzunehmen.»
Nicht jeder seiner Kollegen ist so aufgeschlossen. Als wir bei einem unserer Treffen auf der Glasveranda seines bescheidenen Ranchhauses in einem Vorort Baltimores frühstückten, erwähnte Griffiths einen Kollegen an der Hopkins University, einen bekannten Psychiater namens Paul McHugh, der psychedelische Erfahrung als eine Form von «toxischem Delirium» abqualifiziert. Er ermunterte mich, McHugh zu googeln.
«Ärzte begegnen diesem seltsamen, farbintensiven Geisteszustand bei Patienten, die an fortgeschrittener Leber-, Nieren- oder Lungenerkrankung leiden, wobei sich Giftstoffe im Körper sammeln und auf Gehirn und Geist genauso wirken wie LSD», hatte McHugh in der Besprechung eines Buches über das Harvard Psilocybin Project in Commentary geschrieben.37 «Die lebhafte Farbwahrnehmung, das Verschmelzen körperlicher Empfindungen, die Halluzinationen, die Orientierungslosigkeit und der Verlust des Zeitgefühls, die ständigen wahnhaften Freuden und Ängste, die unvorhersehbare Gefühle und Verhaltensweisen erzeugen – sind traurigerweise vertraute Symptome, die Ärzte tagtäglich in Krankenhäusern behandeln müssen.»
Griffiths gibt zu, es sei möglich, dass es sich bei dem, was er zu sehen bekommt, um eine Form zeitweiliger Psychose handelt, und plant, in einem bevorstehenden Experiment auf Delirium zu testen, doch er bezweifelt stark, dass diese Diagnose eine präzise Beschreibung für die Erfahrung seiner Probanden ist. «Patienten, die an einem Delirium leiden, finden das sehr unangenehm», erklärt er, «und sagen Monate später mit Sicherheit nicht: ‹Wow, das war eine der tollsten und bedeutendsten Erfahrungen meines Lebens.›»
William James setzte sich mit diesen Fragen der Glaubwürdigkeit in seiner Erörterung mystischer Bewusstseinszustände auseinander. Er kam zu dem Schluss, dass die Bedeutung dieser Erfahrungen «bei den Individuen, denen sie zuteilwerden, meist höchste Autorität» genieße und das auch so sein solle, doch für uns andere gebe es keinen Grund, «ihre Offenbarungen unkritisch anzunehmen».38 Und dennoch glaubte er, allein die Möglichkeit, dass jemand diese Bewusstseinszustände erleben kann, müsse sich auf unser Verständnis von Geist und Welt auswirken: «Das Vorhandensein mystischer Zustände räumt mit dem Anspruch nichtmystischer Zustände auf, sie allein seien die einzige und letzte Wahrheitsinstanz.»39 Diese alternativen Bewusstseinsformen «könnten unumgängliche Stufen auf unserem Weg der Annäherung zu den letzten Wahrheiten sein».40 Er erkannte in derartigen Erfahrungen, in denen «der aufsteigende Geist neue Gesichtspunkte erschließt»,41 Hinweise auf eine große metaphysische «Versöhnung»: «Es ist, als würden die Gegensätze der Welt, die Widersprüchlichkeiten und Konflikte, die die Ursache unserer ganzen Schwierigkeiten und Sorgen sind, zu einer Einheit verschmelzen.»42 Diese endgültige Einheit sei vermutlich keine Illusion.
Heute klingt Roland Griffiths wie ein Wissenschaftler, der sich hingebungsvoll seiner Forschung widmet – oder vielmehr wieder zu ihr zurückgefunden hat. «Ich habe Ihnen ja geschildert, dass ich mich von meiner Arbeit abgekoppelt fühlte, als ich zu meditieren begann, und überlegte, sie ganz aufzugeben. Ich würde sagen, ich verfolge jetzt einen ganzheitlicheren Ansatz als je zuvor. Ich bin jetzt mehr an den großen Fragen, den existenziellen Wahrheiten und dem Wohlbefinden interessiert, dem Mitgefühl und der Liebe, die aus diesen Praktiken entspringt. All das bringe ich ins Labor mit. Und es fühlt sich großartig an.»
Der Gedanke, dass wir uns mystischen Bewusstseinszuständen jetzt mit den Mitteln der Wissenschaft nähern können, beflügelt Roland Griffiths tagtäglich. «Wenn man als wissenschaftliches Phänomen einen Zustand erzeugen kann, bei dem siebzig Prozent der Leute sagen, sie hätten eine der bedeutendsten Erfahrungen ihres Lebens gehabt … das ist für einen Wissenschaftler einfach unglaublich.» Für ihn liegt die Bedeutung des Ergebnisses von 2006 in dem Beweis, «dass wir jetzt prospektive Studien [von mystischen Bewusstseinszuständen] durchführen können, weil wir diese mit hoher Wahrscheinlichkeit hervorrufen können. Damit bekommt die Wissenschaft richtig Aufwind.» Er glaubt, dass die Arbeit mit Psilocybin der wissenschaftlichen Forschung einen ganz neuen Bereich des menschlichen Bewusstseins erschlossen hat. «Ich betrachte mich als ein Kind in einem Süßwarenladen.»
Das Risiko, das Roland Griffiths 1998 bei seiner Karriere einging, als er beschloss, sich der Erforschung von Psychedelika und mystischer Erfahrung zu widmen, hat sich bereits ausgezahlt. Einen Monat vor unserem Frühstück hat Griffiths den Eddy Award vom College on Problems of Drug Dependence erhalten, den vielleicht renommiertesten Lebenswerk-Preis auf diesem Gebiet. Sämtliche Ernennenden führten Griffiths‘ psychedelische