Verändere dein Bewusstsein. Michael Pollan

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Verändere dein Bewusstsein - Michael Pollan

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Ichs. »Ein Dämon war in mich eingedrungen und hatte von meinem Körper, von meinen Sinnen und von meiner Seele Besitz ergriffen. Ich sprang auf und schrie, um mich von ihm zu befreien, sank dann aber wieder machtlos auf das Sofa.»10 Hofmann gelangte zu der Überzeugung, dauerhaft verrückt zu werden oder vielleicht sogar im Sterben zu liegen. »Mein Ich hing irgendwo im Raum in der Schwebe und ich sah meinen Leib tot auf dem Sofa liegen.»11 Doch als der Arzt ihn untersuchte, stellte er fest, dass Hofmanns Vitalfunktionen – Herzschlag, Blutdruck, Atmung – völlig normal waren. Das einzige Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, waren seine extrem geweiteten Pupillen.

      Sobald die akute Wirkung nachließ, verspürte Hofmann das «Nachglühen», das einer psychedelischen Erfahrung oft folgt, das genaue Gegenteil eines Katers. Als er nach einem Frühlingsregen in den Garten hinausging, »glitzerte und glänzte alles in einem frischen Licht. Die Welt war wie neu erschaffen.»12 Seither haben wir gelernt, dass die Psychedelika-Erfahrung stark von der eigenen Erwartung beeinflusst wird – keine andere Wirkstoffklasse ist in ihrer Wirkung beeinflussbarer. Da Hofmanns Erfahrungen mit LSD als einzige von vorangegangenen Berichten unbelastet sind, ist es interessant zu sehen, dass sie weder fernöstliche noch christliche Anklänge aufweisen, die schon bald zu den Gepflogenheiten des Genres gehörten. Doch die Schilderungen, dass vertraute Gegenstände zum Leben erwachten und »die Welt wie neu erschaffen» wirkte – der gleiche verzückte adamische Moment, den Aldous Huxley ein Jahrzehnt später so anschaulich in Die Pforten der Wahrnehmung beschreiben sollte –, wurden zu Gemeinplätzen psychedelischer Erfahrung.

      Hofmann kehrte mit der Überzeugung von seinem Trip zurück, dass erstens LSD ihn gefunden hatte statt umgekehrt und zweitens LSD eines Tages für die Medizin, insbesondere die Psychiatrie, von großem Wert sein würde, weil es der Forschung möglicherweise ein Modell der Schizophrenie lieferte. Ihm kam nie in den Sinn, dass sein «Sorgenkind», als das er LSD letztendlich betrachtete, auch zu einem «Genussmittel» und einer Droge werden könnte.

      Doch Hofmann sah in dem Umstand, dass die Jugendkultur sich LSD in den 1960er Jahren aneignete, schließlich eine verständliche Reaktion auf die Leere einer materialistischen, industrialisierten und spirituell verarmten Gesellschaft, die ihre Verbindung zur Natur verloren hatte. Dieser Meister der Chemie – der vielleicht materialistischsten aller Disziplinen – war nach seiner Erfahrung mit LSD-25 überzeugt, dass das Molekül der Zivilisation nicht nur ein potenzielles Therapeutikum lieferte, sondern auch einen spirituellen Balsam – indem es (in den Worten seines Freundes und Übersetzers Jonathan Ott) «im Gebäude der materialistischen Rationalität eine Bresche»13 schlug.

      Wie so viele, die ihm folgten, wurde der brillante Chemiker zu einer Art Mystiker, der ein Evangelium spiritueller Erneuerung und Wiederverbindung mit der Natur predigte. Als dem Wissenschaftler an jenem Tag im Jahr 2006 in Basel ein Strauß Rosen überreicht wurde, sagte er zu den versammelten Gästen: «Das Gefühl der Mitgeschöpflichkeit mit allen Lebewesen sollte stärker in unser Bewusstsein dringen, damit wir zu den Rosen, den Blumen, der Natur, der wir angehören, zurückkehren können.»14 Das Publikum brach in Beifall aus.

      Ein skeptischer Zeuge der Veranstaltung läge nicht völlig falsch, den kleinen Mann auf der Bühne als Gründer einer neuen Religion und das Publikum als seine Gemeinde zu betrachten. Aber falls es sich um eine Religion handelt, gibt es einen bedeutsamen Unterschied. Normalerweise können nur der Gründer einer Religion und vielleicht ein paar frühe Gefolgsleute die Autorität beanspruchen, die sich aus einer direkten Erfahrung des Heiligen ergibt. Allen, die danach kommen, bleibt nur die dünne Suppe der Erzählungen, die Symbolik des Sakraments und der Glaube. Die Geschichte verringert die ursprüngliche Kraft des Ganzen, die jetzt von den Priestern vermittelt werden muss. Doch die Kirche der Psychedelika bietet die außergewöhnliche Verheißung, dass alle mithilfe des Sakraments, das ein psychoaktives Molekül ist, jederzeit Zugang zur grundlegenden religiösen Erfahrung bekommen können. Glaube ist damit überflüssig.

      Neben dem spirituellen Unterton der Feier ging es jedoch auch um die vielleicht ziemlich schwer damit vereinbare Wissenschaft. Bei dem Wochenend-Symposium, das der Geburtstagsfeier folgte, untersuchten Forscher aus verschiedenen Disziplinen – darunter Neurowissenschaften, Psychiatrie, Pharmakologie, Bewusstseinsstudien und auch die Künste – die Auswirkung von Hofmanns Erfindung auf Gesellschaft und Kultur sowie ihr Potenzial, unser Verständnis des Bewusstseins und das Wissen über verschiedene schwer behandelbare Geisteskrankheiten zu erweitern. Eine Handvoll Forschungsprojekte, die sich mit der Wirkung von Psychedelika auf den Menschen beschäftigten, waren in der Schweiz und den Vereinigten Staaten genehmigt worden oder bereits im Gange, und die Wissenschaftler auf dem Symposium äußerten ihre Hoffnung, dass die lange Unterbrechung der Psychedelik-Forschung endlich zu Ende sei. Irrationaler Überschwang scheint in diesem Arbeitsfeld ein Berufsrisiko zu sein, aber 2006 sprachen gute Gründe dafür, dass sich der Wind tatsächlich drehen könnte.

      Der zweite Wendepunkt 2006 kam nur fünf Wochen später, als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in einem einstimmigen Urteil, verfasst vom neuen Obersten Bundesrichter John G. Roberts jr., entschied, dass die UDV, eine winzige religiöse Sekte, die einen halluzinogenen Tee namens Ayahuasca als Sakrament verwendet, das Getränk in die Vereinigten Staaten einführen dürfe, obwohl es die Schedule-One-Substanz Dimethyltryptamin oder DMT enthält.15 Die Entscheidung fußte auf dem Gesetz zur Wiederherstellung der Religionsfreiheit von 1993, das (unter der Bestimmung zur Religionsfreiheit im ersten Verfassungszusatz) das Recht der Indianer zu definieren versuchte, bei ihren Zeremonien Peyote einzusetzen, wie sie es schon seit Generationen taten. Das Gesetz von 1993 sagt, der Staat dürfe sich nur, wenn er «zwingende Gründe» habe, in die Ausübung einer Religion einmischen. In dem UDV-Fall hatte die Bush-Regierung argumentiert, wegen ihrer «besonderen Beziehung» zum Staat hätten ausschließlich Indianer das Recht, im Rahmen ihrer kultischen Handlungen Psychedelika einzunehmen, und sogar in ihrem Fall könne dieses Recht eingeschränkt werden.

      Das Gericht wies das Argument der Regierung zurück und legte das Gesetz von 1993 so aus, dass der Staat eine anerkannte Religionsgemeinschaft ohne Vorliegen eines zwingenden Grundes nicht daran hindern dürfe, bei der Ausübung ihrer Religion psychedelische Substanzen zu verwenden. Offenkundig schließt das relativ neue und kleine Religionsgemeinschaften mit ein, die eigens auf ein psychedelisches Sakrament oder eine «Pflanzenmedizin», wie die ayahuasqueros ihren Tee nennen, ausgerichtet sind. Die UDV ist eine christlichspiritistische Sekte, 1961 in Brasilien von José Gabriel da Costa gegründet, einem Kautschukzapfer, der, nachdem er zwei Jahre zuvor von einem Amazonas-Schamanen Ayahuasca erhalten hatte, durch Offenbarungen dazu inspiriert wurde. Die Kirche hat 17 000 Mitglieder in sechs Ländern, doch zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung gehörten nur 130 Amerikaner der UDV an. (Die Initialen stehen für União do Vegetal oder Vereinigung der Pflanzen, denn Ayahuasca wird hergestellt, indem man zwei amazonische Pflanzenarten, Banisteriopsis caapi und Psychotria viridis, zusammen aufbrüht.)

      Die Entscheidung des Gerichts löste in Amerika eine Art religiöse Erweckung im Zusammenhang mit Ayahuasca aus. Heute hat die Kirche fast 525 Mitglieder, mit Gemeinden an neun Standorten. Um sie zu versorgen, hat die UDV begonnen, die für den Tee benötigten Pflanzen in Hawaii anzubauen und sie den Gemeinschaften auf dem Festland ungehindert zu schicken. Doch die Zahl der Amerikaner, die außerhalb der UDV an Ayahuasca-Zeremonien teilnehmen, ist seit damals ebenfalls angestiegen, und allnächtlich finden irgendwo in Amerika (schwerpunktmäßig in der Bay Area und in Brooklyn) vermutlich Dutzende, wenn nicht Hunderte von Zeremonien statt. Die Strafverfolgung wegen Besitzes oder Einfuhr von Ayahuasca scheint, zumindest vorübergehend, eingestellt worden zu sein.

      Mit der Entscheidung von 2006 scheint der Oberste Gerichtshof einen religiösen Pfad – vielleicht schmal, aber fest in der Verfassung verwurzelt – zur gesetzlichen Anerkennung von psychedelischen Drogen geebnet zu haben, zumindest wenn sie von einer Religionsgemeinschaft als Sakrament benutzt werden. Man muss abwarten, wie breit oder ausgetreten dieser Pfad einmal sein wird, dennoch stellt sich die Frage, was die Regierung und der Gerichtshof tun, wenn ein amerikanischer José Gabriel da Costa auftaucht und versucht, die eigenen psychedelischen Offenbarungen

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