Bauern, Land. Uta Ruge

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Bauern, Land - Uta Ruge

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SCHLUSS Über Ferkel, Menschen und wohin der Fortschritt führt.

       ANMERKUNGEN

       GLOSSAR

       AUSGEWÄHLTE LITERATUR

      PROLOG

      ICH RANNTE HINTER DEN KÜHEN HER, um sie zum Melken zu holen, ich fütterte die Schweine und rupfte die Enten. Ich stapfte über den Hof und ahnte nicht, dass ich mich auf historischem Boden befand.

      Denn jeder Boden ist historisch.

      Auch ein Acker hat seine Geschichte.

      Wo ich ging und stand, war einmal Moor urbar gemacht und Torf gestochen worden. Die Gräben, über die ich sprang, und die Kanäle, über deren Brücken ich mit dem Fahrrad fuhr, waren vor hundert oder zweihundert Jahren gegraben worden. Und die Felder, auf denen wir im Frühjahr Kartoffeln pflanzten, in der Hitze des Sommers die Rüben verzogen und im Herbst den Roggen mähten, gab es erst seit der Moorkolonisierung – seit der Zeit von Kant, Hegel und Goethe.

      Erst als Kanäle und Schöpfwerke gebaut waren, Mitte des 19. und noch einmal im frühen 20. Jahrhundert, versanken die Äcker nicht mehr im Wasser der Überschwemmungen, von denen unsere Gegend – das Sietland, das ist das niedrige, ›siete‹ Land zwischen Elbe und Weser – zu fast jeder Jahreszeit heimgesucht wurde. Die Alten erzählten, wie sie dann das Heu zum Trocknen auf den Deich getragen und mit dem Kahn in die Scheunen gefahren haben.

      Manchmal versuche ich mir vorzustellen, ich hätte das Dorf nie verlassen.

      Ich bin 1957 als Kind von Flüchtlingen dort angekommen. Was wäre, wenn ich wie mein Bruder dort geblieben wäre. Er ist nur ein paar Jahre jünger als ich, als Sohn erbte er den Hof. Ganz selbstverständlich war es damals nicht mehr. Aber traditionell war es eben doch so. Ich erinnere mich, was mein Vater sagte, als ich empört rief, es sei nicht gerecht, wenn mir als Mädchen der Hof nicht einmal angeboten würde.

      »Willst du ihn denn haben?«, fragte er.

      Damit hat er mich zum Schweigen gebracht.

      Ich wollte ihn nicht.

      Und wollte ihn insgeheim doch.

      Aber ein halbes Ja und ein halbes Nein, das wäre nicht gegangen. Ganz oder gar nicht. So übernahm mein Bruder zusammen mit seiner Frau den Hof.

1. ANFÄNGE

      1. KAPITEL

      HEUTE

       Die Stimmung auf dem Hof meines Bruders.

      Ich staune.

      »Wachsen oder weichen«, sagt Waldemar, während er mir die Neuerwerbung zeigt. »Und der Große frisst den Kleinen«, sagt er noch. »Das ist immer so gewesen. Und glaub’ man nicht, dass das bei den Biobetrieben anders ist. Dieselbe Technik, dieselben Größen.«

      »Und? Gehörst du selbst inzwischen zu den Großen?«

      »Nein.« Mein Bruder lacht grimmig. »Aber nicht zu den ganz Kleinen. Noch nicht.« Er betrachtet die digitale Anzeige auf der uns zugewandten Rückseite des Melkroboters. »Von den zwanzig Höfen im Dorf sind vier übrig geblieben. Alle anderen haben aufgegeben.«

      Waldemar ist aus dieser Generation der Bauern im Dorf der Jüngste, das Rentenalter hat er noch nicht erreicht und er hat – anders als die meisten hier – einen Nachfolger. Sein Sohn will Bauer werden, ist es schon. Die moderne Technik, wie der Melkroboter, wird über Kredite finanziert, die man kriegt, wenn man Land besitzt.

      Jetzt fallen die Zitzenbecher vom Euter ab und der Roboterarm schwenkt beiseite, um die Kuh freizulassen und das Melkgeschirr sofort zu spülen. Das vordere Gatter öffnet sich, die Kuh bewegt sich ohne Eile aus dem Melkstand hinaus, dann schließt es sich wieder. Erst wenn Zitzenbecher und Milchschläuche mit Wasserdampf gereinigt sind – es dauert nur Sekunden –, öffnet sich das hintere Gatter und lässt die nächste Kuh ein.

      »Nebenan«, Waldemar zeigt zum Nachbarhof, »wird inzwischen Strom produziert, also Gas aus Biomasse. Das wird in Strom umgewandelt und ins Netz eingespeichert. Die Sauen, die sie halten, sind fast nur noch ein Anhängsel. Zwar sind sie einerseits die Grundlage des Geschäfts mit dem Strom, ebenso wie der Mais, der angebaut wird. Aber der Verkauf der Ferkel bringt weniger Geld ein als die – Entschuldigung – Scheiße, die den Strom erzeugt.«

      Wir hören eine Weile schweigend dem Pumpen und Zischen, dem Brummen und Schnaufen der Maschine zu. Der Roboterarm schwenkt unter den Bauch der neuen Kuh, hebt eine Düse direkt unter das Euter, eine desinfizierende Flüssigkeit wird aufgesprüht. Erst dann kommen die frisch gespülten Zitzenbecher angefahren und saugen sich einer nach dem anderen an den Zitzen der Kuh fest. Die hat inzwischen angefangen zu fressen.

      »Wie viele Melkroboter für wie viele Kühe brauchst du, um in ein paar Jahren abgeben zu können?«, frage ich. Die Hofübergabe an die nächste Generation schließt ja ein, dass der Nachfolger seinem Vorgänger ein Altenteil zahlen kann, also lebenslang Wohnung, Nahrung und ein bisschen Bargeld, so wie es mein Bruder und seine Frau Anna mit unseren Eltern gemacht haben.

      Mein Bruder winkt ab. »Die Frage ist im Moment, wie viel Land wir uns leisten können, um genug Futter für das Vieh anzubauen und seine Gülle* loszuwerden. Immer mehr große Stromerzeuger kaufen und pachten Land. Und obwohl weiß Gott genug Bauern aufgeben und viel Land auf dem Markt ist, wird der Boden immer teurer.«

      Mir kommt der Gedanke, dass die Übergabe an die nächste Generation womöglich nicht mehr stattfinden wird. Ich atme tief ein.

      Aber Waldemar hat genug von meinen Fragen. Er steht an der Tür des Melkstands, öffnet sie und ist schon halb draußen, als er noch sagt: »So ist das nämlich. Ihr wollt ja alle Biostrom. Aber ihr habt keine Ahnung.«

      Mit ›ihr‹ sind immer alle Städter gemeint – oder doch alle, die keine Landwirtschaft betreiben. Zu diesem ›ihr‹ zähle auch ich seit vielen Jahren.

      Auf dem Weg ins Haus gehe ich vorbei an den neugierig ihre Köpfe durchs Futtergatter steckenden Jungrindern. Ein paar Katzen begleiten mich zur Haustür.

      Die Hündin ist mit meinem Bruder gegangen.

      Seit

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