Im Dialog mit dem Körper. Susanne Kersig
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Ein achtsamer Dialog mit dem eigenen Körper
bringt uns in einen fühlbaren Kontakt mit unseren Selbstheilungskräften. Diese können direkt erfahren werden und bleiben keine bloßen Vorstellungen.
verursacht keine Schmerzen, sondern führt in der Regel zu mehr Wohlbefinden und zu einer Linderung der Symptomatik.
ist fast immer überraschend und kreativ. Das, was unser Körper selbst zu unserer Gesundheit sagen möchte, können wir weder allein mit unserem Verstand vorausdenken noch mithilfe vorgefertigter psychosomatischer Hypothesen vorwegnehmen.
führt dazu, dass Krankheiten oder Symptome, die zunächst als lästig oder unangenehm abgewehrt wurden, plötzlich in ihrem Zusammenhang zum eigenen Leben erkannt werden und Sinn ergeben. Das wiederum steigert die Akzeptanz und bringt meist Linderung oder gar Heilung.
ist vom Ergebnis her präzise und wird von einem tiefen Gefühl von innerer Stimmigkeit begleitet.
kostet nichts, wenn man ihn selbst durchführt.
stärkt das Vertrauen in die Weisheit des eigenen Körpers, das durch die Erkrankung möglicherweise in Mitleidenschaft gezogen wurde.
ist eigentlich gar nichts »Besonderes« – sondern das aller Einfachste, Nächstliegende und Selbstverständlichste!
Hier zwei weitere Beispiele aus meiner Praxis:
Chronische Müdigkeit
Die Arzthelferin Marianne leidet seit vielen Jahren unter chronischer Müdigkeit. Die Schulmedizin konnte ihr nicht weiterhelfen. Im Rahmen eines achtsamen Körperdialoges tauchen relativ rasch Bilder aus ihrer Kindheit auf, die ihr unangenehm sind und die sie zunächst wegschieben möchte, da sie für ihren Verstand nichts mit der Symptomatik zu tun haben. Nachdem sich die Bilder aber immer wieder vor ihr inneres Auge drängen, gibt sie ihnen wohl oder übel Raum. »Es sind Erinnerungen aus meiner Kindheit. Für meine Mutter war ich eine Last. Sie wollte immer ihre Ruhe haben. Für sie war es am angenehmsten, wenn ich mich nicht bewegte, schön still war oder besser noch schlief. Wenn ich das noch einmal auf mich wirken lasse, spürte ich eine enorme, mich erschütternde, bis jetzt unterdrückte Wut. Jetzt wird mir ganz klar: Wenn ich nicht bereit bin, diese Aggressionen zu fühlen, sacke ich in mich zusammen und werde schläfrig. Jetzt, wo ich mir erlaube, dorthin zu spüren, setzt das ungeahnte Energien in mir frei, die mich aber auch noch ein wenig beängstigen. Neben dieser Angst empfinde ich jetzt aber auch eine große Lust, weiter zu forschen und diese Energien ins Leben zu bringen!«
Schmerzen im Schultergelenk
Konstanze pflegt seit Jahren ihren Mann, der nach einem Schlaganfall viel Zuwendung von ihr verlangt. Sie ist 63 Jahre alt und leidet seit ein paar Wochen unter Schmerzen im rechten Schultergelenk. Diese ziehen sich über den Oberarm bis in den Unterarm hinein. Krankengymnastische Behandlungen blieben bisher ohne Erfolg. Ich lade sie ein, ihre Augen zu schließen und bei der schmerzenden Symptomatik in ihrem Schultergelenk zu verweilen, ohne etwas zu tun. »Es fühlt sich an, als würde ich einen viel zu schweren Rucksack tragen.« Sie seufzt. »Das passt sehr genau zu meiner Situation mit meinem kranken Mann. Ich will sie tragen und ertragen, aber sie ist zu schwer.« Auf meine Frage hin, ob die Schulter etwas dazu sagen möchte, spürt sie in sich hinein. »Die sagt: schultere dir nicht mehr so viel auf, gönn’ dir mehr Freizeit. Fang an, Nein zu sagen. Denk erst mal an dich.« Sie schweigt. Dann äußert sie: »Wenn ich jetzt in die Schulter fühle, merke ich, dass das Ziehen fast verschwunden ist.«
Unsere Symptome enthalten meistens, wenn wir ihnen zuhören, einen Bezug zu unserem Leben. Sie sind häufig so etwas wie verschlossene Briefe, die eine wichtige, lebensförderliche Botschaft für uns haben. Nur wir selbst können ihre Botschaft empfangen. Das Problem ist, dass wir die Sprache dieser »Briefe« nicht unmittelbar verstehen. Die Symptome teilen sich uns nicht in Worten mit, sondern in Empfindungen. Der Druck im Bauch, die Schmerzen im Rücken, die Entzündung im Schultergelenk, das Brennen, Ziehen oder Stechen – wir haben erstmal keine Ahnung von deren Bedeutung. Wir brauchen etwas, um diese Empfindungen in Worte oder Bilder zu übersetzen, die wir verstehen und die für uns Sinn ergeben.
Für mich hat sich das Focusing dabei als besonders hilfreich erwiesen.
Körperwissen systematisch Entschlüsseln: Das Focusing
Die von dem Philosophen und Psychotherapeuten Eugene Gendlin entwickelte Selbsthilfe- und Therapiemethode Focusing bietet uns einen systematischen und pragmatischen Weg, um körperliche Empfindungen in Sprache zu übersetzen und damit unser inneres Heilungswissen zu entschlüsseln. Dabei ist es einfacher als man denkt, die Sprache der Symptome zu verstehen. Das Focusing entspricht in vielerlei Hinsicht dem natürlichen Prozess von Selbstheilung. Es sagt uns aber nicht wie ein psychologischer Ratgeber, dass zum Beispiel unser niedriger Blutdruck dafür spricht, dass wir Konflikte vermeiden, sondern es bringt uns Zuhören bei, das achtsame Lauschen, bei dem wir über den Körper den nächsten Schritt in Richtung Gesundheit finden.
Benutzen wir Focusing auf dem Weg zur Genesung, so wird uns kein vorgefertigter Plan für unseren Weg mitgegeben. Es sagt uns keiner »Tu dies oder lass jenes, und du wirst gesund.« Stattdessen zeigt uns unser Körperwissen wie ein Kompass den nächsten Schritt.
Das Focusing stellt uns die Haltungen und Methoden zur Verfügung, die wir brauchen, um unser inneres Wissen um Heilung und Gesundheit in Sprache oder Bilder zu übersetzen und damit zu aktivieren.
Vorschau auf den weiteren Verlauf des Buches
Bevor ich darstelle, wie Sie mithilfe von Focusing achtsame Körperdialoge durchführen können, möchte ich zunächst darauf eingehen, wie wichtig es ist, dass wir selbst die Verantwortung für unsere Gesundheit übernehmen (Kapitel 2). Nach einer kurzen Erläuterung, was Focusing ist, gehe ich auf die Macht des Geistes und der inneren Bilder, auch anhand des Placebo-Effekts ein (Kapitel 3). Sie können daraus ersehen, wie wichtig die Körperdialoge für die Aktivierung der Selbstheilungskräfte sind. Die konkreten Körperdialoge beginnen wir damit, ein Ziel zu formulieren (Kapitel 4). Danach beschreibe ich in Kapitel 5 die Grundhaltung der inneren Achtsamkeit mit ihren heilenden Qualitäten vor. In der Praxis hat es sich bewährt, vor der konkreten Symptomerforschung ein Symbol für den Inneren Arzt oder die Innere Ärztin zu finden (Kapitel 6). Anschließend wird in Kapitel 7 das Prinzip Freiraum, das die Voraussetzung für einen Körperdialog ist, mit Übungen dargestellt. Lesen Sie in Kapitel 8, wie die eigentliche Auseinandersetzung mit Symptomen und deren Entschlüsselung verlaufen kann, auch mithilfe der Kunst der achtsamen Berührung. Im Kapitel 9 stelle ich dar, wie Sie mithilfe von achtsamen Körperdialogen alle Aspekte einer Erkrankung beleuchten und Antworten nachstehende Fragen erhalten:
Wie kann ich mit den Gefühlen, die mit dem Krankheitsprozess verbunden sind, heilsam umgehen?
Welche Gedanken und Einstellungen über meine Erkrankung sind wirklich heilsam?
Wie treffe ich im Dschungel der Heilungsangebote gute, für mich stimmige Therapieentscheidungen?
Wie erkenne ich mögliche, die Krankheit aufrechterhaltende Faktoren? Wie kann ich diese ggf. loslassen und die Bedürfnisse, die sich durch diese Symptomatik ausdrücken, besser befriedigen?
Wie möchte ich mich bezüglich meiner Krankheit verhalten, sodass meine Handlungen mit meinen Empfindungen und mit