Im Dialog mit dem Körper. Susanne Kersig
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Der Hirnforscher Gerald Hüther spricht ebenfalls von der Macht der inneren Bildern, die unsere Wahrnehmung von der Welt bestimmen und ordnen. Es sind diese im Gehirn gespeicherten Muster, die wir benutzen, um uns in der Welt zu orientieren. Offenbar entscheiden diese Bilder auch darüber, wie und wofür wir unser Gehirn benutzen. Joachim Faulstich stellt in seinem Buch Das Geheimnis der Heilung die These auf, dass unsere inneren Bilder die eigentlichen Steuerinstanzen sind, die Intelligenz, die das psychosomatische Netzwerk aus der Tiefe im Gleichgewicht hält (Faulstich 2010).
Bei einer ganzheitlichen Krankheitsbehandlung geht es dementsprechend nicht nur um die Bekämpfung von Symptomen, sondern um eine grundsätzliche Neuorientierung: eine Veränderung unheilsamer, häufig unbewusster Vorstellungen und Überzeugungen in Richtung heilender und wohltuender innerer Bilder.
Mithilfe der achtsamen Körperdialoge wird es uns möglich, unsere verborgenen, krankmachenden Bilder aufzuspüren. Einmal ins Licht des Bewusstseins geführt und körperlich gefühlt, findet unser Organismus dann häufig von selbst neue, heilende Bilder, die wiederum zu einer Neuorganisation des psychosomatischen Netzwerks führen. Am Ende eines Körperdialoges fühlen wir uns deshalb in aller Regel entspannter, wohliger und mehr in Einklang mit uns selbst. Wir haben neue Bilder und Einsichten gefunden, die uns stärken, heilen oder zumindest die Kraft geben, mit der Symptomatik oder der Erkrankung besser umzugehen.
WissenschaftlerInnen haben die seltenen Spontan-Heilungen von KrebspatientInnen untersucht, das sind Fälle, in denen Menschen entgegen aller Erwartung und ohne jede Behandlung wieder gesund wurden. Eine Gemeinsamkeit war, dass alle PatientInnen ihren ganz individuellen Weg gingen (Faulstich 2010). Wenn wir dies auf unseren Genesungsprozess übertragen, macht es zutiefst Sinn, dass wir unsere ganz persönlichen Bilder kennenlernen und neue, maßgeschneiderte Bilder für das finden, was Heilung für uns bedeutet. Sie werden in den Beispielen dieses Buches etliche solcher individuellen Heilungsbilder finden.
Kapitel 4
Einstieg in die Körperdialoge
Im Folgenden möchte ich Ihnen konkrete Übungen vorschlagen, mit deren Hilfe Sie Ihre Selbstheilungskräfte aktivieren und einen heilsamen Umgang mit Ihrer Erkrankung finden können. Um die achtsamen Körperdialoge zu lernen, ist es hilfreich, diese Übungen systematisch durchzugehen. Bitte fühlen Sie sich aber frei, zunächst nur die Übungsvorschläge aufzugreifen, zu denen Sie sich momentan auch hingezogen fühlen.
Bei einem konkreten Körperdialog mit einer erfahrenen Focusing-Begleitung wird es oft so sein, dass verschiedene Übungen und Methoden innerhalb eines einzigen Prozesses zur Anwendung kommen. Man beginnt vielleicht mit der Zielformulierung, dabei könnten schon schwierige Gefühle auftauchen. Dann geht der Freiraum verloren und sollte wiederhergestellt werden oder es bietet sich eine Berührung an. Es ist ein organischer, von der körperlich gefühlten Resonanz auf ein Thema geleiteter Prozess, den wir nicht mit dem Verstand vorausplanen können und bei dem wir vorher nie wissen, wie er sich entwickelt.
Stellen Sie sich das wie beim Tanzen vor. Zunächst zeigt man Ihnen im Tanzkurs einzelne Schritte wie Kreuz- oder Wechselschritt, Drehung oder Chassé. Sie wiederholen diese Schritte immer wieder, bis sie sitzen. Dann gehen Sie mit ihrem Partner in eine Bar, der Disc-Jockey legt eine heiße Scheibe auf, etwas, das gleich in die Beine geht, und auf der Tanzfläche denken weder Sie noch Ihr Partner oder Ihre Partnerin über die einzelnen Schritte nach, sondern Sie lassen alles, was Sie gelernt haben, einfach organisch ineinanderfließen, so, wie es sich gerade stimmig anfühlt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine guten »Flow«. Das Ganze ist nicht so kompliziert, wie es klingt. Wenn man einfach aufmerksam, präsent und im Raum des Nicht-Wissens verweilt, ergibt sich der nächste Schritt in der Regel wie von selbst.
Kommen wir nun zum ersten Schritt: der Zielformulierung.
Wir beginnen mit dem Ziel
Sobald der Geist auf ein Ziel gerichtet ist,kommt ihm vieles entgegen.
JOHANN WOLFGANG VON GOETHE
Am Beginn einer Reise überlegen wir in aller Regel, wo es hingehen soll. Fahren wir mit dem Auto und besitzen wir ein Navigationsgerät, dann tippen wir zunächst unser Ziel, zum Beispiel »Florenz« ein. Das Gerät errechnet uns die erwünschte Route und leitet uns in aller Regel sicher an den Ort unserer Wahl. Fährt jemand einfach los, ohne sich überhaupt Gedanken darüber zu machen, wo er eigentlich hinmöchte, dann landet man vielleicht an der Nordsee oder irgendwo, wo es ihm gar nicht gefällt.
Vergleichen wir den Weg zur Gesundung mit einer Reise, ist es ebenfalls hilfreich, wenn wir uns zu Beginn unserer achtsamen Körperdialoge Klarheit darüber verschaffen, was eigentlich unser Ziel ist. Wollen wir ein Symptom schlicht loswerden oder seine Botschaften verstehen? Geht es uns darum, mit einer chronischen Erkrankung besser zurecht zu kommen? Oder wollen wir Distanz zu unseren Schmerzen gewinnen? Möglicherweise geht es uns letzten Endes um eine umfassendere Heilung, um das Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele?
Finden Sie selbst heraus, was Sie sich von den achtsamen Körperdialogen wünschen und erhoffen. Sobald Sie darüber innere Klarheit haben, stellen Sie an Ihren Körper die Frage: Und wie würde ich mich fühlen, wenn ich das Ziel erreicht habe? Dann warten Sie ab, wie Ihr Körper antwortet.
Wenn wir unser Ziel nicht mit unserem Körperwissen, sondern nur vom Verstand her definieren, besteht die Gefahr, dass dieser uns Konzepte aufdrängt, die mit unserem inneren Erleben möglicherweise gar nicht in Übereinstimmung sind. Wenn wir die Frage nach dem Ziel aber an den ganzen Körper stellen, gehen wir sicher, dass auch unser Bauchgefühl und damit unser Erfahrungswissen mit im Boot sitzen. Auf dieses Weise stecken wir uns nur solche Ziele, hinter denen wir auch wirklich stehen.
Des Weiteren hat unser Körper eigentlich immer eine Ahnung davon, wie er sich fühlen würde, wenn das Problem gelöst wäre oder wir gesund wären. Erlauben wir uns, die Vorstellung unseres Ziels wirklich mit jeder Faser unseres Körpers zu fühlen, so als wenn wir es schon erreicht hätten, dann werden die entsprechenden Wege dorthin mental und physiologisch gebahnt. Leiden wir zum Beispiel unter einer Krebserkrankung und unser Ziel ist es, vollständig gesund zu werden, dann ist es hilfreich, uns zu fragen: »Wie würde ich mich fühlen, wenn ich wirklich geheilt wäre, wenn alle Krebszellen aus dem Körper verschwunden wären, mein Immunsystem stark und gesund wäre, und wenn ich das Leben führen würde, das ich wirklich führen möchte?« Danach warten wir einfach ab und lauschen, was unser Körper antwortet.
Bei kleineren Symptomen kann das Focusing über das Ziel mit der Vorstellung, man sei schon dort, manchmal in sich bereits so heilend sein, dass die Symptomatik vollständig verschwindet. Die Kraft der Vorstellung wirkt auf den eigenen Körper. Bin ich zum Beispiel gestürzt und habe meinen Arm in Gips, kann ich mir täglich vorstellen, die Armmuskulatur mit Hanteln zu trainieren. Ich visualisiere dann, wie ich meinen Arm hebe, tanze, jemanden umarme usw. Tatsächlich wird der Muskelschwund, wenn der Gips abgenommen wird, sehr viel geringer sein als bei jemandem, der nicht »im Geiste trainiert« und seine Wunschvorstellung visualisiert hat. Die gefühlte und gespürte Zielvorstellung bei einem achtsamen Körperdialog gibt uns nicht nur eine klare Richtung vor, sie ist in ähnlicher Weise unmittelbar körperlich wirksam. Unser Gehirn hat die große Fähigkeit zur Veränderung. Dabei spielt unsere Aufmerksamkeit eine wichtige Rolle. Richten wir sie mit Interesse, Ausdauer und Begeisterung auf etwas, so