Leben nach der DDR. Klaus Behling

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Leben nach der DDR - Klaus Behling

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besaßen, belegt auch »ein weiteres Problem«, das Theo Waigel im gleichen Schreiben ansprach:

      »Ich meine, dass Löhne und Gehälter nach dem 1. Juli nur in einer produktivitätsorientierten Weise angehoben werden sollten. Für den öffentlichen Bereich, der – wie Sie wissen – personell stark überbesetzt ist, können m. E. keine Steigerungen im Haushalt 1990 verkraftet werden. Ich befürchte deshalb, dass kostenwirksame Ministerratsbeschlüsse, wie z. B. über den Rahmenstrukturplan für Finanzämter, die falschen Zeichen setzen, zumal präjudizielle Auswirkungen auf den gesamten öffentlichen Bereich nicht auszuschließen sein werden. Nach meiner Erfahrung ist es außerdem für den Finanzminister wenig hilfreich, wenn er selbst mit Mehrforderungen in die Ressortauseinandersetzungen gehen muss …

      Mit freundlichen Grüßen …«

      Dass mit der Währungsunion die Zügel kräftig angezogen wurden, bestätigte Ministerpräsident Lothar de Maizière: »Für das zweite Halbjahr gab es einen Haushaltsplan. Die 63 Milliarden DM Ausgaben waren linear errechnet worden, nur die Exportsubventionen wurden verringert, aber es waren nur 55 Milliarden DM vorhanden, denn 7,9 Prozent hatten wir wegen Mindereinnahmen gesperrt. Die Ausgaben wurden bis zu 32 Milliarden DM durch Transferleistungen finanziert – 22 Milliarden Bundeszuschüsse und 10 Milliarden Bundesbankkredite.«

      Die Finanzkrise in der DDR spitzte sich zu. Walter Romberg wies darauf hin, dass die 10 Milliarden DM Bankkredit für 1990 nicht reichen würden, Finanzstaatssekretär Manfred Carstens aus Bonn rechnete den Bedarf herunter und prognostizierte für die neuen Länder bis 1994 eine Kreditnachfrage »bei 24 Milliarden Mark«, der DDR-Finanzminister kalkulierte mit 90 Milliarden Mark. In der zweiten Lesung des Haushalts in der Volkskammer beschwerte sich Walter Romberg: »Nichts von dem, was das Kabinett in den letzten Monaten, immer mit Zustimmung des Bundesfinanzministers, beschlossen hat, wurde mit zusätzlichen Mitteln aus Bonn unterstützt.«

      Dort dachte man inzwischen an die bevorstehende gesamtdeutsche Bundestagswahl. SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine drängte die Genossen im Osten, die Koalition mit der CDU aufzukündigen. Richard Schröder, SPD-Fraktionschef in der Volkskammer, weiß es noch: »… wir sollten aus der Koalition austreten. Das Hauptargument war der Wahlkampf. Die Idee, die dahinter stand, fand ich nicht sehr fein: Hier geht es wirtschaftlich den Bach herunter, und wir wollen damit nicht in Zusammenhang gebracht werden.«

      Auch Ministerpräsident Lothar de Maizière sah die Ursachen für das Ende seiner Koalition mit der SPD am 16. August 1990 so: »Ein Grund ist, dass im August 1990 Oskar Lafontaine in die Fraktion der Volkskammer kam und sagte: ›Freunde, wir sind im Vorwahlkampf, und Wahlkampf aus einer Koalition heraus ist nicht zu führen. Ihr müsst eben sehen, wie ihr nach Möglichkeit aus der Koalition herauskommt!‹«

      Der Hebel dazu lag beim Geld. Der DDR-Ministerpräsident: »Ich hatte eine große Meinungsverschiedenheit mit Walter Romberg. Walter Romberg wollte, dass alle im Osten gezogenen Steuereinnahmen im Osten Deutschlands bleiben, dafür aber auch auf alle Zuschüsse aus dem Westen verzichten. Und ich habe ihm damals gesagt: ›Walter, wir haben keine Bestandssteuer, wir haben keine Vermögenssteuer oder sonst irgendwas, wir haben keine Ertragssteuern, unsere Betriebe haben keine Gelder, die sie versteuern können, wir werden kaum Lohnsteuern haben, weil die Leute so wenig verdienen, dass sie unter den Freisätzen bleiben, also all die üblichen Steuern, die so ausfallen, werden wir nicht ziehen. Hundert Prozent von nichts ist immer noch nichts.‹ Nein, er wäre anderer Ansicht, und er würde anders verhandeln.«

      Finanzminister Walter Romberg begründete das: »Natürlich wusste ich auch, dass das Steueraufkommen im Osten nur ein Bruchteil dessen werden würde, was der Westen kassierte. Dort gingen damals 57 Prozent aller Steuern an den Bund. Dadurch sah ich die Entwicklung der angestrebten föderalen Struktur im Osten als gefährdet an.«

      Gelöst wurde der Streit, indem Lothar de Maizière auf seine Richtlinienkompetenz als Regierungschef pochte: »Und da habe ich im Beisein der Fraktionsvorsitzenden gesagt: ›Walter, ich gebe dir 24 Stunden Bedenkzeit. Wenn du dich nicht entschließen kannst, die von mir vertretene Verhandlungsposition zu vollziehen, dann muss ich dich ablösen.‹«

      So geschah es. Walter Romberg: »Wir haben noch einmal telefoniert. Der Ministerpräsident rief mich an, weil ich mich nicht gemeldet hatte. Am Ende sagte er: ›Dann betrachte dich als abgesetzt.‹ Ein Bote brachte wenig später die Urkunde.«

      Daraufhin trat die SPD aus der Koalition der letzten DDR-Regierung aus, und auch der SPD-Fraktionschef Richard Schröder legte sein Amt nieder. Ihm folgte Wolfgang Thierse. Auch er sah den Grund für den Bruch der Koalition in der Übermacht aus Bonn: »Die große Koalition ist ja am Ende auch deshalb geplatzt, weil wir nicht mehr den Eindruck hatten, dass die sozialdemokratischen Minister in der Regierung de Maizière überhaupt angemessen Einfluss nehmen konnten, dass Lothar de Maizière immer stärker von Kohl bestimmt wurde. Die Vereinbarungen galten nicht mehr so, und ich dachte, was ist denn das für ein Spiel? Wir können doch nicht in einer Regierung sein, in einer Koalition, die – nach unserer Wahrnehmung, vielleicht ist das ungerecht, aber sie war damals emotional ganz stark – nur noch instrumentalisiert ist von Helmut Kohl und seiner Regierung.«

      Vom Geld aus dem Westen, das der Katalysator für die dramatische Entwicklung im Sommer 1990 war, wurde nicht mehr gesprochen.

      Was wurde aus den »Anteilscheinen« am Volkseigentum?

      Als die Treuhand am 31. Dezember 1994 ihre Tätigkeit einstellte, übernahmen verschiedene Nachfolger die verbliebenen Aufgaben. Neben einer Gesellschaft zur Verwertung der Liegenschaften und einer für Grund und Boden war die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderausgaben (BvS) der wichtigste noch verbliebene Abwickler. Geregelt wurde ihre noch Jahre dauernde Tätigkeit durch zwei »Treuhandunternehmensübertragungsverordnungen«, ein Wort, das so lang ist, dass es nicht einmal zwischen den Duden-Buchdeckeln Platz findet. Die Kurzform klingt nicht viel besser:»TreuhUntÜV«. Trotzdem schienen sie nötig, denn 2006 berichtete Bernd Halstenberg, damals Chef der BvS, dass er manchmal merkwürdige Briefe bekäme. Sie rankten sich um die meist wütend gestellte Frage, wo denn der persönliche Anteil des Absenders am »Volkseigentum« der DDR geblieben sei, der immer noch nicht auf dem privaten Girokonto eingegangen sei. Die Antwort schrieb der Computer.

      Eigentlich war das nur noch eine Erinnerung an den Wahlkampf aus dem Frühjahr 1990, als es um die erste freie Volkskammer der DDR ging. Sie sollte den weiteren Weg in die Einheit bestimmen. Bundeskanzler Helmut Kohl, dessen CDU im Osten das Wahlbündnis »Allianz für Deutschland« geschmiedet hatte, blieb bei der im Westen bewährten Methode und versprach schlichtweg »blühende Landschaften«. Dem wollte die SPD, die sich große Chancen auf die Macht erhoffte, etwas Konkreteres entgegensetzen.

      Am 14. März 1990 verkündete sie über die Deutsche Presseagentur (DPA), was geschehen sollte, wenn sie an die Macht käme: »Die DDR-SPD will bei einem Wahlsieg am Sonntag in der DDR an jeden Bürger, vom Säugling bis zum Rentner, Anteilscheine im Nennwert von 40.000 DDR-Mark an Investmentgesellschaften vergeben. Wie die wirtschaftspolitischen Sprecher der Partei in Ost-Berlin vor Journalisten erläuterten, soll damit ein breit gestreutes Eigentum erreicht werden. Ferner soll verhindert werden, dass sich die bisherigen SED-Funktionäre im Wirtschaftsbereich bei einer künftigen Umwandlung volkseigener Betriebe über Sonderrechte bereichern. Es wäre eine ›Perversion‹, wenn jetzt damit angefangen werde, zu verkaufen, was eigentlich den Bürgern gehöre. Die Vergabe von Anteilscheinen sei auch eine Entschädigung für ›29 Jahre Mauer-Haft‹, so die SPD-Sprecher.«

      Die Forderung aus dem »Volkseigentum«, über das niemand verfügen konnte, individuellen Besitz zu machen, war bereits am »Zentralen Runden Tisch« entstanden, dem »Nebenparlament« nach dem Sturz der SED. Am 26. Februar 1990 forderten die dort vertretenen Parteien und Bürgerbewegungen die Umwandlung der Rechtsform der volkseigenen Betriebe zu beschleunigen, damit das Eigentum der Bürger gesichert würde.

      Diese

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