Kultur- und Literaturwissenschaften. Группа авторов
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kultur- und Literaturwissenschaften - Группа авторов страница 14
Da „eigene“ und „fremde“ Perspektiven grundsätzlich unvollständig sind und sich zur Vervollständigung ergänzen müssen, setzen interkulturell-hermeneutische Ansätze die kompensatorische, optimierende und maximierende Wirkung mangelnden Wissens voraus. Interkulturelle Kompetenzinterkulturelle Kompetenz ist im Sinne des Ausgleichs unterschiedlicher Wissensbestände daher auch als eine InkompetenzkompensationskompetenzInkompetenzkompensationskompetenz bezeichnet worden (Marquard 1995).
Da die Distanz zum Fremden, die Fremdheit, nichts objektiv Gegebenes ist, sondern sich relativ zum Vorwissen des Betrachters und der Betrachterin beziehungsweise des Lerners verhält, basiert die angestrebte Horizontverschmelzung (fusion of horizons)Horizontverschmelzung (fusion of horizons) von fremder und etablierter Perspektive auf einer normativen Wirkung des vorhandenen Horizonts, der den Maßstab für die zu erwerbenden neuen Kompetenzen bildet.
Mit dem folgenden Modell (aus Roche 2001: 51) lassen sich die in Bezug auf die Verstehbarkeit des Fremden idealisierten Grundprinzipien interkulturell-hermeneutischer Unterrichtsverfahren vereinfacht darstellen. Es geht davon aus, dass Fremdverstehen im Unterricht möglich, erwünscht und zielgerichtet ist.
Abbildung 1.6: Prämissen erfolgreicher interkultureller Kommunikation; L1 = Erstsprache, L2 = Zweitsprache (Roche 2001: 48)
Abbildung 1.7: Vereinfachtes Modell interkulturellen Verstehens im Sinne interkulturell-hermeneutischer Ansätze (Roche 2001: 51)
Ein minimaler Code muss demnach im extremsten Falle außer einer Einigung über den Wert besseren Verstehens und einer grundlegenden Kommunikationsbereitschaft keine weiteren Bedingungen umfassen. Das trifft etwa auf Schülerinnen und Schüler zu, die sich auf Fremdsprachenunterricht einlassen, ohne in der Lage zu sein, eine Relevanz für die eigenen Interessen und Ziele darin zu erkennen. Die Bereitschaft, eine Sprache zu lernen oder mit Fremden zu kommunizieren, signalisiert ein (temporäres) Einverständnis mit den Minimalanforderungen interkultureller Kommunikation. Damit dieses idealisierte Modell funktionieren kann, bedarf es nicht nur eines fremdkulturellen Partners oder Partnerin, sondern auch eines Mediums, das die Bedeutung vermittelt, erkennbar macht oder die Beteiligten in die Lage versetzt, Bedeutung auszuhandeln. Dieses Medium ist in der Regel eine Sprache oder ein anderes Zeichensystem, das zum einen ein Minimum an vermeintlichen Gemeinsamkeiten (als Ausgangsbasis) aufweist, zum anderen sich aber auch für einen offenen Diskurs eignet.
Diese kommunikativen Prämissen sind im Unterricht – und im Alltag – jedoch in Wirklichkeit oft nicht gegeben: Erstens will nicht jeder, der einer fremden Kultur begegnet, sie auch verstehen (lernen), und nicht jeder Lerner, der Fremdsprachenunterricht erhält, hat tatsächlich ein Interesse am Erlernen der fremden, und am besseren Verstehen, seiner eigenen Sprache. Auch will nicht jede „Kultur“ von außen verstanden werden (Ihekweazu 1987; Zimmermann 1991). Im Gegenteil, manche Kulturen verweigern Fremden den Zugang oder verlangen eine Autorisierung des Verstehens durch die „Besitzer“ dieser Kultur (zum Beispiel indigene Kulturen in Nordamerika). Zweitens ist eine möglichst große Korrespondenz zwischen den Zeichensystemen anzustreben zwar das idealisierte Ziel der gängigen interkulturell-hermeneutischen Verfahren, aber wie aufwändig das in der Praxis ist, zeigt die Translationstheorie bei der Herstellung funktionaler Äquivalenzen zwischen Sprachen und bei der Abstimmung von Funktion und Form in Übersetzungen deutlich auf. Gründe für die Schwierigkeiten sind nicht nur die mangelnden interkulturellen Korrespondenzen, sondern auch die große intra-sprachliche Variationsbreite aufgrund von diatopischen, diastratischen, diaphasischen, medialen und anderen Variablen. Vergleiche hierzu die Ansätze der interkulturellen Germanistik bei Wierlacher (1987) und Thum (1993), kritisch dazu etwa die Beiträge von Fan (1999) und Webber (1990), sowie die kritische Würdigung der Entwicklungen in der interkulturellen Hermeneutik in dem Beitrag von Fäcke (2006).
Da sich die kommunikativen Prämissen wegen ihrer Komplexität und Zirkularität nicht so leicht einlösen lassen, ist verschiedentlich versucht worden, über die Definition universeller Minimalinventarien von Kommunikationsprinzipien die Grundlagen für erfolgreiche Kommunikation zu etablieren. Zu diesen gehören etwa die Kommunikationsmaximen von Grice (1975) oder das Kommunikationsmodell von Ruben (1987). Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass diese Modelle nicht weniger von kulturellen Prämissen beeinflusst sind als andere. Für einen Lerner zumindest ergibt sich daraus, das Problem, dass er bereits über ein vorentwickeltes Niveau an Fremdverstehenskompetenz oder kommunikativem Konsens verfügen muss, um Zugang zur fremden Sprache und Kultur bekommen zu können. Die Minimalinventarien kommunikativer Prämissen sind zudem mit einem methodischen Problem behaftet, das auch die Ansätze des interkulturellen Trainings belastet: dem Problem der interkulturellen Äquivalenz der Definitionskriterien. Die Semantik der Dimensionen, Standards und Orientierungen im interkulturellen Training ist keinesfalls universell einheitlich. Eine semantische Äquivalenz lässt sich auch beim methodischen Inventar nicht durch eine einfache Übertragung der Begriffe in andere Sprachen herstellen, sondern erfordert die Ermittlung der kulturellen Bedeutung (des kulturellen Wertes) der Kriterien. Die ethnozentrische Besetzung der Kriterien spiegelt also nur eine nach einheitlichen Kategorien klassifizier- und steuerbare Kommunikation vor (vergleiche hierzu auch die Kritik von van Es 2004).
Beeman, Hayami und Rabson (1993: 159) veranschaulichen die Problematik der semantischen Übertragbarkeit mit Blick auf die Vermittlung landeskundlicher Inhalte folgendermaßen:
The prime objective of anthropology is to come to an understanding of society from the viewpoint of a native. This is difficult when everything is in translation. Many social and cultural concepts in Japanese have no English equivalents. It is usually necessary, therefore, to use the Japanese terms in explaining these concepts to an English-speaking audience. Confronting this vocabulary in a Japanese setting gives a whole new impact to students’ understanding of the ideas behind the words. Additionally, Japanese writing styles convey a flavor in the material which itself is extremely significant for understanding Japanese culture. This cannot be adequately conveyed in English.
Bei der Ermittlung der kulturellen Bedeutung ergeben sich zwangsläufig unterschiedliche Gewichtungen der durch die Begriffe abgebildeten Werte und Einstellungen, zum Beispiel bei der Konstruktion von Wahrhaftigkeit, die unter den Grice’schen Kommunikationsmaximen eine zentrale Rolle einnimmt. Im Gegensatz zu der Grice’schen Maxime der Wahrhaftigkeit gilt es in manchen Gesellschaften zum Beispiel als höflich und gesichtswahrend, einem Ortsfremden ausführliche Orts-, Richtungs-, Entfernungs- oder Zeitangaben zu geben, obwohl dem Sprecher das sachlich zutreffende Wissen fehlt und er dies auch weiß. Wenn aber selbst einfachste Standards in interkultureller Kommunikation nicht als gesichert gelten können, scheint das gegenseitige Verstehen stark vom Zufall abhängig. Die explizite Kontrastierung von Eigenem und Fremdem bietet dabei nur eine begrenzte Lösungsmöglichkeit.
1.3.2 Innen- und Außenperspektive
Viele Lehrpläne fordern für die Vermittelbarkeit fremder Kulturen nicht nur die Gegenüberstellung unterschiedlicher Perspektiven, sondern auch deren wechselseitige Einnahme durch die Lerner. Die Einnahme der Fremdperspektive (der Innenperspektive des Fremden) liefert dazu die entscheidenden Impulse: „Die Grundstruktur des Verstehens besagt, dass wir uns in Andere versetzen und eine Innenperspektive einnehmen, so dass wir die Welt mit ihren Augen zu sehen versuchen“ (Bredella