Bruder Tier. Karl König

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Bruder Tier - Karl König Karl König Werkausgabe

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der Fall; fertig ausgestaltet treten sie in den beiden Endperioden des Tertiärs, im Miozän und Pliozän, auf. Nach Wachsmuths Untersuchungen9 entsprechen diese geologischen Epochen den Anfängen der alten atlantischen Zeit, sodass in dieser Erdepoche, in welcher die Urformen der Säugetiere sich erst auszubilden begonnen haben, die Robben schon fertig ausgestaltet auftreten. Liegt hier nicht ein Widerspruch vor, der eine Erklärung fordert? Sind die Robben vielleicht die Vorfahren aller damals entstehenden Säugetiere? Nicht Vorfahren im Sinne einer Evolutionslehre, die ein Tier aus dem anderen durch irgendwelche illusorischen Kräfte der Vererbung und Anpassung entstehen lässt, sondern Vorläufer so, dass sie ihre primitive Leibesform, ihre angedeuteten Glieder, ihren runden Körper bewahrt und nicht spezialisiert haben? Wahrscheinlich waren die Robben niemals wirkliche Landtiere, da die feste Erde erst um die Mitte der atlantischen Zeit so hart geworden ist, dass Tier und Mensch sich darauf stützen und Fuß fassen konnten.

      Wenn wir diesen Überlegungen folgen, dann kann uns der Robbenleib in einem neuen Anschauungsunterricht entgegentreten. Erinnert er nicht an eine embryonale Gestalt? Ein menschlicher Embryo, am Ende des zweiten Monats, obwohl nicht größer als etwa 25 mm, gemahnt in seiner Ausbildung durchaus an die Form der Robben. Auch im Embryo sind die Gliedmaßen noch kleine, unbedeutende Stummel; die Augen sind rund, die Lider stehen weit auseinander. Der Mund ist lippenlos und gleicht einem Spalt. Und der Embryo schwebt im Wasser des ihn umhüllenden Fruchtsacks.

      Begegnen wir hier, in zunehmender Verfestigung, Verdichtung und Vergrößerung, den Erinnerungen an frühe Erdenzeiten? Die Robben wurden keine Fische, weil sie noch bis in die Anfangszeiten der Atlantis hinein im Verband des Menschseins verblieben sind. Sie hatten undifferenzierte, embryonenartige Leiber, die sich schwebend-schwimmend in der noch nicht verdichteten Wassererde bewegten. Am Beginn der Atlantis, als das Gedächtnis und die Sprache sich ausgestalteten und die Menschenvorfahren, deren Teil die Robben waren, die ersten Schritte zur Ich-Werdung vollzogen, begann ihr Abstieg.10 Sie gingen zu schnell in die Verdichtung hinein und verhärteten ihre embryonale Menschengestalt.11 Deshalb verlieren sie jetzt noch ihr Milchgebiss schon zur Zeit der Geburt und werden nur wenige Wochen gestillt. Als Säuglinge wachsen sie so schnell, dass sie in kürzester Zeit zu unabhängigen Wesen werden. Diese überstürzte Säuglings- und Kindheitszeit weist deutlich auf den plötzlichen und viel zu schnell sich vollziehenden Tierwerdungsprozess hin.

      Die Robben sind Zeugen dafür, dass die Ursprünge des Menschheitswerdens in jener hyperboräischen Region lagen, die am Erdenanfang als breiter Gürtel um den Nordpol herum gelegen hat. Dort waren die Menschenvorfahren und auch die Robbenvorfahren; sie waren beide identisch. Am Beginn der Atlantis, als die Erwerbung des Persönlichkeitsbewusstseins einzusetzen anfing, fiel ein Teil der werdenden Menschheit voreilig, noch als eine Art von Menschen-Embryonen, in die Verfestigung. Sie wurden zur Ordnung der Robben. Sie sind die Ursäugetiere, die als Embryonalformen fortpflanzungsfähig geworden sind.12

      Sie tragen aber nicht nur ihre embryonale Formgebärde mit sich, sondern auch die innige Verbindung zur Sonne, die einstmals die Hyperboräis durchwirkt hat. Heute noch folgen sie, im Rhythmus von Polarnacht und Polartag, dem Sonnenlauf. Sie waren niemals eigentliche Landtiere gewesen; im Gegenteil! Aus den Wassern der frühen Atlantis, in die sie allzu bald hineintauchten, versuchten sie, auf der allmählich sich verdichtenden Erde Fuß zu fassen. Das ist ihnen nicht mehr gelungen. Jedes Jahr machen sie erneut diesen Versuch und vertrauen in einer rührenden Lebensgebärde ihre Jungen dem Trockenen an; das aber ist nur ein Traum, der so schnell vergeht, wie er gekommen ist, und wenn die Herbststürme einsetzen, müssen sie zurück ins Meer, wohin sie die untergehende Polarsonne ruft. Das ist das Erdenschicksal aller Robben, dass sie als Menschenembryonen zu schnell sich verdichteten. Dadurch tauchten sie in die Wasser der Weltmeere unter; sie erreichten die Antarktis und fanden dort die Lebensbedingungen ihrer einstigen Heimat wieder. Immer neu versuchen sie, das Land zu erreichen, und immer neu werden sie vom Wasser überwältigt. Sie stellen ein über die ganze Erde reichendes Denkmal einer frühen Menschwerdung dar. Blicken wir in ihre Augen, dann sehen wir uns selbst, wie wir einstmals waren und empfinden dumpf, wie wir geworden und was sie, die Robben, geblieben sind.

      Sie sind uns so nahe, weil sie sich nicht wie die anderen Säuger spezialisiert haben. Sie sind weder Raub- noch Huftiere. Sie sind nicht jene lemurischen Erinnerungsformen, denen man in den Marsupialiern (Beuteltiere) und Monotremen (Kloakentiere) begegnet, noch jene dem Zerstören hingegebenen Formen, die wir als Nagetiere kennen.

      Verwandt sind sie den Walen und Delphinen, aber auch diese haben eine andere Abkunft.13 Die Robben machten dann später die atlantische Katastrophe mit und kamen dadurch in alle jene Erdgebiete, die von ihnen heute noch bevölkert werden.

      Zur Mythologie

      Die Eskimos lebten einst in enger Verbindung mit Robben und Walen. Wenn früher ein Seehund oder Walross auf der Jagd erlegt wurde, dann blieb der erfolgreiche Jäger für drei Tage in seiner Hütte; während dieser Zeit durfte er weder Speise noch Trank zu sich nehmen; auch seine Frau durfte er nicht berühren. In seinem Haus blieb alle Arbeit liegen; die Liegestatt wurde nicht zurechtgeschüttelt und der Tran von den Lampen nicht weggewischt.

      Nach drei Tagen aber war die Seele der erlegten Robbe frei und kehrte in ihren Mutterschoß zurück. Dann konnte auch das tägliche Leben und Jagen wieder beginnen.14 Die Seelen der Seehunde, Walrosse und Wale gehen heim zu Sedna, der großen Göttin:

      Sie ist die Mutter aller Seetiere und die Hauptgöttin der Eskimos. Von ihr wird angenommen, dass sie über das Schicksal der Menschen waltet … Ihr Sitz ist in der Unterwelt; dort wohnt sie in einem Haus, das aus Steinen und Walknochen gebaut ist. Die Seelen aller Robben und Wale stammen aus diesem Haus. Dorthin gehen auch die Seelen nach ihrem Tode wieder zurück.

      Eine außerordentliche Zahl von Riten und Tabus ist bei den Eskimos mit den Robben verbunden. Die Seelen dieser Tiere sind mit bedeutend größeren Gaben als diejenigen von Menschen begabt. Was sie nicht ertragen ist der Dampf, der aus menschlichem Blut aufsteigt, und der Schatten und die dunkle Farbe des Todes. Auch menstruierende Frauen sind ihnen unleidlich.

      Die Eskimos empfinden dumpf, dass Blut und Tod jene Ich-Kräfte und Persönlichkeitsmotive enthalten, denen die Robben sich einstmals entzogen haben. Sie gehören noch zur Göttin der Unterwelt und der Erdentiefen; zu jenem Bereich der Mütter, aus dem das Menschenschicksal einstmals kam. Rudolf Steiner hat dargelegt, dass die «Mütter» dort zu finden sind, wo die vergangenen Stufen der Erdenentwicklung liegen.15 In jene Vergangenheitsgebiete hinein reichen auch die Seelen der Robben; dort haben sie ihren gemeinsamen Ursprung mit den Menschen, ihren Brüdern.

      Diese aber haben in den letzten Jahrhunderten diese Bruderschaft verleugnet. Sie begannen im Norden und Süden der Erde eine unheimlich erbarmungslose Jagd auf ihre eigenen Vorfahren zu machen. Millionen Seehunde, Walrosse, Seelöwen, Leopardenrobben, Pelzrobben wurden vernichtet. Mit Keulen, Ästen, Gewehren und Messern wurden ganze Geschlechter ausgerottet und Arten zum Aussterben gebracht. Das aber wurde nicht von den Eskimos, die im engsten Lebensverband mit den Robben leben, angerichtet. Es wurde von Russen und Deutschen, Engländern und Japanern, Holländern, Skandinaviern, Amerikanern aus Raff- und Geldgier vollzogen. Immer seltener werden nun die Robben, und das Haus der Göttin Sedna wird wohl mit ihren Seelen dicht bewohnt sein. Diese mütterliche Göttin der Erdentiefen wacht auch über das Schicksal der Menschen; was aber wird aus einer Menschheit, die das Bild ihrer Herkunft blindwütig vernichtet? Verleugnet sie damit nicht handgreiflich ihren göttlichen Ursprung?

      Nur wenige wissen noch die wahre Ursprungsgeschichte der Robben, und selbst der Lappe Aslak, der Sohn Siri Mattfis, der am 24. Mai 1944 von der Herkunft der Robben so erzählte, «wie die Väter es überliefert haben», ahnt nur mehr die Wahrheit.16 Er sprach vom Auszug der Juden aus Ägypten, von deren Durchgang durch das Rote Meer und von den sie verfolgenden Agyptern. Und dann heißt es:

      Da hob

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