PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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Hermogenes: Allerdings ist es mir gar sehr recht.
Sokrates: Lächerlich wird es freilich herauskommen, glaube ich, Hermogenes, wie durch Buchstaben und Silben nachgeahmt die Dinge kenntlich werden. Aber es muß doch so sein; denn wir haben nichts besseres als dieses, worauf wir uns wegen der Richtigkeit der ursprünglichen Wörter beziehn könnten. Wir müßten denn, auf ähnliche Art, wie die Tragödienschreiber, wenn sie sich nicht zu helfen wissen, zu den Maschinen ihre Zuflucht nehmen und Götter herabkommen lassen, uns auch hier aus der Sache ziehen, indem wir sagten, die ursprünglichen Wörter hätten die Götter eingeführt, und darum wären sie richtig. Soll auch uns dies die beste Erklärung dünken, oder jene, daß wir manche unter ihnen von den Barbaren überkommen hätten, wie die Barbaren denn allerdings älter sind als wir, oder auch die, daß ihr Alter es eben so unmöglich machte sie zu erklären, (426) wie ihr barbarischer Ursprung? Denn dies wären wohl sämtlich Ausreden, und zwar recht stattliche, für den, der nicht Rechenschaft geben wollte von den ursprünglichen Wörtern, wiefern sie richtig wären. Indes aus welchem Grunde auch Jemand die Richtigkeit der ursprünglichen Wörter nicht verstände, es müßte ihm immer gleich unmöglich sein die der abgeleiteten zu verstehen, welche notwendig aus jenen müssen erklärt werden, von denen er nichts versteht. Sondern offenbar muß, wer hierin ein Kunstverständiger zu sein behauptet, dies an den ursprünglichen Wörtern vorzüglich und am meisten zeigen können; oder er wisse, daß er bei den abgeleiteten nur leeres Geschwätz treiben wird. Oder dünkt es dich anders?
Hermogenes: Keinesweges anders, o Sokrates.
Sokrates: Was ich nun von den ursprünglichen Wörtern gemerkt habe, dünkt mich gar wild und lächerlich. Davon will ich dir also gern mitteilen, wenn du willst; weißt du aber irgend woher etwas besseres zu nehmen, so versuche mir das auch mitzuteilen.
Hermogenes: Das will ich tun; sprich du nur dreist.
Sokrates: Zuerst scheint mir das R gleichsam das Organ jeder Bewegung zu sein, welche wir ja selbst auch noch nicht erklärt haben, woher sie diesen Namen führt. Aber es ist wohl offenbar, daß er auch ein Gehen bedeuten will, und er kommt von Weg her; nur daß wir kein einfaches Zeitwort wegen mehr haben. Sich bewegen heißt aber soviel als sich auf den Weg machen, und Bewegung also drückt das auf dem Wege sein aus; indes könnte man auch das Gehn dazu nehmen, und Weggehung sagen oder Weggang. Das Stehen aber will nur ein Stillen des Gehens ausdrücken, der Verschönerung wegen aber ist es Stehen genannt worden. Der Buchstabe R also, wie ich sage, schien dem, welcher die Benennungen festsetzte, ein schönes Organ für die Bewegung, indem er sie durch seine Rührigkeit selbst abbildet; daher bedient er sich desselben hiezu auch gar häufig. Zuerst schon in Strömen und Strom stellt er durch diesen Buchstaben die Bewegung dar; eben so in Trotz und in rauh, und in allen solchen Zeitwörtern wie rasseln, reiben, reißen, zertrümmern, krümeln, drehen, alle dergleichen bildet er größtenteils ab durch das R. Denn er sah, daß die Zunge hiebei am wenigsten still bleibt, sondern vorzüglich erschüttert wird, daher gewiß hat er sich dessen hiezu bedient. Das G hingegen zu allem dünnen und zarten, was am leichtesten durch alles hindurchgeht; (427) daher stellt er das Gehen und das Gießen durch das G dar. Wie im Gegenteil durch W, S, Sch und Z, weil die Buchstaben sausend sind, stellt er alles dergleichen dar und benennt es damit, schaudern, sieden, zischen, schwingen, schweben; auch wenn er das schwellende nachahmt, scheint der Wortbildner meistenteils dergleichen Buchstaben anzuwenden. Dagegen scheint er das Zusammendrücken und Anstemmen der Zunge bei d und t und der Lippen bei b, und p, für eine nützliche Eigenschaft zu halten zur Nachahmung des bindenden dauernden so wie des Pech und Teer. Eben so hat er bemerkt, daß bei dem l die Zunge am behendesten schlüpft, und hat sich dieser Ähnlichkeit bedient um das lose, lockere und schlüpfrige selbst, und das leckere und leimige und viel anderes dergleichen zu benennen. Wo nun aber der entschlüpfenden Zunge die Kraft des G oder K zu Hülfe kommt, dadurch bezeichnet er das glatte, gleitende, gelinde, klebrige. Von dem n bemerkte er, daß es die Stimme ganz nach innen zurückhält, und benannte daher damit das innere und innige um durch den Buchstaben die Sache abzubilden. Das a widmete er dem ganzen, langen, das e dem gedehnten ebenen, weil die Buchstaben groß und vollständig tönen. Für das runde brauchte er das u als Zeichen, und drängte daher in den Namen des kugelrunden besonders soviel davon zusammen als möglich. Und so scheint auch im übrigen der Wortbildner sowohl durch Buchstaben als Silben jeglichem Dinge seine eigene Bezeichnung und Benennung angewiesen und hieraus denn das übrige ebenfalls nachahmend zusammengesetzt zu haben. Dieses nun, o Hermogenes, scheint mir die Richtigkeit der Benennungen sein zu wollen, wenn nicht unser Kratylos etwas anderes meint.
Hermogenes: Mir wenigstens, Sokrates, macht Kratylos oft und viel hiemit zu schaffen, wie ich auch gleich anfangs sagte, indem er zwar behauptet, es gebe eine Richtigkeit der Worte, aber gar nichts bestimmtes darüber sagt, worin sie bestehen soll, so daß ich nicht einmal weiß, ob er mit Willen oder wider Willen jedesmal so unbestimmt darüber spricht. Jetzt also, Kratylos, sage in Gegenwart des Sokrates, ob dir das gefällt was Sokrates über die Benennungen sagt, oder ob du anderswie etwas besseres darüber zu sagen hast; und hast du das, so sage es, um entweder selbst vom Sokrates zu lernen, oder uns beide zu belehren.
Kratylos: Wie doch, Hermogenes, denkst du, es sei so leicht, auch nur irgend etwas so in der Geschwindigkeit zu lernen oder zu lehren, viel weniger etwas so wichtiges, daß man es wohl unter das größte rechnen muß.
(428) Hermogenes: Das denke ich beim Zeus nicht! nur scheint mir Hesiodos ganz recht zu haben, daß wenn noch so geringes zu noch so geringem du legest, es immer ein Vorteil ist. Wenn du uns also nur um ein Weniges weiter bringen kannst, so laß es dich nicht verdrießen, sondern tue dem Sokrates diesen Dienst, und auch mir denke ich, bist du es wohl schuldig.
Sokrates: Wollte doch ich selbst, Kratylos, nichts von dem beschwören, was ich gesagt, sondern ich habe die Sache nur so wie sie mir erschien, mit dem Hermogenes durchgenommen. Deshalb also sage nur dreist, was du etwa Besseres hast, ich will es wohl aufnehmen. Und wenn du etwas schöneres als dieses zu sagen hättest, wollte ich mich nicht wundern; denn ich merke wohl, du hast sowohl selbst hierüber nachgedacht, als auch von andern gelernt. Bringst du also etwas schöneres vor: so zeichne mich nur auch unter deine Schüler in der Sprachkunde.
Kratylos: Allerdings, Sokrates, habe ich mich wie du auch sagst, viel mit diesen Dingen beschäftiget, und machte dich vielleicht wohl zu meinem Schüler. Ich fürchte nur, es geschieht ganz das Gegenteil, weil mir in den Sinn kommt dir zu sagen, was Achilleus in der Bittgesandtschaft zum Aias sagt. Er sagt nämlich, Aias, göttlicher Sohn des Telamon, Völkergebieter, Alles hast du beinahe mir aus der Seele geredet. So hast auch du, Sokrates, mir gar sehr nach meinem Sinne geweissagt, es sei nun, daß du vom Euthyphron begeistert warst, oder daß eine andere Muse dir schon lange unbewußt eingewohnt hat.
Sokrates: Ja, guter Kratylos, ich wundere mich selbst schon lange über meine eigne Weisheit, und kann kaum daran glauben. Daher dünkt mich, ich sollte wohl noch einmal genauer zusehn, was wohl eigentlich daran ist. Denn von sich selbst hintergangen zu werden, ist doch das allerärgste. Denn wenn der Betrieger auch nicht auf ein Weilchen sich entfernt, sondern immer bei der Hand ist, wie sollte das nicht schrecklich sein? Daher muß man, denke ich, fleißig wieder umkehren zu dem zu vorgesagten, und versuchen, nach jenem Dichter, zugleich vorwärts zu schauen und rückwärts. So laß uns jetzt sehen, was wir doch gesagt haben. Die Richtigkeit des Wortes, sagten wir, besteht darin, daß es anzeigt wie die Sache beschaffen ist. Wollen wir sagen, dies sei gründlich gesprochen?
Kratylos: Mir wenigstens scheint es gar sehr, Sokrates.
Sokrates: Also der Belehrung wegen werden Worte gesprochen?
Kratylos: Freilich.
Sokrates: