Die Bewusstseinsrevolution. Sebastian Siegel
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Das Paradox
Die Gezeitenströmung
Für meinen Vater Lee,
von dem ich zuerst lernte, wie wild und verrückt
das Leben ist
Für Alan Watts,
dessen Stimme zu mir sprach
Für Ken Wilber,
dessen Worte mich wiedererweckt haben
KAPITEL I
Das Schicksal, die Hand, die sich dir entgegenstreckt, und der Übermensch
Das Schicksal
Wenn du eine Reise vorhast, dann bestimmst du gewöhnlich zuerst dein Ziel. Ist es ein Hotel, das Meer, eine schöne Landschaft mit Feldern und Wäldern? Möchtest du Freunde besuchen, an einer Veranstaltung teilnehmen, ein besonderes Ereignis erleben, das du dir in deiner Vorstellung ausmalen kannst? Oder ist es dein eigentliches Ziel, dich zu verirren? Wenn das Reiseziel einmal bestimmt ist, dann legst du als Nächstes die Route fest. Erfahrene Reisende planen ihre Ferien, ihr Abenteuer, ihre Tour immer im Voraus. Dann fahren sie los, um Neues und Unerwartetes zu entdecken.
Das Beispiel der Reiseplanung zeigt, wie leicht die Neigung entstehen kann, ein Gefühl der Vorbestimmtheit zu entwickeln. Das betrifft auch unsere Lebensreise als Ganzes. Wenn wir an Schicksal denken, so meinen wir oft die Ahnung von etwas Unvermeidbarem, von etwas, was wir spüren und kommen sehen, und was einen endgültigen Charakter hat. Es besteht zwar kein Zweifel daran, dass Zielorientierung eine Schlüsselvoraussetzung dafür ist, um sich erfolgreich durchs Leben zu bewegen. Andererseits aber ist es eine Illusion zu glauben, dass wir garantiert an einem bestimmten Ort ankommen werden, und von dort auf die zurückgelegte Wegstrecke zurückschauen.
Im Englischen wird »Schicksal« meist als »destiny« wiedergegeben. Das Oxford Wörterbuch des Englischen (Oxford English Dictionary, OED) gibt dafür die folgende Definition: »Ereignisse, die einer bestimmten Person oder Sache in der Zukunft unbedingt zustoßen werden.« Das Wort ist mit dem deutschen Fremdwort »Destination« verwandt und kommt vom Lateinischen »destinare« … vorbestimmen, festlegen. »Destiny« ist also etwas, was schon festgelegt ist.
In diesem Begriff des Schicksals liegt aber eine doppelte Gefahr. Wenn ich einerseits zuversichtlich in die Zukunft schaue und etwas Gutes erwarte, so kann mich diese Sichtweise dazu verführen, zu zaudern und notwendige Handlungen aufzuschieben. Es passiert ja sowieso, da brauche ich nichts weiter für zu tun! Andererseits aber, wenn ich der Zukunft eher ängstlich entgegensehe und etwas Schlimmes erwarte, dann brauche ich auch nicht zu handeln, da jeder Versuch, das Unvermeidbare abzuwenden, ohnehin nutzlos wäre. Im Unterbewusstsein helfen wir dann vielleicht sogar dabei mit, das unerwünschte Ereignis hervorzubringen. Man nennt das oft eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Diese Einstellung erklärt auch die andauernde Faszination mit den »Prophezeiungen« des Nostradamus, die zuerst im Jahre 1555 veröffentlicht wurden. Seine Vorhersagen sind so geheimnisvoll und unpräzise formuliert, dass sie das Interesse und die Fantasie der Menschen nun schon seit Jahrhunderten beschäftigen. Gewöhnlich werden die Schriften des Nostradamus im Nachhinein so interpretiert, als hätten sie historische Ereignisse wie den Brand Londons (1666), die Französische Revolution (1789) und den darauf folgenden Aufstieg Napoleons »vorausgesagt«.
Hitlers Aufstieg und Fall soll zum Beispiel in den folgenden beiden Vierzeilern angekündigt worden sein:
Im tiefsten Westen von Europa,
wird von armen Leuten ein junges Kind geboren,
durch seine Sprache verführt es große Menschenmassen,
sein Lärm wird in den Reichen des Ostens anwachsen.
(Nostradamus: Centurien III, 35)
Bestien, wild vom Hunger, durchschwimmen den Fluss,
größere Teile des Heeres stellen sich gegen Hister,
Im eisernen Käfig wird sie der Große verschleppen,
wenn das Kind Deutschlands nichts beobachten wird.
(ebd. II, 24)
Andere Beispiele für Ereignisse, die hinterher in den Text hineininterpretiert wurden, sind der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki sowie die jeweiligen Attentate auf die beiden Kennedybrüder. Der Angriff auf das World Trade Center in New York am ii. September 2001 soll in den folgenden Zeilen vorhergesagt worden sein:
Erschütterndes Feuer aus der Mitte der Erde,
lässt die neue Stadt erbeben:
Zwei große Felsblöcke führen über lange Zeit Krieg,
dann wird Arethusa den neuen Strom rot färben.
(ebd. I, 87)
Manchmal wurde dieses »etwas in den Text hineinlesen« auch zu Propagandazwecken missbraucht. So entdeckte Joseph Goebbels’ Frau Magda zu Beginn des Zweiten Weltkriegs einen Nostradamus-Vierzeiler, den sie als Prophezeiung eines Sieges der Nazis auslegen zu können glaubte. Goebbels benutzte diese Information dann in einem Pamphlet, das in ganz Europa verbreitet wurde und dazu dienen sollte, andere Länder davon zu überzeugen, dass die nationalsozialistische Position gerechtfertigt war. Zur selben Zeit benutzten auch die Metro-Goldwyn-Mayer-Studios in Hollywood die Texte des Nostradamus mit dem Ziel, die amerikanische Kriegsmoral zu stärken.
Ein anderes Beispiel, das übrigens viel zur Popularität des Nostradamus beitrug, ereignete sich schon zu seinen Lebzeiten. Im Jahre 1555 traf er sich mit Katharina von Medici, der Frau des französischen Königs Heinrich II. von Orléans. Katharina war an Nostradamus’ Weissagungen über die Zukunft ihrer Familie und des Königreichs interessiert. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes, des Königs, im Jahr 1559, als dieser an den Folgen eines Unfalls während eines Lanzenturniers starb, wurden die folgenden Zeilen als Prophezeiung interpretiert:
Der junge Löwe wird den alten besiegen,
auf dem Kampfplatz in einem einzigen Duell:
Im goldenen Käfig wird er ihm die Augen ausstechen,
zwei Wunden werden eine, er stirbt einen grausamen Tod.
(ebd. I, 35)
Heinrich wurde von einem Grafen Montgomery getötet. Dieser war sechs Jahre jünger als der König und beide trugen Schilde, auf denen Löwen abgebildet waren. Montgo-merys ansonsten stumpfe Lanze zerschellte und verwundete den König an zwei Stellen: ein Splitter drang durchs Auge ins Gehirn und ein zweiter verletzte ihn an der Schläfe. Heinrich überlebte noch zehn Tage und starb eines qualvollen Todes. Kein Wunder eigentlich, dass diese Übereinstimmungen vom Standpunkt Katharinas wie eine Vorhersage aussahen.