Die Bewusstseinsrevolution. Sebastian Siegel
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Ein Beispiel dafür ist der Prozess der Konditionierung, dem wir in der Regel von der frühen Kindheit an ausgesetzt sind und der dazu dienen soll, dass wir uns in der Welt zurechtfinden, indem wir die Regeln und Konventionen der Welt lernen. In Wahrheit sind diese Konventionen nichts anderes als Regeln für ein bestimmtes Spiel, das gespielt werden soll, und deren Einhaltung es dir erlaubt, mitzuspielen. Die Regeln sind letztlich nur ein schmückender Rahmen für das Spiel. Der Trick ist hier, dass man die Illusion als Spiel wahrnimmt und das Spiel als Illusion. So kann man an der konventionellen Welt in dem Bewusstsein teilnehmen, dass man schon aus dem Traum erwacht ist.
Wenn du dann am Ende deines jetzigen Lebens Rückschau hältst, dann wirst du nicht sagen müssen, dass du zu viel getan oder zu viel riskiert oder zu viel geliebt hast. Im Gegenteil. Falls du noch einmal die Chance hast, wiedergeboren zu werden, wirst du sagen, du musst noch mehr tun, noch mehr riskieren, noch mehr geben, noch mehr Kontakte knüpfen und Verbindungen herstellen, und noch mehr lieben. Das Spiel des Lebens will mit vollem Einsatz gespielt werden. Das heißt aber nicht, dass du dich erwartungsvoll an ein bestimmtes Ergebnis klammern sollst und dann verzweifelst, wenn du es nicht erzielen kannst.
Vom ersten Tag unseres Lebens an lernen wir die Illusion des Getrenntseins, die Illusion des Todes und die Illusion des Duftes von allem, was dazwischenliegt. Dadurch werden wir zum Mitschöpfer dieser Illusionen. Viele unserer inneren Impulse und Antriebe stehen im Widerspruch zueinander. Nehmen wir zum Beispiel den Trieb zur Anpassung, welchem der Trieb entgegensteht, herauszuragen und sich von der Masse abzuheben. Beide scheinen notwendig zu sein, aber beide stehen im Konflikt. Dieses Beispiel veranschaulicht ein wesentliches Paradox unseres menschlichen Lebens, unserer Teilnahme an der Illusion des Maya.
In eine Gemeinschaft eingegliedert zu sein, ist überlebensnotwendig. Diese Notwendigkeit, sich anzupassen und sich in die Gesellschaft sowie in soziale Gruppen zu integrieren, hat aber zur Folge, dass Menschen leicht Opfer von Gehirnwäsche werden, besonders wenn schwerfällige, bürokratische Strukturen in Regierung, Wirtschaftsunternehmen, Militär und bestimmten religiösen Organisationen im Spiel sind.
Was die Notwendigkeit zur individuellen Selbstverwirklichung angeht, so gibt es eine große Herausforderung bei der Steuerung dieses Impulses. Allzu oft führen Versuche, die eigene Autonomie zu stärken, Führungsqualitäten zu entwickeln und seine Individualität zum Ausdruck zu bringen, zu Ablehnung, Konfrontation und Entfremdung. Eine solche Reaktion kann durchaus ein Hinweis darauf sein, dass man beim Versuch, aufzufallen und sich hervorzutun, zu weit gegangen ist und ein schlechtes Urteilsvermögen bewiesen hat. In diesem Fall haben dann die gesellschaftlichen Normen die Funktion, eine negative Rückmeldung zu geben. Einerseits heißt das, dass man an die Normen der Mehrheit angepasst wird. Andererseits aber dient eine solche Reaktion also Barometer der persönlichen Entwicklung und unterstützt somit den eigenen Reifungsprozess.
Dann aber gibt es immer wieder Konflikte, die dadurch entstehen, dass jemand im Verlauf der Selbstverwirklichung allzu deutlich sieht, was in einer Gesellschaft wirklich los ist. Es wird deutlich, dass das Militär den Willen des Individuums zu brechen sucht, dass die Wahlen manipuliert werden, dass das Gesundheitswesen so organisiert ist, dass es krank macht und krank hält, dass die Medien eher Instrumente der Gehirnwäsche sind als echte Informationsquellen, und schließlich, dass die Religionen nur dann im Geschäft bleiben können, wenn es ihnen gelingt, den menschlichen Verstand im Zaum zu halten. Den Verstand, aber nicht die Seele …
Die Ironie liegt dabei darin, dass die genannten gesellschaftlichen Gruppen meist aus durchaus gutwilligen und hilfsbereiten Menschen bestehen. Die meisten Priester und Kleriker wollen dir wirklich den Weg in den Himmel zeigen. Beamte und öffentliche Bedienstete haben deinen Vorteil im Sinn und Ärzte wollen eigentlich, dass du gesund wirst. Journalisten sind vorwiegend daran interessiert, die Wahrheit herauszufinden, und die Mehrzahl der Politiker will die Welt wirklich verbessern. Das Problem liegt also nicht in der Schlechtigkeit der Menschen, sondern in den Dysfunktionen der Strukturen und Systeme, in die diese Menschen eingebettet sind.
Solche Strukturen schaffen Abhängigkeiten, und das ist eine Erkenntnis, mit der nicht so einfach umzugehen ist. Was tun, wenn man diese Wahrheit sieht? Entweder spielst du das Spiel wider besseres Wissen mit oder du leistest Widerstand. Die Stimme deiner tieferen Weisheit mahnt dich zur Vorsicht, im Wissen, dass etwas nicht stimmt. Das heißt nicht unbedingt, dass es einen klar identifizierbaren Gegner oder ein deutlich umrissenes Problem gibt. Also spielst du das Spiel mit und du fühlst die Wärme seiner einzelnen Bestandteile sowie deiner Mitspieler – eine Wärme, die echt und einladend ist. In der Folge wird deine Seele mit Bequemlichkeit erpresst und der Preis dafür ist die Betäubung deiner ursprünglichen und authentischen Stimme. Du wirst dazu verführt, eine Scharade der Normalität zu akzeptieren, und erntest dafür nur Apathie und Gleichgültigkeit. Es entsteht eine mechanische Puppe, die nach künstlichen Glücksgefühlen verlangt. Es entsteht der rhythmische Schlag einer seelenlosen Musik, die dich bis zur völligen Vergesslichkeit hypnotisiert. Es entsteht die zweidimensionale Verlockung der Technologie, die ein Happy End verspricht. Mit den Worten Terence McKennas: »Kultur ist nicht dein Freund.«
Das ist das Maya, von dem es zu erwachen gilt, und du bist der Einzige, der dich davon erwecken kann. Ein Koan im Zen-Buddhismus ist ein Rätsel ohne logische Antwort. Der Sinn eines Koans ist es zu zeigen, dass es niemals endgültige Antworten gibt. Im Leben geht es nicht um den Nettoprofit und es gibt auch keine Wissenschaft, die seinen Sinn auf eine einzelne Aussage oder Theorie reduzieren kann. Das Koan ist sowohl weise als auch humorvoll und diese Mischung kann dich aus der Scharade erwecken.
Große Kunst kann dieselbe Wirkung haben. Ein Lied, ein Gedicht, ein Gemälde oder eine poetische Sprache erlauben deinem Herzen, zu vernehmen, was deine Ohren nicht hören können, und deiner Seele, zu erblicken, wofür deine Augen blind sind. Das Paradox der Sprache liegt darin, dass sie uns beschränkt, aber gleichzeitig auch befreien kann. Die Aufgabe des Künstlers ist es also, eine Sprache zu verwenden, die das konventionelle Bewusstsein durchdringt und die üblichen Ausdrucksformen überwindet, so-dass du den Telefonanruf Gottes beantworten kannst. Das Licht der Morgendämmerung enthüllt sich und weckt dich aus dem Schlaf der Illusion.
Ein Bodhisattva ist eine Art von Buddha, der seine Erleuchtung und seine »Buddhaschaft« bewusst verschiebt und in den Zyklus des Lebens zurückkehrt, um andere bei ihrem Erwachen zu helfen. Der Teil deiner selbst, der den Ruf zum Erwachen erhört, und der bereit ist, andere zu erwecken und das Licht mit ihnen zu teilen, das ist der Bodhisattwa in dir. Sein Modus Operandi ist Mitgefühl und er kann in unzählig vielen Formen auftauchen. Er erscheint als Träumer, als Geliebter, als Künstler, als Heiler, Mutter, Arbeiter oder auch als Gärtner. Eines der bekanntesten Beispiele ist das des mythischen Bodhisattvas Avalokiteśvara, dessen Namen im Sanskrit so viel wie »Herr, der nach unten schaut« bedeutet.
Ein bestimmtes Thema kommt häufig in verschiedenen Kulturen und Schriften vor, unabhängig von Religion und Rasse. Es ist der Gedanke, dass Menschsein bedeutet, die Verantwortung für die Fortdauer des Lebens zu tragen. Beginnt nicht jeder Tag im Leben mit dem Erwachen? Wer oder was ist es in dir, der dich erweckt? Vielleicht ist es gerade jener »Herr, der nach unten schaut«, der tief in deiner Seele wohnt, an einem Ort, der jenseits deines gegenwärtigen Lebens liegt. Dort gibt es einen Brunnen des Wissens, der gleichzeitig innerhalb und außerhalb deiner selbst ist. Du bist in diesem Brunnen und er ist in dir. Dieser Brunnen ist der »Herr« und du bist dieser Brunnen. Er ist das Auge, das immer geöffnet ist, selbst wenn es geschlossen ist. Er ist der Atem, den du jetzt atmest, der dich in die Welt gebracht hat, und der auch dann fortdauert, nachdem du gegangen bist und aufgehört hast, ihn zu tragen. Er ist das