Handbuch zu Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Bernd-Jürgen Fischer
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2014 Elena Baevskaja (= Helen Bayes) (Übers. und Komm.): V storonu Svanna. [»Die Seite von Swann.«] Moskau: Azbuka-Atticus, 2014.
Die erste Textseite »Combray« der chinesischen Übersetzung von 2010.
In weitere Sprachen
Inzwischen liegen Übersetzungen in die meisten größeren Sprachen vor, darunter neben den oben genannten insbesondere ins Arabische (Kairo 2006), Koreanische, Hebräische, Japanische, Rumänische (Bukarest 1987) oder Vietnamesische (Hanoi 2013). Übersetzungen in Hindi (600 Millionen Sprecher), Malayisch (200 Millionen Sprecher) oder Urdu (60 Millionen Sprecher) stehen allerdings noch aus. Jedoch muss auch der Subkontinent nicht mehr gänzlich ohne Proust auskommen, denn 1986 wurde immerhin Du côté de chez Swann in die indische Sprache Malayalam übersetzt (Region Kerala, ca. 33 Millionen Sprecher).
Die erste komplette Übersetzung der Recherche war die ins Tschechische unter dem Titel Hledání Ztraceného Času durch ein fünfköpfiges Team unter der Leitung von Jaroslav Zaorálek, die 1927–30 in Prag bei Odeon erschien (die englische wurde erst 1931 abgeschlossen). Inzwischen ist eine neue Übersetzung von Prokop Voskovec und Jiří Pechar erschienen, die auf dem revidierten Tadié-Text beruht.
In Italien wurde die Bedeutung Prousts schon früh erkannt; so hatte der Autor und Kritiker Lucio d’Ambra (d. i. Renato Tommaso Manganella, 1880–1939) bereits am 10. Dezember 1913 Prousts Werk in der Rassegna contemporanea der italienischen Öffentlichkeit wärmstens ans Herz gelegt: »Merken Sie sich diesen Namen und diesen Titel: […]. In fünfzig Jahren werden unsere Nachkommen den einen neben Stendhal, den anderen neben Le Rouge et le noir und La Chartreuse de Parme rücken«.51 Dennoch nahm erst 1937 Natalia Ginzburg (1916–91) für Einaudi eine Übertragung von Swann in Angriff. Diese Übersetzung konnte sie, bedingt durch die Verfolgung ihres Ehemannes, der im antifaschistischen Widerstand aktiv war, und die Wirren des Krieges, erst nach Ende des Mussolini-Regimes fertigstellen;52 sie wurde unter dem Titel La Strada di Swann im Rahmen der Einaudi-Gesamtübersetzung 1946–51 der Recherche herausgegeben und 1990 in einer von der Übersetzerin überarbeiteten Fassung wiederaufgelegt. Als Erklärung für das späte Erscheinen von Proust-Übersetzungen in Italien verweist der Romanist Paolo Pinto in seinem Online-Aufsatz53 »Due errori curiosi nelle traduzioni di Proust« darauf, dass vor dem Zweiten Weltkrieg die Beherrschung des Französischen für das gebildete italienische Bürgertum eine zu große Selbstverständlichkeit war, als dass Bedürfnis nach einer Übersetzung bestanden hätte. – Besondere Beachtung verdient aber die Ausgabe von 1983–93 bei Mondadori mit der Übersetzung durch den Schriftsteller und Journalisten Giovanni Raboni unter dem Titel Alla ricerca del tempo perduto, die mit ihrem umfangreichen und tief auf das Textverständnis eingehenden Anmerkungsapparat von Alberto Beretta-Anguissola und Dario Galateria neue Maßstäbe der Proust-Edition setzte; eine erweiterte und auf der Grundlage des Tadié-Textes überarbeitete Ausgabe erschien 1993–98. – Der Romanist Paolo Pinto initiierte zusammen mit dem Journalisten und Autor historischer Romane Giuseppe Grasso eine Neuübersetzung für Newton Compton durch bandweise verschiedene Übersetzer, die 1990 erschien; er selbst übersetzte in dieser Ausgabe den ersten Band. Eine weitere Neuübersetzung, diese jedoch wieder aus einer Hand, von der Romanautorin Maria Teresa Nessi-Somaini, gab der Verlag Rizzoli in den Jahren 1985–2006 heraus. – Im gleichen Jahr, in dem der erste Band der Einaudi-Gesamtübersetzung neu herausgegeben wurde, 1946, gab auch Sassoni in Florenz eine Übersetzung des ersten Bandes durch den Theaterkritiker und Widerstandskämpfer Bruno Schacherl (1920–2015) unter dem Titel Casa Swann heraus. Ebenfalls 1946 erschien bei Jandi Sapi in Rom und Mailand eine Übersetzung des zweiten Teils des ersten Bandes durch Armando Landini unter dem Titel Un amore di Swann (»Eine Liebe von Swann«). Dieser beliebte Textauszug wurde 1948 erneut von Giacomo Debenedetti, 1965 von Oreste del Buono, 1988 von Gianna Tornabuoni und 1990 von Eurialo De Michelis für jeweils einen anderen Verlag (s. Liste unten) übersetzt.
Die erste Übersetzung ins Portugiesische wurde von einem Team von fünf brasilianischen Autoren unter dem Titel Em Busca do Tempo Perdido vorgelegt, wobei der »Dichter der einfachen Dinge«, Mário de Miranda Quintana (1906–94), mit den Bänden I bis IV die Hauptlast trug. Diese Ausgabe erschien im Verlag Globo in Porto Alegre in den Jahren 1948–57 und löste in Brasilien eine lebhafte Proust-Diskussion aus: Während zuvor nur vereinzelte Stimmen zu hören waren (Mario de Andrade wies bereits 1927 auf Proust hin, Manuel Bandeira äußerte sich 1930 ausführlich zu Proust), erschienen von den ca. 250 Titeln, die der »Bibliografia Proustiana«54 zufolge bis 1997 in Brasilien zu Prousts Werk oder zu Werken über Proust veröffentlicht wurden, allein 132 in den Jahren 1948–50. Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Zeitungsartikel; eine universitäre Auseinandersetzung mit Proust hat erst in den 1960er Jahren eingesetzt.55 Naturgemäß beruhte die Übersetzung von 1948–57 auf der Erstausgabe; mit der Revision des französischen Textes durch Clarac/Ferré wurde eine Neuübersetzung wünschenswert, die nun von der Portugiesin Maria Gabriela de Bragança erstellt wurde und 1984–86 im portugiesischen Verlag Publicacões Europa-América in Mem Martins erschien. Die erneute Überarbeitung des französischen Textes durch Tadié führte zu zwei Neuübersetzungen, die eine durch den brasilianischen Lyriker Fernando Py (d. i. Fernando Antônio Py de Mello e Silva, geb. 1935), die 1992–95 von Ediouro in Bonsucesso (Brasilien) herausgegeben wurde, die andere durch den bekannten portugiesischen Lyriker Pedro Tamen (geb. 1934), die 2003–05 bei Relogio d’Água in Lissabon erschien. Eine weitere brasilianische Übersetzung durch den Journalisten Mario Sergio Conti (geb. 1954; »Proust ist nicht heilig. Er lebt.«) publizierte die Companhia das Letras in São Paulo in den Jahren 2003–12.56
Im Katalanischen liegt seit 1991 eine Gesamtübersetzung auf der Grundlage von Clarac/Ferré vor, und seit 2009 konkurrieren die beiden Verlage El cercle de Viena und Labutxaca mit Neuübersetzungen auf der Grundlage von Tadié, die allerdings noch nicht abgeschlossen sind; eine Übersetzung des Mauriac-Typoskripts erschien bereits 1989.
In Polen lag bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine Übersetzung der Bände I–V vor. Der Übersetzer, Tadeusz Żeleński, gen. »Boy«, wurde im Sommer 1941 in Lemberg (Lwiw) zusammen mit den anderen Professoren der dortigen Universität von der Wehrmacht ermordet. Die Übersetzung der verbliebenen Bände VI und VII erfolgte erst 1960 durch den bedeutenden Romanisten Maciej Żurowski in Zusammenarbeit mit der Schriftstellerin Magdalena Tulli (Bd. VI) bzw. mit dem erfahrenen Übersetzer französischer Literatur Julian Rogoziński. – Der polnische Kriegsgefangene Joseph Czapski (1896–1993), der die ersten Teile der Suche eingehend und auch auf Französisch studiert hatte (»Ich bin unzählige Male zu ihm [Prousts Werk] zurückgekehrt und habe immer wieder neue Akzente und neue Perspektiven darin entdeckt«), hielt 1940/41 im russischen Lager Grjasowez aus dem Gedächtnis Vorträge über Proust und Prousts Werk für seine polnischen Mitgefangenen. 1944 diktierte er, abermals aus dem Gedächtnis, diese Vorträge auf Französisch, die dann schließlich 1987 bei den Éditions Noir sur Blanc in Lausanne und 2006 in der Übersetzung von Barbara Heber-Schärer bei der Friedenauer Presse Berlin erschienen. Das obige Zitat stammt aus diesem Buch, S. 11.
Eine rumänische Übersetzung lag Proust sehr am Herzen, da er mit mehreren rumänischen Familien befreundet war, insbes. den Soutzos und den Brancovan/Bibescus. Im Februar 1924 war zwar ein kurzer Auszug aus dem zweiten Band in Năzuinţa (Nr. 8, S. 44 f.) in einer Übersetzung von Felix Aderca erschienen, doch diese Anregung verhallte ungehört. Erst nach dem Waffenstillstand 1944 begann die Fundaţia Regală pentru Literatură şi Artă (Königliche Gesellschaft für Literatur und Kunst), sich für ein Übersetzungsprojekt zu interessieren. Der ursprünglich zum Chemiker ausgebildete, später als Musiker erfolgreiche Direktor des Radio-Sinfonieorchesters Bukarest und nebenher als Übersetzer anerkannte Radu Cioculescu (1901–61) hatte bereits an der Front mit einer Übertragung der Recherche