Handbuch zu Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Bernd-Jürgen Fischer

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Handbuch zu Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« - Bernd-Jürgen Fischer Reclam Taschenbuch

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Der Hörverlag, 2010. 17 MP3-CDs. [Lesung 2001–08 in den Studios der Rundfunkanstalt Berlin-Brandenburg; auf der Grundl. der von Luzius Keller überarb. Übers. von Eva Rechel-Mertens.]

      Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Gelesen von Bernt Hahn und Peter Lieck. Köln: Lengfeld’sche Buchhandlung, 2001–08. 135 CDs. [Lesung 1997–2003 in der Lengfeld’schen Buchhandlung Köln; auf der Grundl. der von Luzius Keller überarb. Übers. von Eva Rechel-Mertens.]

      Eine Lesung in französischer Sprache von Monique Vincens steht im Internet unter http://poesis.fr/la-recherche-du-temps-perdu-proust-audio/ zur Verfügung. Eine französische Lesung auf 111 CDs von sechs verschiedenen Sprechern59 wird von Thélème Éditions angeboten (Paris 2006; ebenfalls auf 35 CDs im mp3-Format erhältlich; ebenfalls zum Download).

      Eine Lesung in spanischer Sprache von Daniel Quintero (Bd. I und II) und Santiago Munevar (Bd. III–VII) wird seit 2007 von dem kolumbianischen Hörbuchverlag Audio libros auf CD angeboten, und von Editorial Fonolibros (North Miami Beach) im mp3-Format. Es ließ sich nicht feststellen, welche Übersetzung zugrunde liegt.

      Eine Lesung in polnischer Sprache von Michał Breitenwald der Übersetzung von Tadeusz Żeleński und anderen vertreibt Heraclon International unter dem Label »storybox.pl« auf CD/mp3. (Bei Drucklegung waren die ersten fünf CDs mit den Lesungen der Bände I–V erschienen.)

      Eine Lesung in englischer Sprache auf 120 CDs unter dem Scott-Moncrieff-Titel Remembrance of Things Past von Neville Jason wird von Naxos Audiobooks vertrieben; eine gekürzte Version ist seit 2004 auf 39 CDs erhältlich. (Beide Versionen auch zum Download.)

      Proust (vorn Mitte) im Defilee bei der Hochzeit von Arman de Guiche. Einzelbild aus einem Amateurfilm.

      »Einige [Kritiker] waren der Ansicht, der Roman müsse eine Art kinematographisches Defilee der Dinge zeigen. Diese Vorstellung war absurd. Nichts ist von dem, was wir in Wirklichkeit wahrgenommen haben, weiter entfernt als eine solche kinematographische Schau.« (WZ, S. 271.)

      Volker Schlöndorffs Ausstattungsfilm Un amour de Swann von 1984 hat zwar die Belle Époque recht sinnfällig darzustellen vermocht, ist dann aber auch an dieser Oberfläche hängengeblieben: »So knarzig hölzern wie verschwenderisch, macht Schlöndorffs Version des Dampfkinos aus Un amour de Swann eine His­torienklamotte.«60 Dass Odette eine Sexbombe wäre, ist ebenso wie die Darstellung de Charlus’ als Witzfigur ein Missverständnis, das auf die Lektüre von Painters Proust-Biographie zurückzuführen sein dürfte, in der Odette kurzerhand mit Laure Hayman und Charlus mit Robert de Montesquiou identifiziert wird – »die wirklichen Personen Prousts sind nicht in dieser Weise verkürz- und karikierbar«, stellt jedoch Jean-Yves Tadié in seiner irritierten Rezension »À côté de chez Swann«61 fest. Die Vielschichtigkeit, die Proust seinen Personen verleiht, wird immer wieder billigen Effekten geopfert, wie besonders prägnant in Swanns vulgärem und also gänzlich unproustischem Bordellbesuch zum Ausdruck kommt, der doch im Buch in einer freundlichen Unterhaltung mit dem »Mädchen mit den blauen Augen« gipfelt (»Schau an, neuerdings kommt man zu mir, um sich zu unterhalten!«, kommentiert die Puffmutter in WS, S. 512).

      Raúl Ruiz’ Verfilmung von Le Temps retrouvé als Collage aus Rückblicken fängt zwar sehr kongenial, aber auch zu genial Prousts Umgang mit der Zeit ein: bei der notwendigen Verknappung des umfangreichen Stoffes lässt der Film dem Zuschauer nicht die ebenfalls notwendige Zeit, Zusammenhänge herzustellen und die einzelnen Sequenzen zu einem Ganzen zusammenzufügen: »dizzyingly complicated«, wie Peter Bradshaw in The Guardian vom 7. November 2013 konstatiert.

      Chantal Akerman hat dagegen sehr umsichtig entschieden, sich mit der Captive auf einen cineastisch bewältigbaren Ausschnitt zu beschränken, in dem es ihr dann auch gelingt, die klaustrophobische Enge in der Beziehung Marcels zu Albertine und den Narzissmus in seiner »Liebe« sinnlich nachvollziehbar zu machen. Die Transponierung der Prisonnière in die Gegenwart hat zudem nicht nur den Zuschauer vom Kostüm- und Kulissen-Albtraum befreit, sondern auch den Allgemeingültigkeitscharakter der dargestellten psychologischen Mechanismen sichtbar werden lassen.

      Die Verfilmung von Nina Companéez erzählt schulmäßig den Inhalt der Suche nach der verlorenen Zeit, vergisst dabei jedoch, dass dieser Inhalt nur Folie ist und der eigentliche Gehalt auf einer ganz anderen Ebene liegt, deren genauer Ort zwar in der Diskussion heiß umstritten ist, die aber jedenfalls sehr viel höher liegt, wie schon die Fülle an – offenbar verschmähter – Sekundärliteratur verdeutlicht. Die langweilige Kameraführung macht zwar verständlich, warum der Film fürs Kino nicht geeignet zu sein scheint, dem uneingeweihten Zuschauer bleibt bei dem Ganzen aber leider unerfindlich, warum Prousts Werk denn Weltgeltung haben soll, und meinem Bekanntenkreis, warum ich mich damit befasse.

      Einen Film von 170 Stunden Länge stellte 2009 Véronique Aubouy unter dem Titel Le Baiser de la Matrice ins Netz, der aus 3424 Videoclips von rund um den Globus (»von Papeete bis Kinshasa«) verteilten Teilnehmern besteht, die jeweils eine ihnen am 27. September 2008 um 12h GMT von der »Matrix« zufällig zugeteilte Seite aus der Recherche vorlasen und sich dabei filmten: »Auf diese Weise kann À la Recherche du temps perdu theoretisch in 10 Minuten gelesen werden.«

      Erwähnt werden sollte hier vielleicht auch Percy Adlons Céleste von 1981, der zwar nicht die Suche verfilmt, sondern Proust selbst und vor allem Prousts Haushälterin Céleste Albaret zum Thema hat, dem aber die Proust-Mimesis in besonders eindrucksvoller Weise gelingt. Eine ähnliche schwierige Gratwanderung zwischen Roman- und Lebens-Verfilmung, hier noch zusätzlich gekreuzt mit einer tatsächlichen oder fiktiven Biographie des Regisseurs, unternimmt Fabio Carpi 2003 in Le intermittenze del cuore.

      Unter der Adresse faz.net/proustfilm findet sich im Internet ein Amateurfilm von 1904 von der Hochzeit von Hélène (gen. »Élaine«) Greffulhe mit dem Herzog Arman de Guiche, in dem Proust allem Anschein nach einen Sekundenauftritt hat. Proust war mit dem Herzog befreundet und zum Hochzeitsdiner eingeladen, wo sich die denkwürdige Szene abspielte, dass der Vater des Bräutigams Proust ermahnte, als dieser über dem Gästebuch sinnierte: »Nur den Namen bitte, keine Gedanken.«

      1971 Du côté de chez Swann. Regie: Claude Santelli. Mit Madeleine Renaud, Marie-Christine Barrault und Isabelle Huppert. Frankreich 1971. [TV-Verfilmung.]

      1981 Céleste. Regie: Percy Adlon; mit Eva Mattes und Jürgen Arndt. Deutschland: Bayrischer Rundfunk / Pelemele Film, 1981.

      1984 Un amour de Swann. (Dt.: Eine Liebe von Swann.) Regie: Volker Schlöndorff. Mit Jeremy Irons und Ornella Muti. Deutschland/Frankreich: Gaumont, 1984.

      1999 Le temps retrouvé. Regie: Raúl Ruiz. Mit Catherine Deneuve, Emmanuelle Béart und John Malkovich. Spanien: Gémini, 1999.

      2000 La Captive. Regie: Chantal Akerman. Mit Sylvie Testud, Stanislaus Merhar und Olivia Bonamy. Frankreich: Gémini, 2000.

      2003 Le intermittenze del cuore. Regie: Fabio Carpi. Mit Vahina Giocante, Hector Alterio und Assumpta Serna. Italien 2003.

      2004 Ushinawareta toki o motomete. Regie: Akihiro Toda. Mit Tetsushige Chiba, Saori Hatsuoka und Noritaka Nishimori. Japan 2004.

      2009 Le Baiser de la Matrice. Regie: Véronique Aubouy. Frankreich 2009. [Internet.]

      2011 À la recherche du temps perdu. Regie: Nina Companéez. Mit Micha Lescot, Caroline Tillette und Didier Sandre. Frankreich 2011. [TV-Verfilmung.]

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