Das E-Commerce Buch. Alexander Graf
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das E-Commerce Buch - Alexander Graf страница 8
Eine spannende Entwicklung zeichnet sich vor allem im deutschen E-Commerce ab. Bis etwa 2010 besteht das E-Commerce-Wachstum in Deutschland hauptsächlich aus dem Rückgang von Katalogumsätzen, also der Migration der Katalogkunden in den Online-Handel (vgl. Abbildung 1.3). Der stationäre Handel entwickelt sich also bis 2010 vom E-Commerce weitestgehend unberührt. Das Umsatzwachstum des Einzelhandels insgesamt ist inflationsbereinigt bei fast null. Erst seit 2011 legt das E-Commerce-Wachstum vom Katalogversand losgelöst zu und steigt mit erhöhter Wachstumskurve an. Ohne erkennbares Gesamtwachstum der Einzelhandelsumsätze verliert der stationäre Handel monatlich zwischen 500 Millionen und 1 Milliarde Euro an die Online-Kanäle, Tendenz steigend. Der schon vor 2010 geschwächte stationäre Handel verliert also mehr denn je an die wachsenden E-Commerce-Gewinner.
Derweilen hat Amazon den Wettbewerb eindeutig abgehängt und dominiert den Online-Handel in den USA und in Westeuropa. Weiterhin gewinnt Amazon viele Umsätze durch seine aggressive Preisführerstrategie. Die Entwicklung von Pricing Robots lässt Amazon alle Preise seiner Wettbewerber überwachen und mithilfe von Algorithmen ideal und in Echtzeit anpassen. So liefern sich 2009 Amazon und seine Rivalen Walmart und Target einen umstrittenen Preiskampf. Beispiel Bücher: Bei Bestsellern unterbieten sich alle drei Retailer Kopf an Kopf, sodass die regulär zwischen 25 und 35 Dollar kostenden Bücher jeweils für unter 9 Dollar angeboten werden; die American Bookseller Association fordert daher die US-amerikanische Justizbehörde auf, dieses „Predatory Pricing“ eingehend zu prüfen.34
Abbildung 1.3: Umsatzentwicklung Distanzhandel
Quelle: eigene Erstellung auf Basis von Excitingcommerce.de, Statistisches Bundesamt, BVH, eigene Prognosen (lineare Fortschreibung)
Im deutschen Modebereich intensiviert sich der Preiskampf durch den relativ neuen Marktteilnehmer Zalando, der ähnlich wie Amazon Preisvorteile durch Skaleneffekte erzielen will. Insgesamt scheint Amazon aber nicht mehr aufzuholen zu sein: 2012 setzt sich die dominante Marktstellung durch und die Zappos-Akquisition stärkt Amazon weiter in seiner Monopolstellung. In den USA (siehe Abbildung 1.4) wie in Europa hat sich der Wachstumskreislauf (seit 2007) stetig „weitergedreht“. Die Verkaufszahlen von Amazon heben ab 2009 nochmal richtig ab und lassen den Wettbewerb erblassen. Und das spüren nicht nur direkt konkurrierende Online-Händler, die nun ihrem eigenen Preisdruck unterliegen.
Abbildung 1.4: Amazon dominiert den Markt
Quelle: S. Banjo, P. Ziobro, The Wall Street Journal: After Decades of Toil, Web Sales Remain Small for Many Retailers. Für 2016 hat Amazon bereits einen Gesamtumsatz von 136 Milliarden US-Dollar reportet.
Im permanenten Abwärtsflug will der stationäre Handel jetzt jedoch das Steuer herumreißen – und die Lösung heißt Multichannel. Wenn offline sinkt, muss eben mehr online her. Die Kanalverknüpfung soll den Kunden entlang des Kaufprozesses immer dort erreichen, wo es ihm gerade am besten passt – in der Filiale, online oder auf dem Smartphone. Eine tolle Idee, jedoch haben es die traditionellen stationären Händler hier noch nicht geschafft, den Kunden neben Services wie „Online-Bestellung in der Filiale abholen“ (Click & Collect) oder „Retouren vor Ort zurückgeben“ einen echten Mehrwert zu bieten. Ist der Kunde gerade online auf der Suche nach einem Produkt, so zählen eben ganz andere Entscheidungskriterien. Kurzum: Ein Händler kann nur dann im jeweiligen Kanal bestehen, wenn er dem Kunden hier auch echte Mehrwerte bietet, denn die Verknüpfung verschiedener Kanäle an sich kann die Kostenproblematik der Brick-and-Mortar-Filialen nicht retten.
Insgesamt ist kundenseitig 2012 noch ein deutlicher Unterschied in den Kanalpräferenzen zu erkennen. So bevorzugen in etlichen Produktkategorien (zum Beispiel Reisen, Entertainment und Bücher) deutlich über 60 Prozent der jüngeren Kunden in Deutschland den Online-Kanal gegenüber dem stationären Handel, wobei der Gesamtdurchschnitt in den genannten Kategorien eher bei 45 Prozent liegt. Die Entwicklung hin zur Selbstberatung im Internet ist vor allem unter jüngeren Kunden und Digital Natives verbreitet und unterstützt das Umsatzwachstum komplexer und informationsintensiver Produkte über Online-Shops zunehmend. So steigern beispielsweise von 2011 auf 2012 beratungsintensive und teilweise hochpreisige Produktgruppen wie Möbel (plus 58 Prozent) und Kosmetik/Parfüm (plus 67 Prozent) ihren Umsatz deutlich – wenngleich bei geringer Basis.35 Unterstützt wird diese Entwicklung durch Kundenbewertungen, Empfehlungen der Händlershops, Produktvergleichsportale sowie ein wachsendes Informationsangebot der Hersteller. Diesen Trend verdeutlicht ebenfalls die vom ECC Köln durchgeführte Studie36 zum Online- und Offline-Kaufverhalten. Darin gaben die Befragten unter anderem an, aus welchen Gründen sie nach der Internetrecherche am Ende doch im Laden eingekauft haben. 57 Prozent der Befragten nannten fehlende Haptik, 44 Prozent nannten die sofortige Verfügbarkeit des Produktes. Lediglich 27 Prozent gaben an, aufgrund der persönlichen Beratung im Ladengeschäft stationär gekauft zu haben. Fast drei Viertel der Befragten sahen also in der persönlichen Beratung keinen wichtigen Kaufgrund für den stationären Handel. Umgekehrt wurde auch untersucht, welches die Gründe für den Online-Kauf im Vergleich zum Kauf im stationären Handel sind: 48 Prozent der Befragten nannten die schnelle und einfache Online-Bestellung, 44 Prozent gaben den günstigeren Preis als Grund an. Aus der Kombination der Faktoren gute Online-Beratung, schnelle Bestellprozesse und kompetitive Preisstrategie lässt sich also der Erfolg bestehender E-Commerce-Konzepte wie Amazon, Zalando und Ebay erklären.
Abbildung 1.5: Vertriebspräferenzen nach Altersgruppe
Quelle: Prof. Dr. Renate Köcher, ACTA 2012, (www.ifd-allensbach.de/fileadmin/ACTA/ACTA_Praesentationen/2012/ACTA2012_Koecher.pdf)
Insight
Den Kunden auf allen Kanälen zu bedienen war 2012 noch die ultimative Strategie der Handelsunternehmen mit stationärer DNA, um gegen Amazon, Wayfair, Zalando und Co. zu bestehen. Die Vermutung dahinter war, dass es eine hinreichend große Bindung zur Handelsmarke wie zum Beispiel Macy’s, Sears oder Galeria Kaufhof gibt, die Kunden vom stationären Handel auf die eigene Webseite bringt. Analog dazu funktionieren barnesandnoble.com, bestbuy.com, Karstadt.de und andere. Die vermuteten Kundenbindungseffekte wurden aber leider nicht realisiert. Im Gegenteil – es gibt ausreichend Studien und Belege dafür,