Meteorologie. Hans Häckel
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Natürlich stellt sich jetzt sofort die Frage: Woher kommt die für die Volumenvergrößerung erforderliche Energie. Und die Antwort kann nur lauten: aus dem Wärmevorrat des Gases! Das Gas kühlt sich ab und stellt die dabei freigesetzte Energie für die Expansion zur Verfügung. Bei der Kompression laufen die Vorgänge in umgekehrter Richtung ab: Mit dem Zusammenpressen des Gases wird dessen Volumen verkleinert. Damit verringert sich sein Energieinhalt und die überschüssige Energie wird zum Erwärmen des Gases verwendet.
Aus dieser Vorstellung heraus lassen sich die Vorgänge in der Fahrradpumpe, im Dieselmotor und im Kühlschrank bequem erklären. Der Grund, dass sich beim Aufpumpen des Reifens auch Ventil und Pumpe erwärmen, besteht darin, dass die in der Pumpe erhitzte Luft natürlich auch Wärme an die Umgebung abgibt.
Die gleichen Überlegungen machen aber auch verständlich, warum die Lufttemperatur mit zunehmender Höhe immer weiter zurückgeht. Dazu stelle man sich in einen Luftwürfel mit einer Kantenlänge von 1 m vor. Seine 6 Grenzflächen sollen eine vollständige thermische Isolierung ermöglichen, dabei aber beliebig und ohne Kraftaufwand dehnbar sein. Man bezeichnet ein solch gedachtes Luftvolumen üblicherweise als Luftpaket. Mit einem so definierten Luftpaket Gedankenexperimente durchführen zu wollen, mag zunächst als unrealistisch, ja absurd empfunden werden. Tatsächlich aber kommt das Verhalten realer Luftvolumina in der Atmosphäre dieser idealisierten Vorstellung so nahe, dass das Denkmodell „Luftpaket“ ohne Bedenken angewendet werden darf.
Ein solches Luftpaket soll nun vom Boden aus hochgehoben werden. Mit zunehmender Höhe wird der Luftdruck in seiner Umgebung immer geringer. Im Inneren des Paketes herrscht aber der ursprüngliche hohe Bodenluftdruck. Die Folge davon ist, dass sich das Luftpaket aufbläht wie ein Luftballon. Es findet eine Volumenvergrößerung statt. Da die dafür erforderliche Energie aufgrund der thermischen Isolierung unseres Luftpaketes von außen nicht zufließen kann, muss sie der Luft im Paket entnommen werden. Die Folge: dessen Temperatur geht kontinuierlich zurück. Damit entpuppt sich die Temperaturabnahme der Luft mit der Höhe als eine Konsequenz aus der Luftdruckabnahme. Analoge Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass Luftpakete, die von oben nach unten verschoben werden, eine Erwärmung erfahren.
Aus den Gesetzen der Thermodynamik kann man bequem ableiten, welche Temperaturänderungen bei Vertikalverschiebungen zu erwarten sind. Die Rechnungen ergeben einen Wert von ziemlich genau 1 K pro 100 Höhenmeter. (Einzelheiten da 37 rüber findet man in Fachbüchern zur Theoretischen Meteorologie). Man nennt diesen Wert den adiabatischen Temperaturgradienten. „Temperaturgradient“ bedeutet in diesem Fall nichts anderes als „Temperaturänderung pro Höhenänderung“; er wird meist in K/100 m angegeben. „Adiabatisch“ bedeutet, dass während der Vertikalbewegung keine Wärme von außerhalb des Luftpaketes zugeführt oder nach außen abgegeben wird, d. h., die gesamte bei der Volumenänderung umgesetzte Energie stammt ausschließlich aus der Luft.
Für Luftpakete stellt der adiabatische Temperaturgradient eine Art „Normalzustand“ dar. Innerhalb höherer Luftschichten oder größerer Bereiche der Atmosphäre ist er eher die Ausnahme als die Regel. Das hängt damit zusammen, dass in der Atmosphäre eine ganze Reihe von Vorgängen ablaufen, die den Temperaturgradienten teilweise erheblich beeinflussen. Die Folge ist, dass die tatsächlichen Gradienten in der Atmosphäre oft beachtlich vom adiabatischen abweichen. Sie reichen von Temperaturabnahmen spürbar über 1 K/100 m bis zu Temperaturzunahmen in der Größenordnung von 35 K/100 m. Im Mittel sinkt die Temperatur in der Atmosphäre innerhalb der untersten 12 km um 0,65 K/100 m. Dieser Wert ist auch der US-Standardatmosphäre zugrunde gelegt. Man bezeichnet Temperaturabnahmen von mehr als 1 K/100 m als überadiabatisch und solche unter 1 K/100 m als unteradiabatisch. Bleibt die Temperatur mit der Höhe konstant, so spricht man von einer Isothermie, nimmt sie mit der Höhe zu, von einer Inversion.
Welche Prozesse zu Veränderungen von Temperaturgradienten innerhalb der Atmosphäre führen, werden wir unten sowie im Kapitel 4.2, Seite 195 besprechen. Einen wichtigen nicht-adiabatischen Vorgang kennen wir schon: die Strahlungsabsorption des Ozons, bei der Sonnenenergie von außen zufließt, wie die Abbildung 1.15 (→ S. 47) zeigt. Bekanntlich kommt es dadurch zu einer spektakulären Inversion mit nicht weniger als 30 km Mächtigkeit. Die Kondensation von Wasserdampf in der Luft wird eine Verallgemeinerung des Begriffes „adiabatischer Gradient“ verlangen; wir werden uns im Kapitel 2.2.1, Seite 72, mit dieser Frage beschäftigen.
Auszug aus der US-Standardatmosphäre. Nach NOAA (1976) zit. in Kraus (2004).
Höhe | Temp. | Temp.-Gradient |
km | °C | K/100 m |
0 | 15,0 | |
0,65 | ||
1 | 8,5 | |
0,65 | ||
2 | 2,0 | |
0,65 | ||
3 | –4,5 | |
0,65 | ||
4 | –11,0 | |
0,65 | ||
5 | –17,5 | |
0,65 | ||
6 | –24,0 | |
0,65 | ||
7 | –30,5 | |
0,65 | ||
8 | –37,0 | |
0,65 | ||
9 | –43,5 | |
0,65 | ||
10 | –50,0 | |
0,65 | ||
11 | –56,5 |
Wegen der Höhenabhängigkeit der Lufttemperatur ist es oft schwierig, den tatsächlichen Wärmeinhalt der Luft in verschiedenen Höhen miteinander zu vergleichen. Man denkt sich deshalb jede der zu vergleichenden Luftschichten zunächst einmal aus ihrer Druckfläche (p) adiabatisch in die 1 000-mbar-Fläche verlagert. Die dabei angenommene Temperatur heißt potenzielle Temperatur Θ. Sie berechnet sich nach der Formel
wobei ϑ die ursprüngliche Lufttemperatur (auf dem Niveau p) bedeutet.
Dazu ein Beispiel: Bei 500 mbar sei die Lufttemperatur 0 °C. Daraus errechnet sich eine potenzielle Temperatur von 59,7 °C. 20 °C bei 800 mbar ergeben dagegen eine potenzielle Temperatur von nur 39,3 °C. Man sieht daraus, wie leicht man sich in der Beurteilung des Wärmeinhaltes der Luft irren kann, wenn man die Höhenlage unberücksichtigt lässt.
Zu wesentlichen Veränderungen des Temperaturgradienten kommt es, wenn in der Atmosphäre großflächige Vertikalbewegungen stattfinden. An 38 hand der Abbildung 1.10 soll gezeigt werden, was sich dabei abspielt. Unter dem folgenden Link findet man eine Präsentation, die diesen Vorgang in einer Reihe von Einzelschritten vorstellt.
https://elibrary.utb.de/doi/suppl/10.36198/9783838555041
Dazu betrachten wir die Luftschicht AB. An ihrer Untergrenze herrsche die Temperatur ϑA, an ihrer Obergrenze ϑB. Durch Vorgänge, die später zu besprechen sind, werde die Luftschicht jetzt nach unten verlagert. Da dort ein höherer Luftdruck herrscht als oben, wird sie dabei auf die Dicke CD zusammengedrückt. Gleichzeitig erfolgt eine adiabatische Erwärmung.
Abb. 1.10 Änderung des Temperaturgradienten bei Absink- und Hebungsvorgängen (Erläuterungen im Text).
Diese Erwärmung müssen wir nun etwas genauer betrachten. An der Untergrenze unserer Schicht steigt die Temperatur entsprechend dem adiabatischen Gradienten von ϑA auf ϑC. Auch die Temperatur an der Obergrenze der Schicht steigt entsprechend dem adiabatischen Gradienten von ϑB auf ϑD. Zeichnet man jetzt innerhalb der Schicht C – D die Temperatur-Höhenkurve (die durch