Ich bin so wie ich bin. Dominic Müller

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Ich bin so wie ich bin - Dominic Müller

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die sich sehr intensiv mit Autismus beschäftigte und sich weltweit informierte über neue Erkenntnisse zu diesem Krankheitsbild. Als Eltern waren wir in der Gruppe stets auf der Suche nach Hilfe für unsere Kinder. Beispielsweise war die gluten- und laktosefreie Diät sowie Nahrungsergänzungsmittel ein Thema. Wir haben vieles versucht, bei Dominic konnte ich bei all diesen gut gemeinten Versuchen keine wesentliche Veränderung im Verhalten feststellen.

      Im Alter von vier Jahren suchten wir für Dominic einen Platz in einer Behinderteninstitution. Durch den stets stressigen Alltag war ich über diese Entlastung sehr froh. Ich hatte den Eindruck, dass er gerne in diese Institution ging. Der geregelte Tagesablauf vermittelte ihm Orientierung und Sicherheit.

      Ich besuchte auch einen Workshop für Gestützte Kommunikation4. Dies bedeutete für mich eine weitere Hoffnung, eine Verbindung mit Dominic aufnehmen zu können. Eine betroffene Mutter aus der Elterngruppe zeigte mir auf, wie ich meinem Sohn möglichst viel Unterstützung geben könnte.

      Wie es das Schicksal wieder mal einrichtete, hatten wir im Winter 1999 einen großen Schneefall, dass wir in Grindelwald wegen erhöhter Lawinengefahr eine Woche von der Außenwelt abgeschnitten waren. Dies bedeutete, dass Dominic nicht in die Behinderteninstitution gehen konnte. Er war zu dieser Zeit fünf Jahre alt. Nun wollte ich endlich wissen, ob Dominic nebst Autismus auch eine geistige Beeinträchtigung hatte. Also verkroch ich mich zusammen mit Dominic nahezu eine ganze Woche lang in seinem Zimmer. Ich hatte mir fest vorgenommen, mein Ziel zu erreichen. Dominic sträubte sich anfangs sehr energievoll und lautstark, sich zu mir hinzusetzen, geschweige denn neben mir sitzen zu bleiben. Bereits dieses Vorhaben dauerte Stunden. Ich vermute, dass er meinen festen Willen, mein Ziel zu erreichen, gespürt hat. Irgendwann wurde sein Widerstand gebrochen. Ich kommunizierte ihm meinen Willen die ganze Zeit über, ohne dass ich wusste, ob er meine Worte verstehen konnte. Im ersten Schritt brachte ich ihm das Zeigen auf Dinge bei. Wichtig ist bei autistischen Menschen, dass sie klar vermittelt bekommen, was ihre Aufgabe ist. Es dürfen keinesfalls zwei Aufträge zugleich gegeben werden. Mehrere Anforderungen zur gleichen Zeit lösen große Verwirrungen aus, in Folge wäre eine Kooperation unmöglich.

      Für mein Vorhaben hatte ich mir einen Lernschreibkoffer für Kinder gekauft. Die einzelnen Buchstaben des ABC waren auf magnetische Holzklötze geschrieben. Dazu gab es Tafeln mit Magnetstreifen, damit die Buchstabenklötze nicht verrutschten. Auf dem Magnetstreifen waren diverse Namen bereits vorgeschrieben. Zu diesen Namen gehörten Holzklötze mit entsprechend passender Zeichnung. Ich klemmte mir Dominic zwischen die Beine, legte seine Hand in meine geöffnete Hand und zeigte mit ihm zusammen auf einen Holzklotz, auf welchem ein Baum abgebildet war, und sprach ihm das Wort „Baum“ vor. Wir übten immer wieder dasselbe, bis er zu begreifen begann, was ich von ihm wollte, wenn ich „zeig Baum“ sagte.

      Als ich merkte, dass er sich gut führen ließ, war der nächste Schritt, meine Führung zurückzunehmen und ihn aus eigener Initiative führen zu lassen. Das heißt, er übernimmt die Führung des Zeigens, ich gebe dabei ganz sanften Rückzug mit dem Arm. Das übten wir so lange, bis diese Bewegung der Eigeninitiative stark genug war. Ich übte mit ihm weitere Zeichnungen. Mir war es wichtig, dass er den Ablauf „Zeigen“ verstand. Ob er die Bedeutung der Namen kannte, wusste ich nicht. Die Stunden vergingen wie im Flug. Dominic verweigerte die Zusammenarbeit immer wieder, und ich brauchte sämtliche Energie der Welt, um nicht zu resignieren.

      Im nächsten Schritt sollte Dominic die vorgegebenen Wörter mit Buchstabenklötzen nachschreiben oder wir schrieben den Namen passend zum Bild auf dem Klötzchen. Mit der Zeit merkte ich, dass Dominic nicht geistig behindert ist. Bald schrieb ich ihm Fragen auf über unsere Familie, zum Beispiel: Wie heißt du? Darunter zwei Auswahlantworten: „ich heiße Dominic“ sowie „ich heiße Hans“. Das musste wiederum mühsam geübt werden, bis Dominic begriff, was er tun sollte. Dies waren unsere Anfänge mit der Gestützten Kommunikation. Als wir diese erste Hürde genommen hatten, versuchte ich im nächsten Schritt, mit ihm zu schreiben. Das brauchte nochmals einen ungeheuren Energieschub von mir, damit er auch für diese Arbeit bereit sein konnte.

      Es dauerte mehrere Jahre, bis Dominic sich mittels der Gestützten Kommunikation so ausdrücken konnte, wie er es heute tut. Dominic schreibt jetzt mühelos mit mir, seit achtzehn Jahren. Wenn eine neue Person mit ihm schreiben möchte, braucht diejenige Person stets viel Ausdauer und den festen Willen, es mit ihm zu schaffen. Um ganz persönliche Angelegenheiten mit ihm zu besprechen, benötigt es unglaublich viel Zeit, viel Übung und viel starken Willen von der stützenden Person. Ich bin heute überglücklich, die Gestützte Kommunikation kennengelernt zu haben, um dadurch mit Dominic kommunizieren zu können. Es ist so wertvoll für jeden Menschen, sich mitteilen zu können. Die Methode der Mitteilung ist dabei egal, Hauptsache, Kommunikation ist möglich.

      Die Gestützte Kommunikation

       (facilitated communication, kurz: fc)

      Definition von Wikipedia (17.08.2017): Ein Kommunikationshelfer, der sogenannte Stützer, berührt eine kommunikationsbeeinträchtigte Person, Schreiber oder auch Nutzer genannt. Diese körperliche Hilfestellung soll es der kommunikationsbeeinträchtigten Person ermöglichen, eine Kommunikationshilfe zu bedienen. Die Gestützte Kommunikation gilt bei vielen Praktikern und einigen Wissenschaftlern als Methode der Unterstützten Kommunikation – ein Fachgebiet, das sich mit alternativen und ergänzenden Kommunikationsformen für Menschen beschäftigt, die nicht oder nur unzureichend über Lautsprache verfügen.

      In ihrer heutigen Form wurde die Gestützte Kommunikation Ende der 1970er Jahre von der Australierin Rosemary Crossley entwickelt, die einen Weg zur Kommunikation mit einer jungen cerebralparetischen Frau suchte. Später wurde die Methode auch bei Menschen mit Autismus und Down-Syndrom angewandt, heutzutage unabhängig von der medizinischen Diagnose allgemein bei Personen mit einer schweren Kommunikationsbeeinträchtigung.

      Bei der Gestützten Kommunikation ist die alternative Kommunikationsform fast immer die Schriftsprache, in Einzelfällen werden auch alternative Symbolsysteme benutzt, beispielsweise Piktogramme. Die jeweiligen Symbole werden dabei entweder auf einer Kommunikationstafel bereitgestellt oder auf einer Schreibmaschine, einem Computer oder einem Sprachausgabegerät.

      Das Besondere bei der Gestützten Kommunikation ist, dass die Symbole von der kommunikationsbeeinträchtigten Person (Schreiber oder Nutzer genannt) unter Hilfestellung einer zweiten Person, des so genannten Stützers, angesteuert werden. Der Stützer soll dem Schreiber das Zeigen auf die Buchstaben bzw. das Tippen auf der Tastatur erleichtern, indem er die Hand oder ein anderes Körperteil des Schreibers berührt, leichten Gegendruck ausübt, die Auswahl offensichtlich falscher Tasten verhindert und ähnliche körperliche Hilfestellungen gibt. Hierbei gilt das Prinzip der Minimalstützung. Um eine unabhängige Kommunikation zu ermöglichen, wird es als wichtig erachtet, die physische Stütze von Hand bis Schulter immer weiter zurück zu nehmen und diese schlussendlich sogar ganz auszublenden.

      ABA (Applied Behavior Analysis)

      (Erika Müller)

      Seit vielen Jahren dokumentieren unter anderem die US-amerikanische Fachzeitschrift „Journal of Applied Behavior Analysis“ und auch das Journal „The Analysis of Verbal Behavior“ die wissenschaftlichen Forschungen und experimentellen Studien, die auf unabhängige Weise die Wirksamkeit von ABA bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen und ähnlichen Entwicklungsstörungen belegen. Im Report von 1999, Kapitel 3, gibt der „U.S. Surgeon General“ (oberster Amtsarzt der US-Gesundheitsbehörden) Folgendes bekannt:

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