Damals bei uns daheim. Ханс Фаллада
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Und der nächste Morgen kam, die Eltern schliefen noch. Als Frühstück bekamen wir Jungens Baumkuchen, die Schwestern aber Butterbrote. Sie wollten protestieren, Charlotte, übermüdet, sehr unwirsch, sagte nur, der Herr Rat habe es angeordnet. Als wir in der Schule unsere Frühstücksbrote auspackten, fanden wir keine Brote, sondern Baumkuchen. Beim Mittagessen – Vater war auf dem Gericht – blieb Mutter recht kühl zu uns, sagte aber kein Wort von Baumkuchen. Dafür mußten wir ihn essen, nur Baumkuchen, während die andern sich an den herrlichsten Resten delektierten. Sie bekamen auch Eis!
Vesper, Abendessen: unser Speisezettel blieb unverändert Baumkuchen. Der nächste Tag: Baumkuchen! Die andern aßen zu Mittag Brühkartoffeln mit schöner grüner Petersilie und schierem Rindfleisch, wir hatten Baumkuchen! Es wurde uns immer schwerer, unsern Hunger mit Baumkuchen zu stillen. Wir fanden, Baumkuchen war ein überschätztes Gebäck. Bald entdeckten wir, daß wir Baumkuchen haßten! Expeditionen nach Speisekammer und Küche blieben erfolglos: die Speisekammer war verschlossen, und aus der Küche wurden wir prompt verjagt.
Ein dritter Tag zog herauf – Baumkuchen! Wurden diese elenden beiden Baumkuchen denn nie alle? Und immer starrten uns die Bruchstellen, an denen die Nasen gesessen hatten, anklagend an. Wir wagten nicht zu meutern, wir wagten nicht einmal zu bitten ... Mit immer lahmeren Kinnbacken kauten wir an unserm Baumkuchen ...
Und das Allerschlimmste war dabei, daß nie jemand ein Wort über unsere etwas gleichförmige Speisenfolge verlor. Es schien das Selbstverständlichste, daß wir allein mit Baumkuchen ernährt wurden, von Urzeiten her, bis in alle Ewigkeiten! Wagten die Schwestern in ihrer albernen Gänsemanier wirklich einmal, über unsere Leidensmienen zu gniggern, so brachte sie ein strenger Blick meiner Eltern sofort wieder zur Ruhe. Selbst Minna und Charlotte, die sonst immer sofort bereit waren, uns zu bedauern, verloren nicht ein Wort über diese unsere Prüfung. Mein Vater sagte ihnen selten etwas, aber tat er es, so folgten sie ihm blindlings. Sie liebten ihn beide schwärmerisch wegen seiner Güte und Gerechtigkeitsliebe, die alte mürrische Minna ebenso sehr wie die junge vergnügte Charlotte.
Ach Gott, was wären Ede und ich glücklich gewesen, wenn wir wie andere Jungens eine kräftige Tracht Prügel gekriegt hätten! Aber mein Vater war weder für Prügel noch für Schelten, alles Gewaltsame und Laute widerstrebte seiner Natur. Er strafte haargenau auf dem Gebiet, auf dem man gesündigt hatte. Die Gier nach Baumkuchen strafte er durch Übersättigung mit Baumkuchen. Auch der Dümmste begriff dies ohne ein Wort ...
Und schließlich war der Baumkuchen dann alle. Den Mittag, ich weiß es noch, gab es westfälische dicke Bohnen, süßsauer, mit Räucherfleisch, ein Essen, dem ich bis dahin immer abgeneigt gewesen war. Ich aß davon wie ein Verhungerter. »Junge, du ißt dich ja wohl zuschanden!« rief meine Mutter, als ich mir den Teller zum dritten Mal füllen ließ.
Vater aber sagte nur: »Sieh da! Sieh da!« und lächelte mit all den vielen Fältchen um seine Augenwinkel. –
»Was aber wollte eine solche knabenhafte Leckerhaftigkeit besagen gegen ein geradezu geheimnisvolles Verbrechen, das bei einem Festessen ein oder zwei Jahre später geschah –?! Lange, lange blieb der Täter trotz allen strafrechtlichen Scharfblicks meines Vaters – er war auch ein bekannter und in gewissen Kreisen gefürchteter Untersuchungsrichter gewesen – unentdeckt, bis er sich sechs oder acht Jahre später selbst bekannte – und da lachten sogar meine Eltern mit!
Bei jenem Diner freilich waren sie vollkommen fassungslos und bekümmert, so etwas konnte auch nur in unserm Hause passieren! Mutter war immer besonders stolz auf unsern von einem Tafeldecker gerüsteten Festtisch. Zwar, Gläser und Bestecke mußten wir wie alle andern aus einem Verleihgeschäft entnehmen, das Service aber nicht, denn wir besaßen das weithin in der ganzen Bekanntschaft berühmte Wedgewoodservice für hundert Personen! Es war ein wahrhaft gargantuasisches Geschirr mit Bratenschüsseln, auf die man ganze Kälber legen konnte, mit Saucentöpfen, die zu Suppenschüsseln für mittlere Familien gereicht hätten, und einer verwirrenden Fülle von Tellern und Tassen aller Formate.
Dieses wahrhaft fürstliche Tafelgeschirr war wie vom Himmel gefallen in unserer gar nicht prunkhaften Familie gelandet. Als nämlich vor vielen, vielen Jahren ein Großonkel von mir durch die Stadt Aurich wandelte zu seinen Geschäftsräumen, die er als Justitiarius für das Publikum hielt, bemerkte er vor einer Haustür eine kleine Ansammlung von Menschen. Immer wißbegierig, was in seiner Heimatstadt vorging, trat er näher und erfuhr, daß hier der Nachlass eines Seekapitäns versteigert wurde. Schon wollte er weitergehen, da trat der ihm wohlbekannte Auktionator Kötz vor die Tür, hielt meinem Onkel einen bläulichen Krug unter die Nase, über dessen Fond griechelnde weiße Gestalten feierlich wandelten, und sprach: »Das wäre was für Sie, Herr Justitiar!«
Mein Onkel sah kurzsichtig auf den Krug, seinem Auge tat das sanfte Blau wohl, er sagte: »Drei Taler, Kötz! Schaffen Sie ihn nur in meine Wohnung!« und ging an seine Dienstgeschäfte.
Wie aber ward ihm, als dem Heimkehrenden mittags sein Weib in einem Zustand völliger Auflösung entgegentrat! Die ganze Wohnung war von dem erstandenen Service überschwemmt. Es gab keine Stelle, wo es nicht sanftblau zuging, wo nicht weiße Gestalten in strengem Faltenwurf wandelten. Mein Onkel hatte gemeint, einen Krug erstanden zu haben, er hatte eine Töpferei gekauft. Eine Ausgabe zieht die andere nach sich: ein ungeheurer Eichenschrank mußte angefertigt werden, um diese Geschirrflut zu bändigen. Bis er fertig war, führten Onkel und Tante nur ein bedrängtes Leben in ihrem Heim.
Nach dem Tode des Onkels kam dieses Geschirr auf dem Wege der Erbschaft in unsere Familie mitsamt dem riesigen Eichenschrank, der nach meines Vaters Ausspruch jeden Gedanken an Umziehen unmöglich machte. Er sei eine weitläufige Burg, kein Schrank. Selbst Berliner Möbelleute seien ihm nicht gewachsen ...
Es war übrigens die einzige Erbschaft, die uns der Onkel in Aurich vermachte, daher führt er bei uns den Beinamen »Der Familientäuscher«! Er, der nämlich Mitte der Dreißiger schon Witwer geworden war, schrieb uns zu jedem Geburtstage, zu jedem Weihnachtsfest: »Was soll ich euch schenken? Ihr erbt ja doch einmal alles!« Nachdem er aber fast vierzig Jahre im Witwerstand verharrt hatte, nahm er mit zweiundsiebzig Jahren ein junges Weib, dem er bald all sein irdisch Hab und Gut hinterließ, dieser Familientäuscher, der!
Aber wenigstens das Geschirr sandte uns die angeheiratete, unbekannte Tante, und dies wahrscheinlich auch nur, weil es ihr in seiner Überfülle lästig war, trotzdem nun schon manches Stück in den Händen der Abwaschenden das Zeitliche gesegnet hatte! Für vierzig Personen reichte es aber noch gut, und es machte sich wahrhaftig prächtig auf der von Gläsern funkelnden, von Neusilber-Leihbestecken blitzenden Tafel. Ihrer Gewohnheit nach warf Mutter noch einen Blick auf den Festtisch, kurz ehe die Gäste kamen. Es war alles in bester Ordnung, und zwar viel schöner als das Porzellanweiß bei den Kollegen. Dann verschwand Mutter nach der Küche hin, um die letzten Anweisungen für die große Saalschlacht zu geben.
Jetzt war der Augenblick für meine Schwester Fiete (von Frieda) gekommen. Ein Kompottschüsselchen Blaubeeren in der Hand, schlich sie in den Speisesaal, an die Tafel und ...
Ja, was tat sie nun eigentlich? Wie gesagt, sie hat es erst Jahre später gestanden, und hat uns auch erklärt, warum sie es tat. Aber damals erschien alles ganz rätselhaft und beinahe verbrecherisch ...
Meine Schwester Fiete war ein seltsames Kind. Meistens still und fast pomadig, war sie doch der lebhaftesten Zornesausbrüche fähig, besonders wenn man an »ihre Sachen« ging. Geschwister haben leicht eine etwas kommunistische Art, mit den Sachen ihrer Brüder und Schwestern umzugehen, bei Fiete war so etwas nicht empfehlenswert. Sie konnte dann in den unsinnigsten Zorn geraten. Ich erinnere mich noch sehr wohl, wie Fiete lauthals weinend ihre eigene Lieblingspuppe zertrampelte, bloß weil unsere älteste Schwester Itzenplitz – von Elisabeth – ihr einen Kuss gegeben hatte!
Wie