Die Elixiere des Teufels. E.T.A. Hoffmann
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herabdrang und mein Inneres mit den Ahnungen des Höchsten – des Heiligsten erfüllte. Aber der herrlichste Tag, auf den ich mich
wochenlang freute, ja, an den ich niemals ohne inneres Entzücken denken konnte, war das Fest des heiligen Bernardus, welches,
da er der Heilige der Zisterzienser ist, im Kloster durch einen großen Ablaß auf das feierlichste begangen wurde. Schon den Tag
vorher strömten aus der benachbarten Stadt sowie aus der ganzen umliegenden Gegend eine Menge Menschen herbei und
lagerten sich auf der großen blumichten Wiese, die sich an das Kloster schloß, so daß das frohe Getümmel Tag und Nacht nicht
aufhörte. Ich erinnere mich nicht, daß die Witterung in der günstigen Jahreszeit (der Bernardustag fällt in den August) dem Feste
jemals ungünstig gewesen sein sollte. In bunter Mischung sah man hier andächtige Pilger, Hymnen singend, daherwandeln, dort
Bauerbursche sich mit den geputzten Dirnen jubelnd umhertummeln – Geistliche, die in frommer Betrachtung, die Hände
andächtig gefaltet, in die Wolken schauen – Bürgerfamilien im Grase gelagert, die die hochgefüllten Speisekörbe auspacken und
ihr Mahl verzehren. Lustiger Gesang, fromme Lieder, die inbrünstigen Seufzer der Büßenden, das Gelächter der Fröhlichen,
Klagen, Jauchzen, Jubel, Scherze, Gebet erfüllen wie in wunderbarem, betäubendem Konzert die Lüfte! – Aber sowie die Glocke
des Klosters anschlägt, verhallt das Getöse plötzlich – soweit das Auge nur reicht, ist alles, in dichte Reihen gedrängt, auf die
Knie gesunken, und nur das dumpfe Murmeln des Gebets unterbricht die heilige Stille. Der letzte Schlag der Glocke tönt aus, die
bunte Menge strömt wieder durcheinander, und aufs neue erschallt der minutenlang unterbrochene Jubel. – Der Bischof selbst,
welcher in der benachbarten Stadt residiert, hielt an dem Bernardustage in der Kirche des Klosters, bedient von der untern
Geistlichkeit des Hochstifts, das feierliche Hochamt, und seine Kapelle führte auf einer Tribüne, die man zur Seite des Hochaltars
errichtet und mit reicher, seltener Hautelisse behängt hatte, die Musik aus. – Noch jetzt sind die Empfindungen, die damals meine
Brust durchbebten, nicht erstorben, sie leben auf in jugendlicher Frische, wenn ich mein Gemüt ganz zuwende jener seligen Zeit,
die nur zu schnell verschwunden. Ich gedenke lebhaft eines Gloria, welches mehrmals ausgeführt wurde, da die Fürstin eben
diese Komposition vor allen andern liebte. – Wenn der Bischof das Gloria intoniert hatte und nun die mächtigen Töne des Chors
daher brausten: Gloria in excelsis deo! – war es nicht, als öffne sich die Wolkenglorie über dem Hochaltar? – ja, als erglühten
durch ein göttliches Wunder die gemalten Cherubim und Seraphim zum Leben und regten und bewegten die starken Fittiche und
schwebten auf und nieder, Gott lobpreisend mit Gesang und wunderbarem Saitenspiel? – Ich versank in das hinbrütende Staunen
der begeisterten Andacht, die mich durch glänzende Wolken in das ferne bekannte, heimatliche Land trug, und in dem duftenden
Walde ertönten die holden Engelsstimmen, und der wunderbare Knabe trat wie aus hohen Lilienbüschen mir entgegen und frug
mich lächelnd: »Wo warst du denn so lange, Franziskus? – ich habe viele schöne bunte Blumen, die will ich dir alle schenken,
wenn du bei mir bleibst und mich liebst immerdar.« –
Nach dem Hochamt hielten die Nonnen unter dem Vortritt der Äbtissin, die mit der Inful geschmückt war und den silbernen
Hirtenstab trug, eine feierliche Prozession durch die Gänge des Klosters und durch die Kirche. Welche Heiligkeit, welche Würde,
welche überirdische Größe strahlte aus jedem Blick der herrlichen Frau, leitete jede ihrer Bewegungen! Es war die
triumphierende Kirche selbst, die dem frommen gläubigen Volke Gnade und Segen verhieß. Ich hätte mich vor ihr in den Staub
werfen mögen, wenn ihr Blick zufällig auf mich fiel. – Nach beendigtem Gottesdienst wurde die Geistlichkeit sowie die Kapelle
des Bischofs in einem großen Saal des Klosters bewirtet. Mehrere Freunde des Klosters, Offizianten, Kaufleute aus der Stadt,
nahmen an dem Mahle teil, und ich durfte, weil mich der Konzertmeister des Bischofs liebgewonnen und gern sich mit mir zu
schaffen machte, auch dabei sein. Hatte sich erst mein Innres, von heiliger Andacht durchglüht, ganz dem Überirdischen
zugewendet, so trat jetzt das frohe Leben auf mich ein und umfing mich mit seinen bunten Bildern. Allerlei lustige Erzählungen,
Späße und Schwänke wechselten unter dem lauten Gelächter der Gäste, wobei die Flaschen fleißig geleert wurden, bis der
Abend hereinbrach und die Wagen zur Heimfahrt bereitstanden.
Sechzehn Jahre war ich alt geworden, als der Pfarrer erklärte, daß ich nun vorbereitet genug sei, die höheren theologischen
Studien in dem Seminar der benachbarten Stadt zu beginnen: ich hatte mich nämlich ganz für den geistlichen Stand entschieden,
und dies erfüllte meine Mutter mit der innigsten Freude, da sie hiedurch die geheimnisvollen Andeutungen des Pilgers, die in
gewisser Art mit der merkwürdigen, mir unbekannten Vision meines Vaters in Verbindung stehen sollten, erklärt und erfüllt sah.
Durch meinen Entschluß glaubte sie erst die Seele meines Vaters entsühnt und von der Qual ewiger Verdammnis errettet. Auch
die Fürstin, die ich jetzt nur im Sprachzimmer sehen konnte, billigte höchlich mein Vorhaben und wiederholte ihr Versprechen,
mich bis zur Erlangung einer geistlichen Würde mit allem Nötigen zu unterstützen. Unerachtet die Stadt so nahe lag, daß man von
dem Kloster aus die Türme sehen konnte, und nur irgend rüstige Fußgänger von dort her die heitre, anmutige Gegend des
Klosters zu ihren Spaziergängen wählten, so wurde mir doch der Abschied von meiner guten Mutter, von der herrlichen Frau, die
ich so tief im Gemüte verehrte, sowie von meinem guten Lehrer recht schwer. Es ist ja auch gewiß, daß dem Schmerz der
Trennung jede Spanne außerhalb dem Kreise der Lieben der weitesten Entfernung gleich dünkt! – Die Fürstin war auf besondere
Weise bewegt, ihre Stimme zitterte vor Wehmut, als sie noch salbungsvolle Worte der Ermahnung sprach. Sie schenkte mir einen
zierlichen Rosenkranz und ein kleines Gebetbuch mit sauber illuminierten Bildern. Dann gab sie mir noch ein
Empfehlungsschreiben an