Kampf um Katinka. Thomas Pfanner
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Da auf normalem Weg eine Panzerung aus Cardonium praktisch nicht zu durchdringen war, blieb nur ein Trick übrig, den die Physiker Schwingungskatastrophe nennen. Eine Vielzahl kleiner Explosionen veranlassen die Kristallgitter zu zahlreichen Abwehrreaktionen, die vielen Veränderungen des Gitters führt zu Überlappungen und sich aufschaukelnden Verstärkungen und Ausweichbewegungen, die in der Summe schließlich an einer Stelle zum spontanen Bruch der Hülle führen. Gänzlich unverstanden war dabei die Erfahrung, dass eine ganz bestimmte Menge Sprengstoff pro Explosion den besten Effekt erzielte, die notwendige Zahl und Dichte der Explosionen jedoch schwankte und abhängig schien von winzigen Details, die bei der Produktion der Hülle zu unterschiedlichen Bedingungen geführt haben mochten. Der Entwicklung und dem Gebrauch von Kanonen zugrunde lag die Vernichtung der Gnomatou, ein Schiff von Ordune, die im Vertrauen auf ihre Unverwundbarkeit in das Trümmerfeld eines gerade von ihr zerstörten Frachters geflogen war. Der Frachter hatte Munition geladen, die sich in feurigen Kaskaden in Nichts auflöste, auch im Augenblick des Durchfluges. Die graue Oberfläche des Ordunesen hellte sich in Sekundenschnelle in flackernden Lichtbogen auf und … zerbrach in drei Teile. Die Wissenschaftler benötigten beinahe drei Jahre, bis es gelang, den Effekt unter Laborbedingungen zu reproduzieren. Es vergingen weitere fünf Jahre, bis dieselben Wissenschaftler dahinter kamen, dass die Bedingungen für das Bersten der Hülle sowohl von der Dicke als auch von der schieren Größe abhingen. Nach Abschluss der Forschungen endete das kurze Zeitalter der unverwundbaren Planetenvernichter.
Mangels Gegenwehr und probater Bekämpfungsmöglichkeiten hatten sich bis dahin Schlachtkreuzer nicht bekämpfen können und der eigentliche Zweck eines bewaffneten und mit Cardonium gepanzerten Schiffes erschöpfte sich darin, die Welten der Feinde unbewohnbar zu machen. Da dies prinzipiell auch den Schiffen des gerade ausgelöschten Gegners möglich war, blieben Siege unmöglich. Leider schreckte das kaum jemanden ab und so verlor die Menschheit eine ganze Reihe Planeten und auch Reiche, bis die Wissenschaft die Menschheit als Ganzes quasi in letzter Minute rettete, in dem ein Weg gefunden werden konnte, Cardonium doch zu durchdringen. Nicht wenige hellsichtige Geister mutmaßten allerdings schon damals, dass hierdurch kein echter Durchbruch zur Rettung des Menschen vor sich selbst erzielt worden war, sondern lediglich die Leiden des Einzelnen und das Siechtum der ganzen Rasse verlängert wurde, wobei das Endergebnis weiterhin klar und hell am Horizont erkennbar blieb, die unverrückbare und völlige Vernichtung der Spezies Mensch. Die Regierenden verfügten weder über die geistigen Ressourcen noch über die Laune, langfristige Konsequenzen ihres Handelns zu reflektieren. Die Kriege gingen weiter, zeitlich begrenzte Friedensabkommen wurden allein wegen vollständiger Erschöpfung geschlossen, niemals aus einer wie auch immer gearteten Einsicht heraus. Als wäre die Situation nicht schon so fragil und elend genug, befleißigten sich die jeweiligen Machthaber zudem noch eines Herrschaftsdenkens, mit dem zuverlässig ausgeschlossen werden konnte, das Potenzial an qualifizierten und motivierten Offizieren auszuschöpfen. Nur einmal in der Geschichte Horaves hatte man eine Ausnahme machen müssen. Aber nun war der Krieg gewonnen und der „Fehler“ konnte behoben werden. Eines aber hatten die Adligen Horaves noch nie wirklich verstanden, ein eisernes Gesetz der Natur, das so auch eins zu eins auf menschliche Handlungsweise übertragbar war: Jede Aktion führt zu einer Reaktion. Oder, übersetzt auf menschliches Handeln: Jede Handlung fordert eine Gegenhandlung heraus. Der Handelnde glaubt hierbei stets in gleichsam pathologischer Selbstüberschätzung zu wissen, wie die Reaktion aussehen wird und diese selbstverständlich beherrschen zu können. Doch ist es noch nie gelungen, in die Zukunft zu sehen, niemals, nicht für eine einzige Sekunde.
*
Istvan Horvath tat, was getan werden musste. Die Steuerbefehle Nazifas vorausahnend gab er kurz Feuerstöße ab. Die beiden Rotorkanonen im Kaliber elf Zentimeter spuckten jedes Mal eine Geschoss-Wolke aus, die zu gleichen Teilen aus Sprengmunition und gehärteten Wuchtgeschossen bestand. Die Wolken trafen sich, zeitlich um eine Winzigkeit versetzt, auf verschiedenen Stellen des Rumpfes der Jacht. Der Waffenspezialist benötigte einige Feuerstöße, bis er die Bewegungen des Gegners verstanden hatte und in der Lage war, sie einigermaßen präzise in die Berechnungen seines eigenen Feuers einfließen zu lassen.
Für den unbedarften Zuschauer musste das Ganze wie ein Ringkampf wirken, nur dass ein Kind gegen einen Preisboxer antrat. Die Jacht maß kaum achtzig Meter in der Länge, die Grizzly knapp über vierhundert Meter. Zudem verfügte die Saskia über keinerlei Offensivbewaffnung. Ihre einzige Möglichkeit zur Gegenwehr bestand im Absetzen der wenigen Blendgranaten, worauf die Mannschaft aber aus gutem Grund bislang verzichtet hatte. Der Effekt würde nur wenige Sekunden andauern, wenn überhaupt. Somit eignete sich eine Blendgranate für die Jacht nur, um für die kurze Zeitspanne Ruhe zu haben, die der Hyperspleiß zum Laden benötigte. Da das Schwerefeld der Sonne bis hierher reichte, entfiel die Möglichkeit, eine Raumkrümmung zu erzeugen und einfach zu verschwinden. Ergo war es sinnlos, eine Blendgranate abzufeuern.
Istvan seinerseits trachtete danach, die Sensoren der Saskia mit konzentrischem Beschuss abzurasieren. Dabei brauchte er nicht genau zu treffen, lediglich nach Möglichkeit den Rumpf von vorne bis hinten mit Granaten abzustreuen. Er traf sehr gut, was auch daran lag, dass sich die Grizzly bis auf sechshundert Metern genähert hatte, wodurch die Geschosse aus den beiden riesenhaften Kanonen keine halbe Sekunde bis zum Aufschlag benötigten. Die Jacht wurde in Feuerwerk gehüllt, in rasender Folge wuchsen flammende Blumen aus ihr heraus, was zu großen Teilen eine optische Täuschung war, denn der Rumpf hielt noch.
Die Sturmboote kamen in Zweiergruppen ins Zentrum seines Holos geflogen, durch den Geschosshagel vor Entdeckung gefeit. Sie kamen jedoch rasch voran, und da die Jacht immer noch um die Hochachse tanzte, um dem Angriff zu trotzen, sah Istvan die Notwendigkeit, unverzüglich zum zweiten Teil überzugehen. Im gewölbten Unterboden öffnete sich gleich neben der Hangarschleuse eine kleine Luke, aus dem eine kegelförmige Rakete fiel. Sie setzte sich mit flammenden Reaktionsdüsen in Bewegung und der Waffenoffizier gab Nazifa ein Zeichen. Unverzüglich gab der Schlachtkreuzer seine leicht überhöhte Position auf und versuchte mit harten Manövern, auf einer Ebene mit der sich windenden Jacht zu gelangen. Die Pilotin täuschte eine Wendung an, tat so, als wolle sie mit zur Saskia gerichtetem Ionenhammer abbremsen und die Entfernung wieder etwas vergrößern, führte die Bewegung jedoch nur halb aus. So schwenkte sie bereits wieder zurück, als die Jacht sich ihrerseits drehte, um die Bremsung des Verfolgers zu nutzen, um von der Grizzly weg zu beschleunigen. Dadurch geschah es, dass die Saskia eine halbe Sekunde später den Kanonen den Rachen des Ionenausstoßers präsentierte. Istvan zögerte nicht, peilte eine Zehntelsekunde lang zum linken Rand des quadratischen Austrittsfeldes hin und gab Feuer.
Es reichte gerade so. Die Steuerdüsen der Saskia feuerten bereits panisch, um den offenen Hintern des Schiffes in Sicherheit zu hieven, da schlugen die Granaten ein. Der Waffenoffizier der Grizzly hatte speziell für diesen Feuerstoß ausschließlich Hartkernmunition angewählt. Explosionsgeschosse hätten das Risiko einer Kettenreaktion mit sich gebracht, immerhin galt in der Flotte ein Treffer in die offene Austrittsöffnung des Ionenhammers als Fangschuss, der in der Regel weiteren Beschuss überflüssig machte. Im Unterschied zur üblichen Raumschlacht war heute Präzision gefragt. Das Schiff sollte intakt bleiben, nur nicht mehr weiter weglaufen können.