Kampf um Katinka. Thomas Pfanner

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Kampf um Katinka - Thomas Pfanner

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dort die zweite Beschleunigungskatastrophe, dieses Mal mit entgegengesetztem Vektor. Im Prinzip wurde der Füsilier mithin einem Vorgang unterworfen, der in fataler Weise einem Verkehrsunfall ohne jede Knautschzone entsprach.

      In einem normalen Kampf sollten derlei Risiken keine Rolle spielen, die Ausbildung war hart bis an die Grenze zu Brutalität und jeder Füsilier war darauf trainiert, seine Überlebensinstinkte auszuschalten. Die Erfahrung aus den Kämpfen der letzten Jahre sah hingegen ein wenig anders aus. Adlige Frontoffiziere zeichnete ein gewisses Maß an… Vorsicht aus. Üblicherweise vermieden sie es, Mann-gegen-Mann-Situationen heraufzubeschwören. Lieber begnügte man sich mit dem gegenseitigen Zuwerfen von Bomben, dem aufstellen von Sprengfallen und ganz allgemein einem Hang zu taktischem Geschiebe in der Form, lieber ein allgemeines Gerenne zum Zwecke des kampflosen Überholens zu veranstalten, als sich echter körperlicher Auseinandersetzung zu stellen. Die Füsiliere von Katinka waren da anders gestrickt, was den Verteidigern der Saskia offenbar nicht bekannt war. Mit Freuden ließ man sich auf ein Geplänkel ein, mit wenig Feuer und Qualm entwickelte sich ein Bewegungskampf, in dessen Verlauf die Zentrale immer mehr in die Ferne rückte. Für die Verteidiger schien alles normal zu verlaufen, die Vorgehensweise entsprach dem der üblicherweise anzutreffenden kaiserlichen Füsiliere. Anheuser marschierte mit acht Mann in Richtung Zentrale und begegnete keiner Menschenseele. Damit galt sein Plan schon jetzt als gelungen. Moderne Raumschiffe kamen mit sehr wenig Personal aus, dies galt ganz besonders für eine kleine Jacht. Sicher, die Maschinen gerieten unvergleichlich gewaltig, doch machte die Größe keinen Unterschied in Bezug auf die Personalstärke. Ob ein Fusionsmeiler das Format einer Handtasche hatte oder den Umfang einer mittleren Fabrik, das Wirkprinzip blieb ebenso gleich wie der Grad der Automatisierung. Eine Jacht benötigte im Prinzip nur drei Mann, die sich im Schichtbetrieb im Sessel des Piloten abwechselten und einige weitere Besatzungsmitglieder, die sich um die Aggregate kümmerten. Natürlich würde im Krisenfall, wenn auf dem Maschinendeck ein schwerwiegendes Problem oder gar ein Unfall auftrat, der Bedarf an Personal sprunghaft in die Höhe schnellen. Dieses zusätzliche Personal vorzuhalten unterblieb aber in der Regel sogar auf Kriegsschiffen. Zum einen gab es die benötigte Anzahl an qualifiziertem Personal gar nicht, zum anderen konnten noch so viele Mannschaften nicht sehr viel gegen einen durchgehenden Meiler oder ähnliches unternehmen. Um es auf einen Nenner zu bringen: Die aktuell verwendete Technikplattform war einerseits wenig anfällig für Fehler, verzieh Fehler aber andererseits ganz schlecht.

      »Bombe!«

      Anheuser befahl sofort für alle Trupps vollen Halt. Das bedeutete für die Ablenkungseinheit verstärkte Kampftätigkeit, aber das war ihm egal. Der Warnruf war von Sergeant Watkins gekommen, der den Suchtrupp leitete. Dessen Soldaten hatten querab nachgeschaut, weshalb eigentlich der Trupp vom Loch in diese Region abgedrängt werden sollte. Er hatte die Lösung gefunden. Für normale Sprengfallen verwendeten die Füsiliere das Codewort Granate. Bombe war für ernsthaftere Installationen reserviert. Anheuser vergrößerte einen Teil seines Displays und sah nun, was Watkins sah. Dessen Anzug verfügte über ein Endoskop, ein ausfahrbarer flexibler Schlauch mit Kamera, mit dem er um Ecken sehen konnte. Seine Leute befanden sich hinter ihm in Wartestellung. Das Bild des Endoskops zeigte die Notzentrale des Maschinendecks. Diese musste aufgrund gesetzlicher Vorgaben und praktischer Gründe auf jedem Schiff vorhanden sein. Für den Fall eines Totalausfalls der Brücke existierte auf dem Maschinendeck auf diese Weise eine Miniaturausgabe des Befehlsstandes, mit der ein Heimflug im beschädigten Zustand bewerkstelligt werden konnte. Die Notzentrale stellte wirklich nur einen absoluten Notbehelf dar, es gab noch nicht einmal eine feste Wand. Zwischen den beiden Fusionsmeilern und den Hauptabnehmern der Energie, dem Ionenhammer und dem Trägheitsnegator, musste die Energie mit dicken Leitungen transportiert werden. An Abnehmern und Erzeuger waren sogenannte Plasmakupplungen angeflanscht, die, ähnlich dem Prinzip der Überlandleitungen für Strom, die Energie transportabel machten. Zwischen den Kupplungen floss glühendes Canton-2-4-Plasma in dicken Rohren. Der Raum zwischen den Aggregaten war angefüllt mit diesen Rohren, ließ aber noch Raum für weitere Installationen.

      Im Falle der Saskia waren die Rohre unter der Decke verlegt, sodass ein annähernd runder Platz von vielleicht acht Metern Durchmesser frei blieb, um am Boden die Notzentrale einzubauen. Die Geräte und Stühle dieser Zentrale standen allerdings frei im Raum, wie ein halbwegs geordnetes Möbellager. Keine Trennwände, kein Schott, kein Lärmschutz. Und laut war es an diesem Ort zweifellos. Plasmakupplungen jaulten gemeinhin ganz jämmerlich, die Leitungen ließen stets ein tiefes Sausen ertönen, insgesamt herrschte eine Geräuschkulisse, die der in einem Klimabetriebsraum eines Hochhauses sehr ähnlich war, nur lauter und intensiver.

      Das alles störte die Füsiliere nicht weiter, der Anzug dämpfte alles auf annähernde Lautlosigkeit herunter. Wesentlich interessanter war da schon die große glänzende Kiste, die mitten in der Notzentrale stand und auf deren Spitze eine rotierende Kamera zu besichtigen war. Watkins ahnte, was seinen Kommandeur interessierte und vergrößerte das Bild. Die Aufschrift auf der Kiste war nun lesbar. Anheuser fluchte wild, hatte sich aber sogleich im Griff.

      »Skipper?«, fragte er grimmig, schaltete das Display und die Verbindung auf den vertraulichen Modus.

      »Ich sehe es auch«, gab Tanner zurück, eine leichte Beunruhigung schwang in seiner Stimme mit. Gefestigter sprach er weiter.

      »Diese Idioten meinen es wirklich ernst. Ich erhalte gerade die Meldung, dass man ein Gespräch wünscht, und zwar auf der Stelle. Ich vermute, die wollen verhandeln. Und wenn das trotzdem in die Hose geht, dann sprengen sie den ganzen Laden in die Luft. Ich möchte nur zu gerne wissen, wo die das Zeug herhaben.«

      Das "Zeug“ befand sich in der Kiste und diese Kiste war offizielles Nachschubmaterial der Kaiserlichen Flotte. Es enthielt Lyso-Plasma, den Brennstoff, den die kegelförmigen Raketen zum Aufschweißen von Cardonium benutzten. Es war sehr heiß, expandierte ungeheuer rasch und gab daher auch eine ziemlich gute Bombe ab. Besonders an diesem Ort. Lyso-Plasma verhielt sich ohne Ausrichtung durch entsprechende Apparaturen wie ein Blitz, es bündelte sich zu einem Strahl, der wild umherzuckte. Dabei musste unweigerlich eine der Plasmaleitungen getroffen werden. Eine Kettenreaktion würde in Gang kommen, alles Plasma verbrennen, die Kupplungen verglühen, der Meiler wegen der verbrannten Steuerelektronik nicht zurückschalten, überhitzen und detonieren, dass Schiff komplett von innen ausbrennen. Anheuser knurrte angewidert: »Die wollen keinen Kampf gewinnen, die wollen berühmt werden.«

      Tanner nickte leicht, seufzte sachte und stellte die entscheidende Frage:

      »Hast du einen Plan?«

      Den hatte der riesenhafte Major in der Tat bereits im Verlaufe des Gesprächs entwickelt. Er schenkte seinem Captain ein böses Grinsen.

      »Die Kamera ist der Schwachpunkt. Ihre Anwesenheit bedeutet, dass in der Zentrale jemand sitzt, der ganz bewusst auf den Knopf drücken will und damit bis zum letzten Augenblick warten wird. Wir müssen beides gleichzeitig machen, Sturm der Zentrale und Sicherung der Bombe.«

      »Schön, und was ist mit der Prinzessin? Du kannst nicht einfach eine Granate reinwerfen, um alle zusammen zu erwischen. Die Prinzessin muss überleben, selbst wenn sich hinterher herausstellen sollte, dass es eine Hochstaplerin ist.«

      Anheuser nickte mehrmals rasch, die aufeinander gepressten Zähne ließen seine Kieferknochen noch mehr hervortreten. Selbst in den Wangen schienen die Muskeln trainiert zu sein. Was keiner ahnte, sie waren es tatsächlich.

      »Ich schon klar. Die Zentrale hat zwei Eingänge. Wir werden von beiden Seiten gleichzeitig reingehen und mit Schockgeschossen arbeiten müssen. Dabei kann die Prinzessin nicht getötet werden.«

      Der Skipper machte eine Grimasse irgendwo zwischen Ungläubigkeit und Zustimmung. Er kannte die Optionen, die Anzahl war sehr übersichtlich. Trotz der angespannten Lage belustigte ihn die diplomatische Ausdrucksweise des Füsiliers, dessen Antwort zwar den Tod der Prinzessin ausschloss, das hohe Risiko einer ernsthaften

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